Meist kündigt die triefende Nase das Unheil an. Das Kind wirkt angeschlagen, hat plötzlich weniger Appetit. Husten und vielleicht etwas Fieber bringen dann Gewissheit: Es ist wieder so weit – das Kleine hat sich eine Erkältung zugezogen.

Der Berner Kinderarzt Rolf Temperli kennt dieses Szenario nur zu gut. Er sitzt im Vorstand des Verbands Haus- und Kinderärzte Schweiz und behandelt in seiner Praxis in Köniz seit über 20 Jahren Kinder und Jugendliche. «Wir sehen im Lauf der Jahre immer häufiger erkältete Kinder», sagt Temperli. Das hänge einerseits damit zusammen, dass die beratenden Grossmütter nicht mehr den gleichen Stellenwert in der Familie hätten. Aber auch die externe Kinderbetreuung spiele eine Rolle: «Heute gehen Kinder früher in Krippe und Kindergarten. So werden sie auch früher mit Erkältungsviren angesteckt.»

Bei jedem Wetter an die frische Luft

Temperli muss die Eltern in seiner Praxis immer wieder darauf hinweisen, dass Erkältungen zur Kindheit gehören. «Wenn sich Vorschulkinder im Winter einmal im Monat erkälten, ist das normal. Vorausgesetzt, dass sie dazwischen immer wieder ganz gesund werden.» 

Und trotzdem: Wie können Eltern ihr Kind möglichst gut wappnen? Temperli empfiehlt, die Kinder draussen spielen zu lassen – und zwar bei jedem Wetter: «Aktives Spielen an der frischen Luft fördert die Gesundheit und stärkt das Kind, auch gegen Infektionen.»

Kinder warm, aber nicht zu warm anziehen

Kinder, die bei jedem Wetter draussen spielen, müssen aber richtig angezogen sein. Was nicht heisst, das Kind möglichst warm einzupacken. «In zu warmen Kleidern schwitzen die Kinder, kühlen ab und sind dadurch noch anfälliger», so Temperli. Kinder müssen einfach den Temperaturen entsprechend angezogen sein.

In den Wohnräumen sollten Eltern für eine gute Luftqualität sorgen. Wichtigster Faktor dabei: Wird in der Wohnung geraucht? Der Kinderarzt warnt: «Kinder aus Raucherhaushalten sind anfälliger für Infekte, weil der Rauch die Schleimhäute reizt.»

Ausserdem sei es wichtig, das Kinderzimmer nicht zu überheizen. «In den Schlafzimmern sollte es für einen guten Schlaf nicht wärmer als 18 Grad sein», sagt Temperli. Eltern, die befürchten, dass die Kinder frieren, kann er beruhigen: «Ein Kind, dem in der Nacht kalt ist, deckt sich selber zu oder meldet sich.»

Die Krankheit erträglicher machen

Wenn es dann trotz allem wieder so weit sein sollte, können Eltern die Erkältung für ihr Kind immerhin erträglicher machen. Dabei sei es wichtig, nicht zu erwarten, dass das Kind nach zwei Tagen bereits wieder fit sei, sagt der Kinderarzt. «Eine Erkältung dauert in der Regel eine gute Woche. In dieser Zeit braucht das Kind Zuwendung, Verständnis und Geduld, um wieder gesund zu werden.»

Viele Eltern fragen sich: Soll die Erkältung mit Hausmitteln oder mit Medikamenten behandelt werden? Dazu der Kinderarzt: «Sowohl Hausmittel als auch Medikamente können die Symptome lindern und eine Erkältung erträglicher machen. Die Dauer der Erkältung können jedoch beide kaum beeinflussen.» 

In einem ersten Schritt sollte man es mit den bewährten Hausmitteln versuchen: viel Tee trinken und die Nase mit einem Salzwasserspray spülen. Inhalieren mit Kamillentee beruhigt die Schleimhäute und befreit die Atemwege. Und eine aufgeschnittene Zwiebel auf dem Nachttisch kann verhindern, dass sich die Atemwege wieder verschliessen. 

«Sowohl Hausmittel als auch Medikamente können die Symptome lindern und eine Erkältung erträglicher machen. Die Dauer der Erkältung können jedoch beide kaum beeinflussen.»

Rolf Temperli, Kinderarzt

Husten sollte, zumindest am Anfang, nicht bekämpft werden. «Grundsätzlich ist Husten ein sinnvoller Reflex, der die Atemwege reinigt und dem Kind hilft, den Schleim loszuwerden», sagt Rolf Temperli und fügt an: «Bei einem trockenen Husten, der den Schlaf raubt, kann ein dämpfendes Hustenmittel sinnvoll sein.» 

Bei einer stark verstopften Nase könne man neben Salzwasser kurzfristig abschwellende Nasentropfen verwenden. «Diese machen vor allem die Nächte erträglicher», so Temperli.

Normalerweise übersteht ein Kind eine Erkältung ohne Arztbesuch. In folgenden Fällen sollte es jedoch untersucht werden:

  • wenn es Mühe oder sogar Schmerzen beim Atmen hat;
  • wenn das Kind mehr als drei Tage lang hohes Fieber hat;
  • wenn die Symptome nach vier Tagen nicht langsam zurückgehen;
  • wenn sich der Zustand deutlich verschlechtert, das Kind also nicht mehr spielt, keinen Appetit mehr hat und nur noch schlafen will; 
  • wenn andere Symptome wie starke Kopfschmerzen oder häufiges Erbrechen dazukommen.

Säuglinge sollten jedoch schneller zum Arzt. Eine verstopfte Nase kann dazu führen, dass die Kleinen weniger trinken. Hebamme Andrea Weber, Geschäftsführerin beim Schweizerischen Hebammenverband, sagt: «Neugeborene brauchen regelmässig Nahrung. Wenn die Flüssigkeitszufuhr durch den Infekt vermindert ist und dann noch Fieber dazukommt, das zu einer möglichen Austrocknung beiträgt, muss man ein Baby schneller überwachen.»

Muttermilch macht Babys stärker

Meist reicht ein fiebersenkendes Mittel über Nacht, damit erkältete Neugeborene Kraft tanken können, um später wieder richtig zu trinken. Hebamme Weber rät Müttern, ihr Kind zu stillen: «Mit der Muttermilch erhalten die Säuglinge die Abwehrstoffe der Mutter. Es ist kein absoluter Schutz, aber Kinder ohne Muttermilch erkranken öfter und heftiger. Das ist wissenschaftlich erwiesen.»

Während einer Erkältung brauchen Neugeborene noch mehr Nähe als sonst. Eltern sollten sich bei der Betreuung abwechseln oder Hilfe annehmen, sagt Weber: «Auch Grosseltern oder gute Freunde können einem quengeligen Säugling Liebe und Geborgenheit geben und damit gleichzeitig den Eltern eine kurze Auszeit ermöglichen.»

Wissen, was dem Körper guttut.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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