Antiraucherpille: Neue Munition im Kampf gegen Glimmstängel
Schweizer Raucherinnen und Raucher können zur Pille greifen, wenn sie ihre Suchtkarriere beenden wollen. Aber ohne Uberzeugung, dass das Leben ohne Zigaretten schöner ist, nützt auch die neue Antiraucherpille wenig.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Mal ganz ehrlich: Hat Ihnen Ihre erste Zigarette geschmeckt? Nein? Dann geht es Ihnen wie den meisten Rauchern: Sie mussten zuerst den Ekel vor dem Rauchgeschmack überwinden, um cool mitpaffen zu können. Ein Drittel der Schweizer hat sich jedoch an den schlechten Geschmack der weissen Stäbchen gewöhnt und kann sich den Griff zum Glimmstängel nicht mehr abgewöhnen.
Die meisten der 1,7 Millionen Raucher in der Schweiz würden gern von ihrem Laster loskommen und haben bereits einen oder mehrere Aufhörversuche hinter sich. Sie machten dabei die frustrierende Erfahrung, dass der Wille allein oft nicht ausreicht, um dem blauen Dunst für immer zu entsagen. Jetzt bietet die Pharmaindustrie eine neue Chance: Seit April dieses Jahres ist Zyban, die erste Pille gegen die Nikotinsucht, in der Schweiz zugelassen.
Das Verlangen wird ausgetrickst
Das vielfach auch als «Wunderpille» gerühmte Medikament unterscheidet sich vor allem in seiner Wirkung von anderen medizinischen Entwöhnungsmitteln. Nikotinersatzprodukte führen dem Körper den reinen Suchtstoff Nikotin in Form von Pflastern, Kaugummis, Sprays und Inhaliergeräten zu und zwar ohne die vielen Gifte, die in einer Zigarette enthalten sind. Zyban dagegen enthält kein Nikotin, sondern Bupropion. Diese ursprünglich als Antidepressivum entwickelte Substanz verringert die Entzugserscheinungen und unterdrückt das «Craving» dieses quälende Verlangen nach der nächsten Zigarette.
Die Antiraucherpille ist keine «Lifestyle-Droge», sondern ein verschreibungspflichtiges Medikament. Während sieben Wochen muss das Mittel eingenommen werden. In diesem Zeitraum können Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, trockener Mund und Kopfschmerzen auftreten. Eine in den USA durchgeführte klinische Studie mit 900 Teilnehmern zeigte, dass 30 Prozent der Raucher, die Zyban einnahmen, nach einem Jahr immer noch ohne Zigaretten auskamen. Nur etwa halb so viele, nämlich 16 Prozent, schafften den Entzug mit Hilfe eines Nikotinpflasters.
8000 Tote Jahr für Jahr
Sämtliche Teilnehmer der amerikanischen Untersuchung schluckten nicht nur Tabletten, sondern gingen gleichzeitig auch in die Verhaltenstherapie. Denn die Tabakabhängigkeit hat zwei Komponenten: eine körperliche und eine psychische. Nikotin wirkt als Droge mit einem ähnlichen Suchtpotenzial wie Heroin oder Kokain. Eine Tatsache, die Rauchern kaum bewusst ist. Deshalb setzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Nikotinabhängigkeit im letzten Jahr auf die Liste der behandlungsbedürftigen Krankheiten.
Rauchen erhöht die Wahrscheinlichkeit, an einer Herz-, Kreislauf- oder Lungenerkrankung zu sterben, um das Zwei- bis Dreifache. Der Tabakkonsum steht klar an erster Stelle der vermeidbaren Todesursachen. Allein in der Schweiz sterben jedes Jahr 8000 Menschen an den Folgen ihres Zigarettenkonsums. Das sind mehr Todesfälle als in den Bereichen Verkehr, Drogen, Alkohol und Aids zusammen!
Die Antiraucherpille und die Nikotinersatzpräparate tragen dazu bei, die körperlichen Entzugssymptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Kreislaufbeschwerden, Nervosität und Reizbarkeit zu verringern. Aber im Kampf gegen die psychische Seite der Abhängigkeit, den gewohnheitsmässigen Griff zur Zigarette, bleiben die Nochraucher in der Regel allein. Ohne gezielte Hilfe und Unterstützung unterliegen die meisten früher oder später erneut der Versuchung. Wer diese Klippe beim Rauchstopp umschiffen will, ist mit einem betreuten Programm zur Verhaltensänderung gut bedient. Die Erfolgschancen sind bei einer begleiteten Rauchentwöhnung grösser als im Einzelkampf. Solche Programme bieten zum Beispiel die Smoke-Off-Institute an.
Kein Erfolg auf die schnelle Tour
«Persönliche Betreuung und medizinisches Know-how stehen an erster Stelle unseres Konzepts», sagt der Mediziner Paul Ruff, Gründer und Leiter der Smoke-Off-Institute. Das Besondere: Die Behandlung ist massgeschneidert, wird also den individuellen Bedürfnissen der künftigen Ex-Raucherinnen und -Raucher angepasst. Speziell ausgebildete Therapeuten stehen den Behandlungswilligen ein Jahr lang jederzeit zur Verfügung. «Erst nach dieser Zeit können sich ehemalige Raucher als Sieger im Kampf gegen die Zigaretten fühlen», sagt Paul Ruff.
Eine siebenwöchige Behandlung mit Zyban kostet rund 300 Franken, und für die ersten zwei Monate Beratung in einem Smoke-Off-Zentrum muss man 480 Franken hinblättern. Gratis ist der Rauchstopp also nicht. Aber wer ausrechnet, was er pro Jahr für Zigaretten ausgibt, merkt rasch, dass sich der Ausstieg nicht nur gesundheitlich, sondern auch finanziell lohnt.