Models wecken Emotionen. Allerdings nicht immer die nobelsten. «Sechs Sorten Scheisse» will der Publizist und ehemalige «Literaturclub»-Moderator Roger Willemsen aus Supermodel Heidi Klum «herausprügeln». Das intime Begehren äusserte Feingeist Willemsen in der deutschen «Tageszeitung» anlässlich seiner Fernsehkritik zur Erfolgsgeschichte von «GNTM», wie die Sendung «Germany’s Next Topmodel» unter Insidern genannt wird.

Siegerin des Quotenhits wurde die 19-jährige Sara Nuru. Auf sie wartet jetzt der «Ernst des Model-Lebens» («Bild»). Drei Monate sei Nuru auf das Model-Leben vorbereitet worden, schrieb die deutsche Boulevardzeitung. Sie habe sich bei Castings präsentiert, Shootings gemacht und den perfekten Laufsteg-Hüftschwung «gelernt». Doch: Muss man überhaupt etwas lernen, bevor man Model sein kann?

Wie viele junge Frauen stand auch Nicole Bleisch vor dieser Frage. Die Lehrtochter ist gross und schlank. «Schon als Kind sagte man mir oft, ich solle doch modeln mit meiner Figur. Aber ich dachte, ich würde eh nicht genommen», sagt die 18-Jährige. Bis ihr eine Freundin von der Look Model Agency in St. Gallen erzählte. Nicole Bleisch rief an und wurde gemeinsam mit ihren Eltern zu einem Gespräch eingeladen.

Vor Ort dann die Überraschung: Um in die Modelkartei der Agentur aufgenommen zu werden, hätte sie erst ein mehrtägiges Seminar absolvieren müssen. Kostenpunkt: 950 Franken. Bleisch sagte dankend ab. «Ich habe den Eindruck, dass die Agentur versucht, junge Frauen anzulocken, um dann mit ihnen ein Geschäft zu machen.»

Agenturinhaber Marcel Weingartner verteidigt die Seminare: «Wer neu ist in der Branche, muss dieses Seminar besuchen. Wir können doch nicht komplette Anfängerinnen zu unseren Kunden schicken.» Das Angebot von Look richte sich an semiprofessionelle Teilzeit- und Nebenerwerbsmodels. Da sei eine Vorfinanzierung nicht möglich. Was lernt man in den Look-Seminaren? Laut Weingartner das Laufen auf dem Laufsteg in Bademode oder im Abendkleid und das richtige Schminken. Auch eine Frisurberatung, ein Fotoshooting und eine Sedcard seien im Preis enthalten.

Die Sedcard – benannt nach deren «Erfinder», Agenturinhaber Sebastian Sed – ist gewissermassen das Bewerbungsdossier für Fotomodels. Es handelt sich um eine Karte mit Aufnahmen des Models in verschiedenen Posen und enthält alle wichtigen Körpermasse. Sedcards sind in der Fotovermittlungsbranche üblich. Wenn eine Agentur Geld dafür verlangt, ist das legitim. Die Kosten sollten aber einige hundert Franken nicht übersteigen. Auf der sicheren Seite ist man, wenn zumindest ein Teil der Sedcard-Kosten von der Agentur vorgestreckt und mit später eingehenden Honoraren verrechnet werden.

Vorbehalte sind angebracht bei Schmink- oder Laufstegkursen (siehe «Tipps»). «Ich habe nie einen Laufstegkurs absolviert, für den ich bezahlen musste», sagt Ex-Miss-Schweiz Anita Buri, die von der Look Model Agency als Referenz auf ihrer Website geführt wird. Buris Tipp an junge Frauen mit Modelträumen: «Man muss Durchhaltewillen zeigen und sich nicht gleich bei der ersten Absage entmutigen lassen.»

