Kinderarbeit in der Schweiz? Kaum vorstellbar und doch Realität. Zumindest im Luzerner Hinterland bei der Wauwiler Champignons AG. In der Pilzzucht, die Gastronomie, Detailhandel und Grossabnehmer wie die Migros beliefert, verbringen Wauwiler und Egolzwiler Primarschüler ihre freien Nachmittage und selbst Samstage und Sonntage damit, Schachteln zu falten.

Sogar Zehnjährige gehen «i d Schamp go schachtle», wie die Knirpse ihre Freizeitbetätigung nennen.

15 bis 20 Kinder helfen im Betrieb mit, bestätigt Roland Vonarburg, Geschäftsleiter und Mehrheitsinhaber der Firma. «Die Kinder kommen freiwillig, wir zwingen sie nicht dazu. Zudem haben wir die Einwilligung der Eltern.»

Sechs Franken erhalten die Kinder pro 280 gefaltete Schachteln. Während die Flinkeren das Pensum in einer halben Stunde schaffen, benötigen die Langsameren dafür gut eine Stunde.

Bezahlt werden die Schüler wöchentlich bar auf die Hand. Schriftliche Vereinbarungen oder vorgeschriebene Arbeitszeiten gibts laut Vonarburg nicht: «Es kann sogar sein, dass ein Kind am 25. Dezember hier war.»

Sozialen Schutz gibt es nicht


Kein schlechtes Geschäft. Denn kaum ein Erwachsener würde für solch mickrige Entlöhnung die rund eine Million Schachteln, die es jährlich zu falten gibt, abarbeiten. Ausserdem fallen bei den schwarzarbeitenden Kindern die Sozialabzüge weg. «Es gibt genügend Leute, die Arbeit suchen und auch diese Tätigkeit verrichten würden, wenn die Firma anständig bezahlt», meint dazu Hans Hofstetter, Chef der kantonalen Industrie- und Gewerbeaufsicht Luzern.

Vonarburg – er gehört als Luzerner Kantonsrat der selbst ernannten Familienpartei CVP an – will vom Vorwurf, Kinder als billige Arbeitskräfte zu missbrauchen, nichts wissen. «Es ging uns nie darum, Geld zu sparen, sondern darum, den Kindern eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu ermöglichen, bei der sie gleichzeitig ihr Taschengeld aufbessern können. Dies wurde auch von den Eltern und von der Schule sehr begrüsst.»

Ganz so euphorisch sieht man die Sache in der Primarschule Wauwil allerdings nicht: «Die Freizeit der Kinder gehört nicht in unseren Zuständigkeitsbereich. Das Schachtelfalten über Mittag jedoch konnten wir nicht tolerieren, da es die schulische Leistungsfähigkeit und die Konzentration der Kinder tangierte», sagt Schulleiter Thomas Küng.

Ein Chef mit wenig Gesetzeskenntnis


Auch wenn die Eltern mit der Kinderarbeit einverstanden sind und die Kinder keineswegs gezwungen werden – die Wauwiler Firma verstösst gegen das geltende Gesetz. «Es ist schlichtweg verboten, Kinder unter 13 Jahren zu beschäftigen. Es gibt dafür auch keinerlei Sonderbewilligungen oder Ausnahmen», betont Hans Hofstetter von der Industrie- und Gewerbeaufsicht des Kantons Luzern.

«Ich hatte keine Ahnung, dass es verboten ist, Kinder unter 13 Jahren zu beschäftigen», sagt Vonarburg – eine grobe Wissenslücke in Sachen Arbeitsrecht für einen Mann, der ein Nachdiplom in Betriebswirtschaft in der Tasche hat und knapp 100 Angestellte sowie einen Personalchef beschäftigt.

Immerhin gelobt der Pilzzüchter nach der Beobachter-Anfrage jetzt Besserung. In einem Rundschreiben an die Eltern und an die Schulleitungen der beiden Primarschulen erklärt er jedenfalls, dass die Wauwiler Champignons AG zukünftig keine Kinder unter 13 Jahren, dem gesetzlichen Mindestalter für bezahlte Tätigkeit, mehr beschäftigen wird. «Es ist uns da ein Fehler passiert, und ich entschuldige mich dafür.»