Veröffentlicht am 26. April 2010 - 09:28 Uhr,
aktualisiert am 6. Dezember 2019 - 09:27 Uhr
«Aus zwei mach eins», sagte sich Max M. und holte Offerten für den Umbau der beiden Dachwohnungen in seinem Mehrfamilienhaus ein. Er will die Wohnungen zusammenlegen und selber einziehen.
Einziger Haken: Die Dachwohnungen sind vermietet, er muss seinen bisherigen Mietern wegen Eigenbedarfs kündigen. Als Eigentümer der Liegenschaft hat er natürlich das Recht dazu – gestützt auf den Grundsatz der Kündigungsfreiheit.
Leicht fällt ihm die Kündigung dennoch nicht, denn er wohnt im selben Haus und blickt auf eine langjährige gute Nachbarschaft mit seinen Mietern zurück. Vom Beobachter-Beratungszentrum will M. wissen, wie er korrekt vorgeht, damit das Ganze für beide Seiten fair abläuft.
Max M. möchte den betroffenen Mietern die unerfreuliche Botschaft persönlich überbringen und sie mündlich informieren; eine gute und faire Idee.
Damit die Kündigung aber formell gültig ist, muss sie auch noch schriftlich erfolgen, und zwar zwingend auf einem durch den Kanton genehmigten Formular .
Ferner muss M. die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin einhalten. Dabei ist nicht das Datum des Poststempels relevant, sondern der Erhalt der Kündigung: Sie muss vor Beginn der Kündigungsfrist beim Mieter eintreffen, sonst wird sie erst auf den übernächsten Kündigungstermin hin wirksam.
Zusätzlich muss der Vermieter folgende Aspekte beachten: Wurde die Wohnung von mehreren Personen gemietet – Konkubinatspaare oder Wohngemeinschaften –, muss die Kündigung an sämtliche Mieter gehen.
Für verheiratete oder in eingetragener Partnerschaft lebende Paare besteht eine gesetzliche Sonderregelung: Egal, wer den Mietvertrag unterzeichnet hat, die Kündigung muss stets an beide Ehegatten mit separater Post verschickt werden, sonst ist sie ungültig.
Max M. macht sich Sorgen. «Was gilt, wenn die Mieter die Kündigung nicht entgegennehmen und diese so vielleicht verhindern wollen?», erkundigt er sich am Beratungstelefon. «Durch meine mündliche Ankündigung wissen sie ja, was im Einschreiben steht.»
Keine Angst, die Kündigung gilt trotzdem. Denn kann der Pöstler den Brief nicht persönlich aushändigen, so gilt er vom Mieter als empfangen, sobald dieser das Schreiben bei der Post hätte abholen können; normalerweise ist das der erste Tag der Abholfrist.
Im Fall von Max M. ist der Eigenbedarf erwiesen. Doch es könnte auch sein, dass ein Vermieter den Eigenbedarf als Kündigungsgrund nur vorschiebt .
Vielleicht will er einfach seinen Mieter loswerden, weil dieser berechtigte Forderungen aus dem Mietvertrag geltend gemacht hat, zum Beispiel indem er schwerwiegende Mängel rügte.
Oder ein Hauseigentümer will sich einen widerrechtlichen Vorteil verschaffen, weil er den Mietzins erhöhen will, ohne darauf einen Anspruch zu haben.
Eine solche Kündigung wäre klar missbräuchlich.
Wer als Mieter Zweifel hat, ob tatsächlich Eigenbedarf vorliegt und somit Verdacht auf missbräuchliche Kündigung besteht, kann die Kündigung anfechten.
Um ein entsprechendes Verfahren bei der örtlichen Schlichtungsbehörde für Mietsachen einzuleiten, hat er 30 Tage Zeit, gerechnet ab Erhalt der Kündigung.
Achtung: Die gesetzliche Anfechtungsfrist von 30 Tagen kann nicht verlängert werden. Das Verfahren ist sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter kostenlos.
Auch wenn, wie bei Max M., keine missbräuchliche Kündigung vorliegt, haben die Mieter zumindest die Möglichkeit, innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen.
Die Dauer der Erstreckung hängt immer vom konkreten Einzelfall ab. Die Schlichtungsstelle wägt die Interessen der Parteien ab und vermittelt zwischen der Mieterschaft, die möglichst lange bleiben will, und dem Vermieter, der das Mietverhältnis bald aufgelöst haben will.
