Eigentlich war die Situation von Prix-Courage-Kandidat Christian Tanner bereits schwierig genug: Sein Kampf gegen eine geplante Pensionskassenrevision, die für viele Angestellte der Stadt Chur empfindliche Rentenkürzungen zur Folge gehabt hätte, kostete ihn seine Stelle als Revisor und stellvertretender Chef der Churer Finanzkontrolle. Mit seiner Kritik, so schrieb der Churer Stadtpräsident Christian Boner im blauen Brief, habe Tanner «den Rahmen des Zulässigen gesprengt».

Das war im vergangenen April. Ende August hat die Stadt die Schraube weiter angezogen. «Aufgrund verschiedener Hinweise», so schrieb die Anstellungsinstanz der Stadt Chur, seien die Daten auf Tanners ehemaligem Arbeitscomputer wiederhergestellt worden. Die Stadt fand Daten von umstrittener Bedeutung und erhob gravierende Vorwürfe gegen Tanner: Er sei Teilhaber einer Firma, arbeite während der Bürozeiten für Drittpersonen und sei Betreiber eines Tantra-Studios. Dies reiche, um die fristlose Kündigung auszusprechen.

Eingriff in die Persönlichkeitsrechte?



Tanner bestreitet die Vorwürfe. Beim Datenmaterial handle es sich um Projektunterlagen für eine Unternehmensgründung, Buchhaltungs- und Administrationsunterlagen von drei Betrieben, darunter einem Tantra-Studio samt dazugehörenden Aktaufnahmen. «Ich besorgte für drei befreundete Personen die Buchhaltung. Dies aber immer ausserhalb der Bürozeiten», sagt Tanner. Seine fachlichen Qualitäten wurden von der Stadt nie in Zweifel gezogen. Eine Mitarbeiterqualifikation hält nur drei Monate vor der Kündigung fest: «Leistet zusätzlich nicht kompensierbare Überzeit.» Tanner erklärt weiter: «Was ich auf dem PC hatte, war meinen Vorgesetzten immer bekannt.» Laut den Vorgesetzten entspricht diese Darstellung nicht der Wahrheit.

Ob die Stadt überhaupt berechtigt war, die Daten wiederherzustellen, ist äusserst fraglich. So verlangt der Kodex der Stadt Chur ausdrücklich, dass private Daten unwiderruflich gelöscht werden. Für Rainer Schweizer, Professor für Öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, steht jedenfalls fest: «Die Wiederherstellung von privaten Daten stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Sie ist zum Beispiel gerechtfertigt bei Verdacht auf deliktisches Verhalten im Rahmen eines polizeilich-gerichtlichen Ermittlungsverfahrens.»

Worum es sich bei den «verschiedenen Hinweisen» genau handelt, will der Churer Stadtpräsident Christian Boner mit Rücksicht auf das laufende Verfahren - Tanner hat sowohl die ordentliche als auch die fristlose Kündigung angefochten - nicht sagen. Was auffällt: All diese Hinweise tauchten erst ganze vier Monate nach Tanners Freistellung auf, aber rund zwei Wochen nachdem seine Prix-Courage-Nomination durchsickerte. Zeigt sich der Stadtrat als schlechter Verlierer? «Wir hätten bei gleicher Sachlage auch gegenüber jedem anderen Angestellten eine fristlose Kündigung ausgesprochen», sagt Boner.