Hoch zu Ross dreht die junge Frau auf der eingezäunten Weide des Reitsportzentrums Elgg ihre Runden. Ihr Begleiter schaut zu und wechselt sich dann mit ihr ab. Was spielerisch wirkt, ist Arbeit mit dem Pferd – und illegal, denn die beiden «Pferdetrainer» stammen aus der Slowakei. Sie verfügen weder über Aufenthalts- noch Arbeitsbewilligung.

«Es sind Bekannte, die bei mir auf Besuch sind, um Deutsch und Reiten zu lernen», sagt Pferdebesitzerin und Springreiterin Monika Niederländer aus Lommis TG. Offensichtlich eine Schutzbehauptung: Die Behörden ertappten die beiden Slowaken bei der Stallarbeit, und das kantonale Ausländeramt verfügte Mitte Dezember 2003 die Wegweisung.

Nach Elgg kam der Niederländer-Tross, weil man in Lommis über keine Koppel verfügt. Die weitläufige Anlage gehört der Schweizer Reitsportlegende Paul Weier. Auch er wurde erst kürzlich von der Kantonspolizei kontrolliert, nachdem ein Hinweis auf die Beschäftigung von mehreren Schwarzarbeitern aus Osteuropa eingegangen war.

Angetroffen wurden bei der Kontrolle nur zwei Personen. Darunter war ein arbeitsloser Inder, der den Polizisten offenbar glaubwürdig versicherte, sich um das Pferd seiner Schweizer Ehefrau zu kümmern. Er helfe auch bei den morgendlichen Aufräumarbeiten mit, sagt Weier. Dennoch: Man werde den Betrieb «weiter im Auge behalten», versichert Karl Steiner, Pressesprecher bei der Kapo Zürich.

Schwarzarbeit gibts in vielen Branchen


Weier beteuert, dass er seinen Reitstall zurzeit vor allem mit seinen fünf Lehrlingen betreibe. Tagtäglich würden sich «Ostleute» melden, die Jobs suchten: «Es ist in der ganzen Schweiz nicht unüblich, dass sie für kurze Zeit eine Arbeit finden.» Er habe auch schon Schwarzarbeiter beschäftigt, gibt Weier zu – doch das liege Jahre zurück. Und dass Asylanten «stundenweise» für ihn gearbeitet hätten, sei in Absprache mit der Gemeinde erfolgt. Nach Auskunft des Kantons ist dies jedoch nicht erlaubt.

Mehrere Bereiterinnen und Pferdepflegerinnen sowie Kenner der Szene sprechen gegenüber dem Beobachter von einer regelrechten «Seuche Schwarzarbeit» in der Pferdehaltung. Mit Tiefstlöhnen von 500 bis 1000 Franken im Monat zuzüglich Kost und Logis würden meist Illegale aus dem ehemaligen Ostblock den legalen Stellenmarkt belasten. Beim Schweizerischen Verband für Berufsreiter und Reitschulbesitzer weiss Sekretär Kurt Blickenstorfer offiziell von gar nichts: «Unsere Mitglieder bewirtschaften ihre Betriebe grösstenteils mit Lehrlingen. Da kann ich mir Schwarzarbeit gar nicht vorstellen.»

Nicht nur rund um die edlen Vierbeiner blüht die Schattenwirtschaft. Am Fiskus und an den Sozialversicherungen vorbei lotsen IT-Spezialisten, Grafiker und Berater einen Teil ihrer Einnahmen, schneiden Coiffeusen Haare, legen Plattenleger Böden, verdienen sich Tausende von Putzfrauen ein Zubrot, bedienen Prostituierte ihre Kundschaft und werden Arbeitslose aktiv. Zum Umfang der Schwarzarbeit gibt es «keinerlei offizielle Statistiken», meint Daniel Veuve vom Eidgenössischen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Nicht einmal die spärlichen Daten aus den Kantonen werden zentral erfasst.

Seit Jahren beruft man sich auf Zahlen, die der Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider von der Universität Linz auch für die Schweiz publiziert. Für 2002 kommt Schneider auf rund 40 Milliarden Franken – den illegalen Drogenhandel allerdings eingeschlossen. Umgerechnet entspricht dies mehr als 550'000 Vollzeitstellen oder 9,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts – Tendenz steigend. 1975 betrug dieser Wert erst 3,2 Prozent. Aktiv werden dabei laut Schneider vor allem die Einheimischen. Sie leisten einen Anteil von 84 Prozent an der Schattenwirtschaft.

