Gisler, Arnold, Tresch, Gamma, Wälti: alte Urner Namen. Munitionsfabrik Altdorf: alte Urner Industrie. Wer dort arbeitete, rechnete mit einer Lebensstelle und freute sich zudem auf ein finanziell sorgloses Pensionsalter. Schon von Staats wegen, denn der war schliesslich Eigentümer. War, denn heute heisst dieselbe Fabrik Ruag Components und ist privatisiert. Für Gisler, Arnold, Tresch & Co. brachen damit neue Zeiten an.

Hans Gisler, 32 Jahre im Betrieb. Ihm kündigte die Ruag, drei Monate bevor er laut Gesamtarbeitsvertrag mit 57 Jahren nicht mehr kündbar gewesen wäre. «Meine Chefs gaben mir noch das Gefühl, sie könnten mich nicht entbehren», sagt er. Auch Paul Tresch, Jahrgang 1950, nützten seine 34 Jahre bei der Ruag nichts: gekündigt. Tresch hat einen behinderten Sohn, für den er pro Jahr über 50'000 Franken aufwenden muss. «Man hat mir gesagt, ich sei zu alt, und hat dabei überhaupt keine Rücksicht auf meine Situation genommen», sagt er. Zwar hat er jetzt wieder eine Anstellung, verdient aber 1000 Franken pro Monat weniger als vorher. Die Arbeit verloren hat auch Paul Trutmann, der ebenfalls 34 Jahre im Betrieb tätig war. Auf Ende 2004/Anfang 2005 sprach die Ruag etwa 20 Kündigungen aus. Die gefeuerten Mitarbeiter waren mehrheitlich über 50.

Kein Glück mit zivilen Gütern



Die Ruag begründet die Entlassungen mit dem Rückgang der Aufträge vor allem seitens des Militärdepartements VBS sowie mit Umstrukturierungen. Während Ende der neunziger Jahre das VBS noch für über 200 Millionen Franken Aufträge platzierte, sind es dieses Jahr noch magere acht Millionen. «Durch die rigorosen Sparübungen im Militärbereich, die viel rascher umgesetzt wurden als ursprünglich vom VBS geplant, brach dieser Umsatz in kurzer Zeit zusammen», meint Bruno Frangi, Kommunikationschef der Ruag. Mit neuen Geschäftsfeldern versuchte man den Einbruch zu kompensieren. Doch für die neuen, zivilen Geschäftsbereiche hätten etliche der Älteren nicht mehr die nötigen Fertigkeiten gehabt, argumentiert die Ruag.

Wenig Fertigkeit bewiesen auch die Firmenstrategen. Der angestrebte Ausbau der zivilen Bereiche harzte gewaltig. So wurde etwa die Herstellung von Getriebewellen schnell zum Flop. Ende Januar 2005 teilte die Ruag mit, dass «erhebliche Verluste» produziert worden seien, weshalb man diesen Bereich veräussere.

Die Verantwortlichen wussten seit Jahren, dass sich mit zivilen Aufträgen der Rückgang der Militäraufträge nicht kompensieren lässt. Ein «vertrauliches» Papier aus dem Jahr 1999 sah einen kontinuierlichen Abbau von damals 1010 auf zirka 750 Stellen im Jahr 2003 vor. Doch es kam noch viel schlimmer. Heute beträgt der Personalbestand noch knapp 500.

Die Gewerkschaften, die 2001 mit der Ruag eine «Vereinbarung über sozialverträgliche Massnahmen» abschlossen, sehen keinen Grund zu intervenieren. «Die Kündigungen sind unschön», sagt Kurt Pedolin von Swisspersona, dem früheren Militärpersonalverband, «aber sie wurden offen kommuniziert. Alles verlief korrekt.»

Nichts vorwerfen kann der Ruag auch Markus Indergand, Vorsteher des Amts für Arbeit und Migration des Kantons Uri. Die Ruag pflege mit den Behörden einen ständigen Dialog. Die Verbitterung der Geschassten kann er aber nachvollziehen: «Für sie war der Betrieb ein
wesentlicher Teil ihres Lebens.»

Etliche Gekündigte behaupten, dass es in ihrer Abteilung mit dem Arbeitsrückgang nicht dramatisch ausgesehen habe, dass sie oft durch Jüngere ersetzt worden seien, die nicht unbedingt besser qualifiziert waren. Aber sie waren billiger. So wurde etwa Paul Trutmann durch einen Exlehrling ersetzt. Den sollte er vor seiner Entlassung noch einarbeiten.

«Massive Drohungen»



In anderen Fällen wurden vielleicht auch solche auf die Strasse gestellt, die unbequem waren – wie etwa Eugen Wälti, ein ehemaliges Mitglied der Betriebskommission, der Bundesrat Samuel Schmid im Jahr 2002 persönlich zum geplanten Personalabbau anschrieb. Er äusserte dort die Vermutung, mit den Einsparungen durch die Kündigungen würden die Boni der Manager verbessert. «Ich habe dann von Seiten des Job-Centers der Ruag, das bei der Stellenvermittlung hätte helfen müssen, massive Drohungen erhalten», sagt Wälti.

Der Bund besitzt zwar die Ruag noch zu 100 Prozent, mischt sich aber nicht in die Unternehmensführung ein, wie Bundesrat Schmid auf eine Petition von Ruag-Beschäftigten schrieb. Er setze aber, fügte er bei, «jederzeit korrektes soziales Verhalten gegenüber allen Angestellten voraus». Das sieht Eugen Wälti ganz anders: «Der Staat hat uns ruiniert», fasst er stellvertretend für die Entlassenen zusammen und fordert, dass ein Unternehmen, das zwar privatisiert, aber noch immer vollständig im Besitz des Staates ist, mit seinen Angestellten anders umgehen sollte.