Relevant ist dabei der örtliche Wohnungsmarkt und die damit verbundene Frage, wie schwierig es für den Mieter sein wird, innerhalb der Kündigungsfrist eine neue Wohnung zu finden. Für ein Paar mit schulpflichtigen Kindern ist es sicherlich viel mühsamer, ein neues Zuhause zu finden, als für eine alleinstehende Person.
Berücksichtigt werden auch die Dauer des Mietverhältnisses und die persönliche Anbindung an den Ort oder das Quartier. Mieter, denen gekündigt wurde, müssen sich nicht mit der erstbesten Alternative zufriedengeben. Sie dürfen nach einer Wohnung suchen, die mit der aktuellen vergleichbar ist.
Können die Mieter jedoch anlässlich der Schlichtungsverhandlung keine Suchbemühungen nachweisen, wird es eng für sie punkto Erstreckung. Man sollte daher Wohnungsinserate, Kopien von Bewerbungsschreiben und Absagen aufbewahren und zur Verhandlung mitnehmen.
So wie die Dinge bei Max M. liegen, muss er damit rechnen, dass die Mieter seiner beiden Dachwohnungen eine Erstreckung erhalten werden – für sie ist es nicht leicht, eine gleichwertige neue Bleibe zu finden. Das erschwert die Planung für den Umbau und die Weitervermietung seiner Wohnung, in der M. derzeit lebt.
Optimal in einem solchen Fall ist es für alle, eine aussergerichtliche Einigung zu finden. Max M. könnte seinen Mietern freiwillig eine Erstreckung gewähren, dafür verzichten die Mieter explizit, den Fall in Kenntnis ihrer Rechte vor die Schlichtungsbehörde zu ziehen.
Der Fairness halber sollte M. den Mietern eine verkürzte Kündigungsfrist anbieten, zum Beispiel 30 Tage auf ein Monatsende. Diese Vereinbarung muss unbedingt schriftlich festgehalten und von allen Beteiligten unterzeichnet werden. Weshalb nicht in aller Minne bei einem guten Glas Wein?
Eigenbedarf ergibt sich häufig, wenn der Eigentümer einer Immobilie wechselt. Geschieht dies bei einem Mietshaus, gehen sämtliche Mietverträge automatisch auf den neuen Eigentümer über; es braucht keine neuen Verträge.
Der neue Vermieter hat dann das Recht, die Mietverträge wegen sogenannt dringenden Eigenbedarfs für sich oder nahe Verwandte mit einer Frist von drei Monaten auf den nächsten ortsüblichen Kündigungstermin zu kündigen.
Die Mieter können die Kündigung innert 30 Tagen anfechten und/oder eine Erstreckung verlangen. Der Vermieter muss beweisen, dass er aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen nicht über längere Zeit auf die Benutzung des Mietobjekts verzichten kann. Gelingt ihm dieser Nachweis, erhält der Mieter entweder keine oder nur eine sehr kurze Erstreckung.
Vorzeitiger Auszug bei Eigenbedarf: Zahlen wir für zwei Wohnungen?
Frage: Unsere Wohnung wurde wegen Eigenbedarfs mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten auf den nächsten Termin gekündigt. Wir können aber schon zwei Monate früher ausziehen. Müssen wir während dieser Zeit den Mietzins noch zahlen?
Grundsätzlich ja. Das Gesetz sieht für diese besondere Konstellation kein vorzeitiges Auszugsrecht
vor.
Falls Sie dennoch vorzeitig das Mietverhältnis beenden wollen, müssen Sie einen Ersatzmieter stellen. Dieser muss zumutbar, zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Das bedeutet in Ihrem Fall, dass er bereit sein müsste, ein Mietverhältnis für bloss zwei Monate einzugehen.
Wenn Sie keinen Nachmieter finden, können Sie auch versuchen, die Wohnung etwas günstiger unterzuvermieten
.
Auf alle Fälle rate ich Ihnen zu einem Gespräch mit dem Vermieter; vielleicht kommt ihm die Möglichkeit zu einem früheren Einzug sogar entgegen.
Oder bringen Sie vor, dass er Sie konsequenterweise auch vorzeitig aus dem Mietvertrag entlassen sollte, wenn er den dringenden Eigenbedarf geltend machen will. Möglicherweise könnte ihm sonst rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden.
Hanneke Spinatsch
Beobachter-Mitglieder erfahren im Merkblatt «Eigentümerwechsel im Mietrecht», ob der neue Besitzer schnell mal den Mietzins nach oben anpassen darf und welche Rechte sie haben, wenn für die Mietwohnung ein dringender Eigenbedarf beansprucht wird.