Je stärker eine Branche unter Druck steht, desto mehr Arbeitgeber weichen auf illegale Billigarbeiter aus. «Der Gipser in der Schweiz kann nicht wie eine Grossbank die Arbeit in Niedriglohnländer verlagern», erklärt Marcel Müller, Leiter der Geschäftsstelle Baustellenkontrolle (BSK) im Kanton Zürich. Seit zwei Jahren gibt es diese Institution, die von den Branchenverbänden des Baunebengewerbes getragen wird. 72-mal alarmierte die BSK im letzten Geschäftsjahr die Behörden wegen Verdachts auf Schwarzarbeit. «Zurzeit meldet unser Kontrolleur fast täglich, dass sich bei seinem Eintreffen Arbeiter aus dem Staub machen», sagt Müller.

Das Risiko für die Arbeitgeber ist kalkulierbar. Müller erwähnt das Beispiel einer Gipserfirma aus dem Raum Winterthur. Nachdem die BSK-Kontrolle im letzten Mai mehrere Schwarzarbeiter aufgespürt hatte, nahm die Polizei zwei Monate später sieben Personen fest. Doch das beeindruckte das Gipserunternehmen nicht. Drei Wochen später ertappte die Polizei erneut vier Schwarzarbeiter. Auch der Bauherr, ein grösserer Generalunternehmer, sah keinen Grund, dem Gipser die rote Karte zu zeigen. Und der Statthalter des Bezirks Bülach büsste die Firma mit bloss 1000 Franken pro Schwarzarbeiter. Der Strafrahmen von 5000 Franken wurde bei weitem nicht ausgenutzt. «Das ist das falsche Signal», ärgert sich Müller.

Das Risiko für Schwarzarbeiter aus dem Ausland ist vergleichsweise grösser: Ihnen blühen 2000 Franken Busse und eine Einreisesperre. Der Bund will nun die Zügel anziehen. Das neue Bundesgesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, über welches das Parlament demnächst entscheidet, sieht markant schärfere Strafen gegen die Arbeitgeber vor (siehe Nebenartikel «Schattenwirtschaft: Bundesrat will härter durchgreifen»).

Dies ist ein längst überfälliger, nötiger Schritt. Wie zögerlich vielerorts Massnahmen gegen Schwarzarbeit ergriffen werden, zeigt sich am Beispiel des Kantons Thurgau. Mitte November letzten Jahres meldete das kantonale Ausländeramt dem Bezirksamt Münchwilen, dass im Umfeld von mehreren Pferdeställen Verdacht auf Schwarzarbeit bestehe. Ein Informant hatte Namen und Adressen genannt.

Lange Zeit geschah nichts. Als der Informant nachfasste, wurde er von der Polizei aufgefordert, eine schriftliche Anzeige einzureichen. In der Zwischenzeit hatte das «Buschtelefon» unter den Stallbesitzern aber längst seine Wirkung gezeitigt. Nur noch in Lommis war der Zugriff erfolgreich. Das Prozedere will Rolf Bruderer vom kantonalen Ausländeramt nicht bewerten: «Wir können den Bezirksämtern nicht vorschreiben, wie sie unseren Anzeigen nachgehen sollen.»

Über die volkswirtschaftlichen Folgen illegaler Arbeitseinsätze gehen die Meinungen auseinander. Schwarzarbeit führe in manchen Branchen zu mehr Wettbewerb, erklärte der Zürcher Wirtschaftsprofessor Bruno S. Frey vor kurzem in der «Handelszeitung»: Schwarzarbeit sorge für günstige Preise und Leistungen, die «unter der Regulierungslast des Staates offiziell nicht zu erbringen» seien.

Die Ehrlichen sind die Dummen


Doch Seco-Vertreter Veuve sieht grosse Nachteile: «Schwarzarbeit heisst Einkommensverluste für Fiskus und Sozialversicherungen, Wettbewerbsverzerrung zwischen Kantonen und Firmen und weniger Sicherheit für die Arbeitnehmer.»

Nach Schätzungen gehen dem Staat und seinen Sozialversicherungen durch Schwarzarbeit jährlich rund zehn Milliarden Franken verloren. Ausserdem würden die Ehrlichen bestraft, schreibt Veuve. Wer nämlich korrekt seine Steuern und Abgaben entrichte, bezahle damit auch noch für die Betrüger.