Da steht er an einer Bushaltestelle. Unauffällig gekleidet: kariertes Hemd, beige Faltenhose, Blazer über dem Arm. Aktenmappe in der Hand. Brillenträger. Wirft angespannt einen Blick auf die Uhr. Der typische Beamte.

Ein typischer Beamter? Der 52-Jährige ist keiner, der seine Meinung morgens um sieben in die Garderobe schliesst: «Ich mag wankelmütige Leute nicht. Ich bin wohl ein typischer Baselbieter Dickschädel.»

Was hat er sich nur in den Kopf gesetzt?

Herbst 1994. Werner Zumbrunn, Elektroingenieur, war seit vier Jahren Direktionsassistent bei den Industriellen Werken Basel (IWB). Das staatliche Energieversorgungsunternehmen wollte sich kundenfreundlichere Strukturen verpassen.

Da war Unternehmensberatung gefragt. Direktionsassistent Zumbrunn nahm sich der Sache an. Er wusste: Seit einigen Monaten galt im Kanton ein neues, strenges Submissionsgesetz. Für die Vergabe von Grossaufträgen galten klare Vorschriften.

Neun renommierte Beratungsfirmen wurden zu einer Offerte eingeladen, drei durften sich in Basel präsentieren. Was nur ein kleiner Kreis von IWB-Geschäftsleitern wusste: Ins Rennen kam plötzlich noch eine vierte Firma, Tochter eines US-Konzerns. Sie durfte ihre Offerte drei Wochen nach allen anderen abgeben – und erhielt den Zuschlag. Die Firmen, die sich korrekt an die Vorgaben der Ausschreibung gehalten hatten, waren die Lackierten.

Der Kritiker wird kaltgestellt

Werner Zumbrunn erkannte «in mehrfacher Hinsicht einen Verstoss gegen das Wettbewerbsrecht». «Warum wurde diese Firma anders behandelt?», fragte er seine Vorgesetzten. Er erhielt keine Antwort.

Das Vorgehen der IWB machte auch den Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth stutzig. Der Fall weise «eine Reihe von Merkwürdigkeiten» auf: «Es bleibt auf jeden Fall zu klären, ob es zulässig sein kann, einem am Verfahren bisher nicht beteiligten Aussenseiter den Zuschlag zu erteilen.» Und mit Blick auf Zumbrunns Intervention warnte Pieth: «Die Risiken des Korpsgeistes, der sich regelmässig gegen den Störer in der Verwaltung wendet, sind bekannt. Man sollte also mit der Marginalisierung des Störers sehr vorsichtig sein.»

Der Rat kam zu spät. «Ich war plötzlich abgeschrieben», erinnert sich Zumbrunn. Die Stelle des Direktionsassistenten wurde gestrichen; Zumbrunn musste sein Büro im Dezember 1995 Knall auf Fall räumen.

Ein paar Wochen zuvor hatte er eine aussergewöhnliche Offerte der IWB-Chefetage ausgeschlagen: eine Vereinbarung «betreffend die unverschuldete vorzeitige Entlassung». Darin offerierten die IWB eine Abfindung von fast 470000 Franken – verbunden mit der Verpflichtung, «über die Differenzen der Vergangenheit striktes Stillschweigen zu wahren».

«Mein Ruf war ruiniert»

Erst vor wenigen Wochen hat Zumbrunn einen neuen Job gefunden: vorübergehende Beschäftigung, mickriges Salär. Ein Glück, kann wenigstens seine Frau wieder als Krankenpflegerin wirken. Die 19-jährige Tochter und der 22-jährige Sohn stecken mitten in der Ausbildung.

«Mein Ruf war ruiniert», sagt Zumbrunn. Weit über 100 Stellenbewerbungen verliefen erfolglos. Er konnte nur ein verdächtig zweideutiges Arbeitszeugnis vorweisen. Dabei hatte er bis zu seinem letzten Mitarbeitergespräch ausgezeichnete Qualifikationen erhalten. Doch erst am 23. Juli 1999, Jahre nach seiner Entlassung, traf ein korrektes Zeugnis ein. Es lobt Zumbrunn in höchsten Tönen – und attestiert: «Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitenden war immer korrekt.»

«Das ist ein Hoffnungsschimmer», sagt Zumbrunn, «der erste wirkliche Erfolg nach einem jahrelangen Kampf.» Die IWB sind endlich an einer Einigung interessiert.

Nichts wünscht sich Zumbrunn sehnlicher. «Es ist ja schon wahnsinnig», sagt er, «so lange einem Phantom nachzujagen.» Einem Phantom? «Ich war einfach der Meinung, es gehöre zu meiner Pflicht als Beamter, für Fairness in der Verwaltung zu kämpfen.»