Es war ein Facebook-Inserat für Kleinkredite, das Irma B. zum Verhängnis wurde. Sie war in einen finanziellen Engpass geraten und kontaktierte den Anbieter. Was sie nicht wusste: Hinter solchen Inseraten stecken keine Banken oder Finanzinstitute, sondern Fake-Profile.

Solche Kreditinserate sind in den allermeisten Fällen frei erfunden, zeigt eine Auswertung des Beobachters. Die Spuren dieser Fake-Profile führen oft nach Westafrika, etwa nach Benin.

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Die Masche der Betrüger: Wer einen Kredit will, soll zuerst eine Gebühr von wenigen Hundert Franken bezahlen, später kommen angebliche Notariatskosten dazu, Transaktionskosten und ähnliche Fantasiegebühren. Das war vor drei Jahren, bis heute wird Irma B. die Betrüger nicht mehr los. Noch immer nutzen sie die Identität der 67-jährigen alleinstehenden Frau ungehindert für ihre Gaunereien. 

Sie ist eine von mehreren Hundert Personen, die jedes Jahr in der Schweiz wegen Geldwäscherei verurteilt werden. In ihrer finanziellen Not oder weil sie sich erhoffen, schnelles Geld zu verdienen, stellen sie Betrügern ihr Bankkonto zur Verfügung; darüber werden Erlöse aus einer ganzen Reihe von Online-Betrügereien ins Ausland geleitet. Fachleute nennen solche Geldtransfers Money Mules, also Geldesel. Trotz der fatalen Folgen für Betroffene schaffen es Betrüger, immer wieder neue Money Mules zu rekrutieren. 

Betrüger nutzen Schweizer Handynummer

Im Fall von Irma B. ging das so: Die Frau realisierte zwar, dass mit den Gebühren für den Kredit etwas nicht stimmen konnte. Sie betont, sie habe nie bezahlt. Doch die Betrüger nutzten eine Schweizer Mobiltelefonnummer und brachten ihr Opfer dazu, sich über Whatsapp auszutauschen. Der Betrüger trat unter dem Namen «Josef Studer» auf, wie aus Dokumenten der später durchgeführten Strafuntersuchung hervorgeht. Und Irma B. liess sich von ihm trotz ihrer Skepsis einlullen.

Er bot ihr eine «Verdienstmöglichkeit» an. Sie müsse nur ihr Bankkonto zur Verfügung stellen – für einen Geldtransfer in die USA. Auf Wunsch von «Josef Studer» eröffnete sie auch gleich noch ein neues Konto bei einer anderen Bank – zum gleichen Zweck.

Irma B. glaubte damals, mit einem Schweizer zu kommunizieren, und verschickte gutgläubig ein Foto der eigenen Identitätskarte. Ein schwerwiegender Fehler, wie sie zwei Jahre später erfahren sollte.

Fake-Konto mit Identitätskarte von Irma B.

Fake-Konto auf Linkedin mit Identitätskarte von Irma B.

Quelle: Screenshot Linkedin

Was Irma B. zu diesem Zeitpunkt nicht wissen konnte: Sie war soeben zum Money Mule geworden. Innerhalb von vier Monaten überwiesen 14 Personen je zwischen 400 und 1500 Franken auf ihr Konto. Das Geld stammte aus dem Erlös von fiktiven Inseraten auf Anibis, Tutti oder Facebook-Marketplace. Interessierte glaubten, Küchengeräte, iPads oder Kameras gekauft zu haben. Tatsächlich aber bezahlten sie für Produkte, die gar nicht existierten
 
Ende 2021 überwies Irma B. dann – wie von «Josef Studer» gewünscht – in mehreren Tranchen gesamthaft fast 14’000 Franken ins Ausland, an eine Person, die sich als «Prospere Smith» ausgab – und 900 Franken an eine Person namens «Rolf Diem». Wer sich tatsächlich hinter diesen Pseudonymen versteckt, wurde auch während der Strafuntersuchung nicht klar.

Verurteilt wegen mehrfacher Geldwäscherei

Die Quittung erhielt Irma B. von der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz: Sie wurde im Sommer letzten Jahres wegen mehrfacher Geldwäscherei zu einer Busse und einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Irma B. musste schliesslich für die Busse und die Verfahrenskosten rund 5300 Franken bezahlen.

Ins Rollen kam der Fall, weil mehrere Personen wegen der nicht gelieferten Produkte ihr Geld zurückforderten und schliesslich Anzeige erstatteten. Der zuständige Staatsanwalt warf Irma B. vor, sie hätte merken müssen, dass an den Zahlungen etwas nicht stimmen konnte. Denn als Zahlungsgrund war immer wieder der Kauf von elektronischen Geräten erwähnt. Zudem hat sie sogar noch zu einem Zeitpunkt Geld ins Ausland weitergeleitet, als schon die ersten Geprellten reklamierten. «Damit nahm sie die deliktische Herkunft dieser Gelder sowie deren Verschleierung zumindest in Kauf», heisst es im Strafbefehl.

Unbekannte nutzten ihren Ausweis, um in ihrem Namen bei einer weiteren Bank ein Konto zu eröffnen. Irma B. wurde zum zweiten Mal zum Geldesel.

Doch mit der Busse und den Verfahrenskosten konnte sich Irma B. noch nicht aus den Fängen der Betrüger befreien. Letzten Sommer wurde sie von ihrer eigenen Unachtsamkeit eingeholt: Unbekannte nutzten ihren Ausweis, um in ihrem Namen bei einer weiteren Bank ein Konto zu eröffnen. Irma B. wurde zum zweiten Mal zum Geldesel.

Bei Recherchen zu betrügerischen Holzverkäufen stiess der Beobachter auf Rechnungen, die die Betrüger im Namen eines Holzhändlers verschickten – mit dem neuen Konto von Irma B. Darauf angesprochen, ob sie erneut im Auftrag der Betrüger operiere, versichert sie: «Ich habe dieses Konto nicht eröffnet.»

Sie liess das Konto sperren und meldete ihre Identitätskarte als gestohlen. Trotzdem musste sie erneut zur Einvernahme. Wie das neue Verfahren ausgeht, ist noch offen. Sie betont, weder etwas vom Konto zu wissen, noch Gelder weitergeleitet zu haben. Das war auch gar nicht nötig, denn die Betrüger hatten ja gleich selbst Zugriff auf das Konto.

Betrüger lassen sie nicht in Ruhe

Ganz los ist sie die Betrüger bis heute nicht geworden. Sie nutzen ihre Identität weiter. Aktuell existieren mehrere Facebook-Profile, ein Instagram-Konto und vier Linkedin-Profile. Hier gibt sich ein Betrüger kühn als «Sécrétaire général» bei der «Bank Fidors» aus und veröffentlicht dazu auch gleich ein Bild von Irma B.s Identitätskarte.

Fake-Konto von Irma B. auf Twitter

Fake-Konto von Irma B. auf Twitter.

Quelle: Screenshot Twitter

Auf Twitter wirbt der Betrüger im Namen von Irma B. mit zwei Telefonnummern und einer Mailadresse für Kleinkredite, auf Youtube postet er einen Film eines Fests irgendwo in Afrika. Die Spuren führen nach Benin zu einem Mann namens Patrice Kolombo. 

Der Beobachter wollte von ihm wissen, warum er Irma B. nicht in Ruhe lässt. Doch der Betrüger reagierte nicht. Im Gegenteil: Auf Facebook postet er jetzt eine neue – alte – Betrugsmasche: «Ich bin auf der Suche nach einer gutherzigen Person, der ich mein Erbe hinterlassen kann.»