Es war nicht einfach, einen Konsens zu finden. Die Arbeitgeber kämpften für eine konkurrenzfähige Wirtschaft mit flexiblen Arbeitszeiten und – weil es gerade so gut passte – für die Gleichstellung der Geschlechter. Die Gewerkschaften wiederum wollten den bisherigen Schutz der Arbeitnehmer verbessern – oder zumindest verteidigen.

Nach sechs Jahren Seilziehens und zwei Volksabstimmungen tritt im August das revidierte Arbeitsgesetz in Kraft. Ob der Kompromiss tatsächlich einen «vernünftigen Mittelweg» darstellt, wie es Bundesrat Pascal Couchepin formuliert, wird die Praxis zeigen. Das sind die wichtigsten Neuerungen:

  • Arbeitszeit:
    Für Männer und Frauen gelten in Zukunft dieselben Arbeits- und Ruhezeiten. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit bleibt bei 45 (Industrie, Büropersonal, Verkaufspersonal in Grossbetrieben) beziehungsweise 50 Stunden (übrige Angestellte).
    Neu definiert wird jedoch die Tages- und Abendarbeit: Tagesarbeit wird von 6 bis 20 Uhr geleistet, Abendarbeit von 20 bis 23 Uhr. Abendarbeit kann der Arbeitgeber ohne behördliche Bewilligung einführen, wenn er vorgängig die betroffenen Angestellten anhört. Betriebe können in Zukunft also auch ohne behördlichen Segen pro Tag zwei Schichten arbeiten lassen.

  • Überzeit:
    Die wöchentliche Höchstarbeitszeit darf in dringenden Fällen ausnahmsweise überschritten werden. Diese Überzeit ist allerdings pro Arbeitnehmer auf zwei Stunden täglich beschränkt und darf jährlich nicht mehr als 170 Stunden betragen. Bei Angestellten, deren Höchstarbeitszeit bei 50 Stunden liegt, sind gar nur 140 Stunden Überzeit erlaubt. Die bisherige Bewilligungspflicht für Überzeitarbeit entfällt.

  • Nachtarbeit:
    Hier gilt künftig die Gleichstellung von Mann und Frau. Beide dürfen zwischen 23 und 6 Uhr grundsätzlich nicht arbeiten. Eine Bewilligung wird jedoch erteilt, wenn die Firma die Notwendigkeit von Nachtarbeit nachweisen kann. Zudem muss der Arbeitnehmer mit den Einsätzen einverstanden sein.
    Wer vorübergehend Nachtarbeit leistet, hat Anspruch auf 25 Prozent Lohnzuschlag. Bei regelmässiger Nachtarbeit – über 25 Nächte pro Jahr – besteht mit gewissen Ausnahmen ein Anspruch auf mehr Freizeit, und zwar im Umfang von zehn Prozent der Nachtarbeitszeit. Zudem gibt es in diesem Fall ein Anrecht auf ärztliche Beratung. Erweist sich jemand aus gesundheitlichen Gründen als untauglich für Nachtarbeit, ist wenn möglich eine vergleichbare Tagesarbeit zuzuweisen.
    Arbeitgeber, die regelmässig Nachtarbeiter beschäftigen, müssen zudem Massnahmen zum Schutz der Angestellten vorsehen – etwa Sicherheit auf dem Arbeitsweg, Ruhemöglichkeit sowie Verpflegung.

  • Sonntagsarbeit:
    Die Arbeit an Sonntagen bleibt bewilligungspflichtig und setzt das Einverständnis der Angestellten voraus. Es existieren jedoch Sonderregelungen. Wird nur ausnahmsweise sonntags gearbeitet, muss ein Lohnzuschlag von 50 Prozent bezahlt werden. Für regelmässige Sonntagsarbeit gibt es Ersatzruhezeit. Als Sonntag gilt auch der 1. August. Wie bisher können die Kantone acht zusätzliche Feiertage den Sonntagen gleichstellen.

  • Mutterschutz:
    Schwangere Frauen und stillende Mütter haben Anspruch auf Arbeitsbedingungen, die ihre eigene und die Gesundheit des Kindes nicht beeinträchtigen. Müssen sie ihre Arbeit normalerweise unter beschwerlichen Umständen verrichten – stundenlanges Stehen, gefährliche Strahlen, grosse Hitze –, können sie verlangen, dass ihnen gleichwertige Ersatzarbeit zugewiesen wird. Andernfalls dürfen sie bei 80 Prozent des Lohns zu Hause bleiben. Acht Wochen vor der Geburt darf eine Schwangere keine Nachtarbeit mehr leisten. Auch hier gilt: Kann der Arbeitgeber keine adäquate Ersatzarbeit anbieten, hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf 80 Prozent des Lohns.
    Verlängert wurde zudem die Schonfrist nach der Geburt. Wie bisher gilt für Mütter acht Wochen nach der Geburt ein Arbeitsverbot. Neu haben sie aber das Recht, auf Wunsch weitere acht Wochen zu Hause zu bleiben. Eine Lohngarantie existiert jedoch leider nicht.

  • Familienpflichten: Nach altem Gesetz mussten die Arbeitgeber auf weibliche Angestellte mit Familienpflichten Rücksicht nehmen. Neu sind bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeiten generell die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Familienpflichten in Betracht zu ziehen. So dürfen sie etwa nicht gezwungen werden, Überzeitarbeit zu leisten, und sie können mindestens anderthalb Stunden Mittagspause verlangen. Zur Betreuung kranker Kinder ist ihnen bis zu drei Tage freizugeben.