Frage einer Leserin: Meine Ärztin schlägt mir ein Antidepressivum vor. Gibt es keine Alternativen?

Ich kann Ihr Zögern gut verstehen. Vor drei Wochen begannen Sie eine Therapie wegen einer Depression , die Sie schon immer etwas begleitet hat. In den letzten Monaten hat sie sich aber verstärkt. Dass man Ihnen ein Antidepressivum vorschlägt, kommt nicht unerwartet – und doch zu schnell für Sie.

Die Empfehlung löste viel aus bei Ihnen. Sie stehen «Chemie» eher kritisch gegenüber. Zum einen befürchten Sie, ein chemisches Präparat könnte Ihre Psyche verändern , Ihre Gefühle und Ihr Denken beeinflussen. Zum anderen finden Sie, Medikamente seien eine «billige» Lösung, mit der wichtige Signale der Psyche unterdrückt werden.

Ein weiterer Aspekt hat mit Ihrer Geschichte zu tun. Ihr Vater hatte immer eine Packung Antidepressiva im Badezimmerschrank. Gut versteckt und nie erwähnt. Sie können bis heute nicht genau benennen, welches Gefühl das damals als Kind bei Ihnen ausgelöst hat.

Nun, was kann ich Ihnen raten?

Optionen gibt es viele. Für eine der wichtigsten haben Sie sich bereits entschieden – Sie haben eine Psychotherapie begonnen. Dabei lernen Sie die Mechanismen und Hintergründe Ihrer Depression kennen Depression «Am liebsten nicht erwachen» . Sie erfahren, welche Gedanken, Aktivitäten oder Beziehungen Ihre Stimmung und Ihre Gefühle beeinflussen – und auf welche Weise. Sie hatten bereits früh im Leben Stimmungsschwierigkeiten; deshalb hilft es vielleicht, etwas stärker Ihre frühen Beziehungsmuster und Prägungen anzuschauen.

Psychotherapie braucht Zeit, ist aber nachhaltig. Nicht medikamentöse Alternativen Antidepressiva «Langfristig wirkt Psychotherapie besser als Medikamente» gibt es ebenfalls viele. Sport oder regelmässige Bewegung, Atemmeditation, die Achtsamkeit trainieren oder auch Kaltwasserschwimmen können hilfreich sein. Die Datenlage zur Wirksamkeit ist allerdings relativ dünn, das Risiko von möglichen Nebenwirkungen dafür aber auch klein.

Mit einer Person zu reden, die ebenfalls Depressionen hatte und nun genesen ist, kann eine gute Alternative sein, genauso wie Gespräche in einer Selbsthilfegruppe. Die Behandlung einer Depression ist komplex. Sie begleitet Betroffene oft wiederholt und über Jahre und hat einen grossen Einfluss auf ihre Lebensqualität. Damit die Behandlung an die Person und die jeweilige Depression angepasst werden kann, braucht es einen Strauss an Behandlungsmöglichkeiten. Ihre Therapeuten präsentieren Ihnen den Strauss, Sie wählen die Methode.

Wie ist das Gefühl nach Einnahme von Antidepressiva zu beschreiben?

Nun zu Ihren Bedenken. Antidepressiva wirken nicht direkt als Stimmungsaufheller. Nach der Einnahme spüren Sie anfänglich keine Veränderung im Gefühlsbereich.

Vielleicht wird Ihnen leicht übel, oder Sie zittern etwas – das sind unmittelbare Nebenwirkungen. Antidepressiva wirken indirekt. Sie stimulieren die Flexibilität in Ihrem Gehirn. Die Nervenzellen können sich wieder besser vernetzen, das erleichtert das Denken und das Lernen. Das Gleiche bewirken auch das pflanzliche Heilmittel Johanniskraut Wechselwirkungen von Psychopharmaka Gefährliche Mischung , eine Psychotherapie, Achtsamkeitstraining oder Heilfasten. Allerdings wirken Antidepressiva schneller und stärker.

Stellen Sie sich eine Treppe vor. Antidepressiva sind in der Regel nicht die erste Treppenstufe, sie kommen zum Zug, wenn andere Therapieverfahren nicht wirken. Oder, bildhaft gesprochen, wenn die Treppenstufe, die Sie erklimmen möchten, zu hoch ist. Wenn das Denken so eingeengt ist, dass Sie sich in der Psychotherapie nur noch wiederholen und immer wieder von vorn beginnen müssen.

So betrachtet, sind Antidepressiva keine «billige Lösung». Sie helfen Ihnen, die Treppe hinaufzusteigen. Erklimmen werden Sie die Stufen aber selbst.

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