Nicht schlank, sondern sehr schlank

Bei Leona Sigrist ist der Traum wahr geworden. Die Schülerin aus Mittelhäusern BE gewann vergangenes Jahr als 16-Jährige den Elite Model Look 2008, den wichtigsten Nachwuchswettbewerb der Schweiz. Es war ein Start von null auf hundert. Sigrist hatte vorher nie gemodelt: «Meine Schwester hat mich zum Mitmachen ermuntert. Ich ging zu einer Fotografin, um professionelle Fotos von mir machen zu lassen, und habe die Fotos dann eingeschickt.»

Bei vielen Agenturen sind professionelle Fotos aber nicht Bedingung. «Eine Fachperson braucht nicht unbedingt tolle Bilder, um die Eignung einer Frau für die Modelkarriere abschätzen zu können. Es reichen auch Bilder von Amateurfotografen», sagt Barbara Eberle von Option. Die Agentur organisiert den Elite-Model-Look-Wettbewerb und hat die internationalen Karrieren von Patrizia Schmid und Nadine Strittmatter ermöglicht. Bei der Qualität der Fotos lässt Eberle mit sich reden, bei den Anforderungen an den Körperbau aber rückt sie keinen Millimeter von den Vorgaben ab. Mindestens 1,74 und nicht schlank, sondern «sehr schlank» müssten die jungen Frauen sein, «sonst passen sie nicht in die Standard-Kleidergrössen». Eberle warnt vor dem «Runterhungern»; der Körperbau sollte von Natur aus feingliedrig sein, das Gesicht fotogen. «Es gibt Gesichter, die in natura nicht so spannend aussehen, aber durch die Kamera dann schon. Das nennt man fotogen», so Eberle.

Die strengen Anforderungen schrecken nicht ab. «Heutzutage ist der Modelberuf so beliebt, dass einige Mädchen oder junge Frauen fast bereit sind, dafür zu zahlen, damit sie sich Model nennen dürfen», sagt Eberle. Nicole Bleisch hat zwar auf das Seminar bei der Look Model Agency verzichtet, den Traum vom Modeln aber nicht aufgegeben: «Ich habe mit einer Kollegin, die Fotografin ist, ein Shooting gemacht und versuche es weiter.» Auch Supermodel Heidi Klum zeigt Stehvermögen und lässt sich von Willemsens Kritik nicht verunsichern. Sie könne nicht verstehen, dass «ein angeblich intelligenter Mann» eine solche Bemerkung von sich gebe, liess sie verlauten.

Verdächtige Angebote

Der deutsche Verband lizenzierter Modellagenturen (Velma) ermahnt zu besonderer Vorsicht in diesen Fällen:

  • Werbung in Kleinanzeigen, auf Plakatsäulen und Flugblättern sowie im Internet, insbesondere wenn nur eine Telefonnummer ohne Anschrift angegeben ist. Wenn man auf der Strasse angesprochen wird, sollte man sich eine Karte geben lassen, um die Agentur oder die Person zu recherchieren.

  • Die Agentur oder Vermittler versprechen allen (oft anlässlich von Informations- und Werbeveranstaltungen), die interessiert und zahlungsbereit sind, eine erfolgreiche Karriere als Fotomodell, obwohl die Anforderungen ausserordentlich streng sind.

  • Die Agentur verlangt hohe Vorauszahlungen, bevor eine Beschäftigung als Fotomodell vermittelt wird, obwohl ein Nachweis erfolgreicher Vermittlungstätigkeit fehlt. Niemals sollte man allein zu einem Treffen mit Unbekannten gehen, schon gar nicht als Minderjährige. Erziehungsberechtigte sind bessere Begleiter als eine Kollegin.

  • Die Agentur arbeitet Hand in Hand mit «Fotografen» und besteht darauf, dass Fotos für viel Geld neu erstellt werden, obwohl bereits geeignete Sedcards vorhanden sind.

  • Agenturen, die erst seit kurzem bestehen und sich noch nicht am Markt etabliert haben.