Mancher Angestellte schluckt leer, wenn der Chef kurz ins Büro schaut und sagt: «In zwei Wochen sehen wir uns zum Qualifikationsgespräch.» Während junge Berufseinsteiger dem erstmaligen Tête-à-Tête mit dem Vorgesetzten oft mit Grausen entgegensehen, empfinden manche Altgediente das Mitarbeitergespräch als lästige Pflichtübung. Wie auch immer die Gefühlslage sein mag: Mit etwas Vorbereitung und Geschick kann das traditionelle Treffen zum Jahresende beidseits zu einer lohnenden Sache werden.

Sinn von Mitarbeitergesprächen ist, gemeinsam Bilanz zu ziehen und für das bevorstehende Jahr Ziele zu vereinbaren. «Der Arbeitgeber kann prüfen, ob Potenzial und Pläne des Angestellten noch mit den Erfordernissen des Unternehmens übereinstimmen. Und der Mitarbeiter hat die Möglichkeit, sich neu zu positionieren und damit auch seine Stellung zu festigen», erklärt Roland Christen, der als Trainer und Organisationsentwickler seit Jahren Seminare zu Mitarbeitergesprächen leitet.

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Arbeitsleistungen dokumentieren

Eine gute Vorbereitung ist entscheidend. Dazu gehört von Seiten des Angestellten eine Selbsteinschätzung, entweder mittels eines bestehenden Qualifikationsbogens oder ganz konkret anhand der verrichteten Arbeit. «Dokumentieren Sie bereits während des Jahres Ihre Arbeitsleistungen», empfiehlt die Erwachsenenbildnerin Solange Baeriswyl, die für Gewerkschaften Kurse zu Mitarbeitergesprächen durchführt. Solche Belege seien für Vorgesetzte eine grosse Hilfe, da diese oft nicht im Detail über die Arbeit ihrer Angestellten Bescheid wüssten. Zudem sollte sich der Mitarbeiter Gedanken zu den im Vorjahr festgelegten Zielen machen und neue definieren.

Auslöser für ungute Gefühle vor dem Mitarbeitergespräch ist oft die Lohnfrage. Wer produktiv arbeitet oder zusätzliche Arbeiten übernimmt, will dies gern mit Barem vergütet sehen. Fachmann Roland Christen hält es für sinnvoll, Beurteilungs- und Lohngespräch strikt zu trennen: «Die Lohnfrage belastet das Gespräch.» Es bestehe sogar die Gefahr, dass ein Chef, der kein Budget für Lohnerhöhungen habe, die Qualifikation nach unten korrigiere, um bessere Argumente gegen einen Zustupf zu haben.

Auf Kritik nicht aggressiv reagieren

Kein Tabuthema ist im Gegensatz zur Geldfrage die Weiterbildung. Sobald neue Zielvereinbarungen getroffen sind, ist der Moment gekommen, um Kurse und Ausbildungen anzusprechen. Werden neue Ziele ins Pflichtenheft aufgenommen, hat man besonders gute Argumente für die Beantragung einer entsprechenden Zusatzausbildung.

Ein zwingender Bestandteil von Leistungsbeurteilungen ist Kritik. Niemand steckt gern kritische Worte ein - schon gar nicht, wenn sie ungerechtfertigt sind. «Suchen Sie auf keinen Fall die Konfrontation», rät Solange Baeriswyl kritisierten Arbeitnehmern. «Fragen Sie stattdessen nach und finden Sie heraus, worauf der Chef seine Kritik stützt und was er erwartet.» Eventuell beruft er sich auf einen einmaligen Vorfall - oder auf Hörensagen.

Zu vermeiden sind spontane Ausbrüche wie «Sie sind ja auch nicht besser». Wer Kritik am Vorgesetzten üben will, sollte das auf einer sachlichen Ebene tun. Kommts zu einem Konflikt oder kann der Arbeitnehmer die Kritikpunkte des Vorgesetzten nicht akzeptieren, verlangt er am besten ein weiteres Gespräch unter Beizug einer Drittperson; häufig ist dies der Personalverantwortliche. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Rückweisung eines Kritikpunktes schriftlich festzuhalten und im Personaldossier vermerken zu lassen.
Der Chef ist verpflichtet, vom Gespräch ein Protokoll anzufertigen, das er und der Angestellte unterschreiben müssen. Der Arbeitnehmer sollte darauf bestehen, ein Exemplar des Protokolls zu erhalten - auch wenn die Unterredung problemlos verlaufen ist.

In einem Punkt sind sich die Fachleute einig: «Die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Mitarbeitergespräch ist regelmässiges und unmittelbares Feedback während des ganzen Jahres», sagt Roland Christen. So wird verhindert, dass sich aufgestaute Emotionen im Jahresendgespräch entladen und vom eigentlichen Zweck des Treffens ablenken.