«Geht Ihr Partner fremd? Wir klären auf!», steht auf der Visitenkarte von Privatdetektiv Erich Wunderli, dem Kopf der Schweizerischen Agentenorganisation (SAO). Auch für Ermittlungen gegen Sozialhilfebezüger und Versicherungsbetrüger bietet sich die SAO an. So versucht sie, von der neuen Einnahmequelle zu profitieren, die die politische Diskussion um Scheininvalide und Sozialmissbrauch der Detektivgilde eröffnet. Rund 460 Detekteien bieten heute in der Schweiz ihre Dienste an. Die Branche boomt, doch sie ist diffus: Nicht in jedem Kanton ist der Begriff «Detektiv» geschützt. Über den Branchenumsatz gibt es nicht einmal Schätzungen.

Privatdetektiv Wunderli observiert nicht nur, er rekrutiert auf Stellenportalen im Internet auch Mitarbeiter, die im Selbststudium zu «Beobachtern» ausgebildet und dann eingesetzt werden sollen. Kosten der Ausbildung: 295 Franken, im Voraus zu entrichten. Wie wird man Beobachter? Für jemanden, der für den Beobachter schreibt, sollte diese Frage nicht unbeantwortet bleiben – also auf zu Agent Wunderli!

Im April bestelle ich mir die Unterlagen – sechs Schnellhefter à zwölf Lektionen –, schicke die ausgefüllten Aufgabenblätter und eine Anmeldung für die Prüfung an die Adresse der Detektei. Und warte. Es folgt kein Prüfungsaufgebot. Zweimal frage ich telefonisch nach, zweimal will Agent Wunderli keine Post erhalten haben. Kein Wunder, denn unter der Kontaktadresse ist keine Detektei Wunderli gemeldet.

Die Prüfung beim Frühschoppen

Genau drei Monate nach Erhalt der Unterlagen und nach abermaligem telefonischem Insistieren klappt es dann doch: Um zehn Uhr morgens erläutert Erich Wunderli nach kurzer Begrüssung die Ziele der SAO. Sie hätten vor, die Detektivszene aufzumischen, pro Kanton sollen mindestens zwei Filialen aufgebaut werden. Kurz darauf verlässt er das Lokal. Am Tresen treffen sich ein paar welke Gesichter wortlos zum Frühschoppen, die Bardame kennt Wunderli mit Vornamen. Ich sitze an diesem Morgen als einziger Aspirant in einem Bistro in Effretikon und schreibe die Theorieprüfung, knoble an 74 Fragen herum. Ein Hieroglyphentext soll entziffert werden. «Nennen Sie die Zahl Pi», heisst es. Oder: «Wie macht man Geheimtinte sichtbar?» Eine Lotteriewerbung dient mir als Lichtquelle, ein Jassteppich als Schreibunterlage.

Zwei Stunden später sitzen wir im Zug nach Winterthur, wo der praktische Teil der Prüfung ansteht: Observation eines Lockvogels. Während der Fahrt erzählt Wunderli aus dem reichen Fundus seines abenteuerlichen Agentenlebens. Kürzlich hätten sie in Mailand einen Geldwäschefall aufgedeckt, in Moskau ein Gebäude von Abhörwanzen befreit, und in Johannesburg seien sie in einer Ehebruchsache unterwegs gewesen. Das seien aber Aufträge für richtige Detektive. Diese Ausbildung böte er übrigens auch an – für 4230 Franken. Hier lerne man etwa, die Schrittfolgen des Verdächtigen zu lesen sowie das Funken und das Verwanzen.

Der Mann mit dem Koffer

Wir stehen in der Bahnhofshalle, Wunderlis Augen wandern umher. Wo ist der Lockvogel? Da! Ob ich den Typen in der roten Manchesterhose sehe? Willkürlich hat er den Mann aus der Masse der Passanten ausgewählt. Dieser schleppt sich durch den Bahnhof, zieht einen abgewetzten Rollkoffer hinter sich her, setzt sich. Ich beobachte ihn, Wunderli klebt am Handy und mimt den Telefonierenden, beobachtet mich. Nach einer Weile wankt der Lockvogel zwei Strassen weiter. Steuert die Drogenanlaufstelle an. Geht hinein, kommt wieder heraus, geht wieder hinein und bleibt da. Nach zwei Stunden: Ende der Observation, Ende der Beobachterausbildung.

«Das ist keine Ausbildung, sondern Geldmacherei», sagt Fritz Nyffeler, Präsident des Fachverbands Schweizerischer Privatdetektive. Wunderli sei ihm als unseriöser Anbieter einer Detektivschule bekannt. «Personen, die nach der Ausbildung in seiner Organisation SAO-Mitglieder sind, werden nicht in unseren Fachverband aufgenommen.» Wunderli meint dazu, dass er für die Beobachterausbildung sogar noch drauflege, und beteuert: «Was wir machen, ist seriös.»