Der 19-jährige Kevin R. verdient sich sein Studium mit Hilfsarbeiten in einer Kartonagefabrik. Seit eineinhalb Jahren jobbt er regelmässig 10 bis 15 Stunden pro Woche. Eines Tages weist man ihm jedoch keine Arbeit mehr zu. Dem Protest des verdutzten Studenten begegnet der Chef mit einem Achselzucken: «Wir haben schliesslich keinen Vertrag miteinander.»

Böse Erfahrungen macht auch Lena F., die als Wiedereinsteigerin nach langer Suche eine Teilzeitstelle ergattert hat. Als sie nach dreijähriger Anstellungsdauer zum ersten Mal krank wird, bleibt der Zahltag aus. Auf ihre Nachfrage meint der Chef, sie sei ja nur Aushilfe und nicht richtig angestellt. «Ich habe daher keine Versicherung für Sie abgeschlossen.»

Mündliche Abmachungen genügen

Vor allem Teilzeitbeschäftigte und ungelernte Arbeitskräfte arbeiten häufig nur aufgrund mündlicher Abmachungen. Und wer keinen schriftlichen Vertrag hat, so eine weit verbreitete Ansicht, hat weniger Rechte als «normale» Angestellte. Häufige Streitpunkte sind in solchen Fällen die korrekte Einhaltung von Kündigungsfristen sowie der Anspruch auf Sozialleistungen, bezahlte Ferien und Lohn bei Krankheit.

Auseinandersetzungen gibt es auch in Bezug auf das Arbeitspensum. Wer keine feste Arbeitszeit vereinbart hat, riskiert, als Manövriermasse missbraucht, das heisst geholt und geschickt zu werden, wie es dem Patron gerade in den Kram passt.

Doch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht rechtlos, selbst wenn sie kein Papier unterschrieben haben: Ein Arbeitsvertrag bedarf laut Gesetz «zu seiner Gültigkeit keiner bestimmten Form». Es genügen mündliche Abmachungen oder sogar stillschweigende Übereinkommen. Ein Arbeitsvertrag kommt immer dann zustande – so der Gesetzeswortlaut –, «wenn der Arbeitgeber Arbeit in seinem Dienst auf Zeit entgegennimmt, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist». Eine Ausnahme bilden der Lehr- und der Handelsreisendenvertrag: Sie müssen schriftlich abgeschlossen werden. Ein Lehrvertrag, der nicht schwarz auf weiss besiegelt wurde, ist ungültig.

Für alle anderen Arbeitnehmer, die keine schriftlichen Abmachungen getroffen haben, gelten die Bestimmungen im Obligationenrecht. Dieses garantiert unter anderem das Recht auf vier Wochen bezahlte Ferien jährlich, zeitlich begrenzte Lohnfortzahlung bei Krankheit, nach Dienstjahren abgestufte Kündigungsfristen sowie einen gewissen Schutz vor Kündigungen bei Arbeitsunfähigkeit.

Für Kevin R. bedeutet das, dass er im zweiten Dienstjahr auf Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist pochen kann. Und auch Lena F. muss die Ausreden ihres Chefs nicht akzeptieren. Er hat die Krankheitstage zu bezahlen – mangels Versicherung eben aus der eigenen Tasche.

Das Gesetz regelt nicht alles

Das Arbeitsrecht gilt auch, wenn nur wenige Stunden gearbeitet wird. Kein Arbeitspensum ist so klein, dass man die Paragraphen ausser Acht lassen könnte. Das musste auch die Inhaberin eines Nähateliers einsehen, die neue Mitarbeiterinnen jeweils an drei Schnuppertagen zum Nulltarif testete. Dies funktionierte nur so lange, bis sich eine der Bewerberinnen zur Wehr setzte und für die drei Tage einen berufs- und branchenüblichen Lohn verlangte. Mit Erfolg, denn auch an den Schnuppertagen nahm die Chefin Arbeit entgegen, deren Leistung laut dem Gesetzgeber «nur gegen Lohn zu erwarten ist».

Sind schriftliche Arbeitsverträge also überflüssig? Ganz und gar nicht. Denn das Gesetz regelt nur die minimalen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Individuelle Vereinbarungen wie Lohn, Arbeitszeit, freiwillige Sozialleistungen und besondere Zusicherungen sind in keinem Gesetz zu finden. Es empfiehlt sich daher dringend, die wichtigsten Punkte schwarz auf weiss festzuhalten. Weigert sich der Chef, einen schriftlichen Vertrag auszuhändigen, bleibt die Selbsthilfe: Schreiben Sie dem künftigen Arbeitgeber einen Brief, danken Sie für das interessante Gespräch und fassen Sie die wichtigsten mündlichen Abmachungen kurz zusammen. Reagiert der Chef nicht auf dieses Schreiben, können Sie annehmen, dass er den Inhalt akzeptiert hat. Bewahren Sie eine Kopie auf: Sie ist im Streitfall fast so gut wie ein schriftlicher Vertrag.


Seitenlange Vereinbarungen sind nicht nnötig. Ein Arbeitsvertrag sollte aber mindestens folgende Punkte regeln:

  • Datum des Stellenantritts;
  • Salär, inklusive allfällige Gratifikation oder 13. Monatslohn (Pro-rata-Auszahlung bei einem Austritt während des Jahres)
  • eventuelle Zusicherungen für spätere Lohnerhöhungen
  • Aufgabengebiet und Stellung im Betrieb
  • Arbeitszeit
  • Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (bei Frauen: Mutterschaftsleistungen)
  • besondere Vereinbarungen (mehr als vier Wochen Ferien, Leistungsprämien, Geschäftswagen, Rabatte und Ähnliches)


Alles Übrige ist grundsätzlich im Obligationenrecht zu finden. Allerdings sind in bestimmten Bereichen vom Gesetz abweichende Regelungen erlaubt, sofern sie schriftlich festgelegt werden. Zum Beispiel:

 

  • Verlängerung der gesetzlichen Probezeit von einem Monat auf maximal drei Monate
  • Abänderung der gesetzlichen Kündigungsfristen
  • vom Gesetz abweichende Überstundenregelung
  • Vereinbarung von Pauschalspesen
Konkurrenzverbot