Thomas Minder hat genug: genug von den Abzockern in den Direktionsetagen der Grossfirmen, genug von deren Millionengehältern. Deshalb lancierte er letzten Herbst die «Volksinitiative gegen Abzockerei». Ohne aktive Unterstützung etablierter Parteien zog er als David gegen die Goliaths der Wirtschaft ins Feld. Minder, der gerne in ganzseitigen Inseraten skandalöse Machenschaften anprangert, ist Inhaber und Geschäftsführer der Schaffhauser Kosmetikfirma Trybol AG. Das Unternehmen produziert Zahnpasta, Mundwasser und Shampoos - und nimmt es mit dem Arbeitsrecht nicht so genau.

Etwa im Fall der 55-jährigen Jolanda Bürgin, die seit Anfang Dezember 2006 halbtageweise bei Trybol in der Konfektion arbeitete. Dass sie manchmal erst am Vortag erfuhr, ob es für sie Arbeit hätte, konnte sie noch verschmerzen. Dass Sie jedoch zwei Monate auf ihren Lohn warten musste, ärgerte die ehemalige Kioskverkäuferin. Und als sie endlich ihre erste Lohnabrechnung in den Händen hielt, war sie sauer: Ihre Arbeit wurde nur mit Fr. 17.75 pro Stunde entschädigt.

Leere Lohnversprechungen

Dabei war in ihrem telefonischen Bewerbungsgespräch noch von 25 Franken die Rede gewesen. Doch davon will Geschäftsführer Minder nichts mehr wissen: «Wenn Sie Ihren Wunsch von 25 Franken pro Stunde geäussert haben, so heisst das noch lange nicht, dass wir uns diesbezüglich handelseinig geworden sind», schrieb er ihr in einem Brief. Um alle relevanten Faktoren zu definieren, sei schliesslich der Arbeitsvertrag da. Doch genau einen solchen Vertrag hatte Bürgin mehrfach vergeblich verlangt. Mit ihrer Forderung nach klaren Verhältnissen biss sie beim Kritiker der gierigen Manager auf Granit. Damit verstiess er gegen das Obligationenrecht, denn nach einem Monat hätte er seine Angestellte schriftlich über ihre Funktion und ihren Lohn informieren müssen.
Mehrere Trybol-Teilzeitbeschäftigte, die anonym bleiben möchten, erklären einhellig, ihnen sei mündlich ein Lohn versprochen worden, der sich auf der Abrechnung als Bruttolohn inklusive Ferienentschädigung entpuppt habe. Dies widersprach den Abmachungen. Denn Entschädigungen für Ferien sind kein Lohnbestandteil, sondern ein Zuschlag.

Bürgin kündigte schliesslich im Februar ihre Stelle. Doch damit forderte sie die Kreativität von Geschäftsführer Minder erst recht heraus. Ihre Kündigung sei «nichtig», antwortete er, denn zwischen ihr und der Firma existiere «kein offizielles Arbeitsverhältnis». Als «Schnupperperson» habe sie lediglich die Gelegenheit erhalten, während einiger Wochen den Betrieb kennen zu lernen. Weder habe sie bisher an der defekten Tubenabfüllmaschine eingesetzt werden können noch an der Dreisiegelrandbeutelmaschine, die in Revision sei. «Mehrmals haben wir Ihnen mitgeteilt, dass wir solchen Testpersonen erst einen Arbeitsvertrag anbieten, wenn sie alle Maschinen zu unserer Zufriedenheit einmal besetzt haben», schrieb Minder. Erstaunlich ist nur, dass auch mehrjährige Angestellte auf Abruf noch heute auf einen schriftlichen Vertrag warten.

Auf Anfrage sagt Minder: «Diese Test- und Schnupperphasen haben sich äussert bewährt.» Doch das Gesetz lässt gar nicht zu, dass der Patron nach Gutdünken bestimmen kann, wie lange die Probezeit dauert. Ohne schriftlichen Vertrag endet sie nach einem Monat. Will ein Arbeitgeber diese Phase verlängern, muss er dies schriftlich tun.

Syna-Gewerkschaftssekretär Ernst Zülle kritisiert denn auch Minders Gebaren: «Mit einer solchen Anstellung als Testperson versucht die Firma Trybol, die gesetzlichen Kündigungsbestimmungen zu umgehen. Schade, dass ausgerechnet Thomas Minder im eigenen Betrieb die Fairness gegenüber seinen Angestellten vermissen lässt.»

Für Bürgin, die nun eine neue Stelle suchen muss, kommt zum grossen Ärger noch ein kleiner dazu: Die Post verlangt von ihr 90 Rappen Nachporto - Minders Antwort auf ihre Kündigung war nicht frankiert.