Ganze 34 Jahre lang arbeitete Franz M. als Schreiner in derselben Firma. Als er mit 54 Jahren seine Stelle wegen Geschäftsaufgabe verlor, zögerte er nicht lange: Um rasch wieder arbeiten zu können, kontaktierte er die Firma Amigo temporär & fest AG in Zürich. Sie konnte ihm schon bald eine Arbeit in der Nähe seines Wohnorts vermitteln.

Doch es sollte ein kurzes Gastspiel werden. Bereits zwei Wochen nach Stellenantritt musste der Schreiner seinen Hausarzt aufsuchen; dieser diagnostizierte einen Leistenbruch und Hüftgelenkarthrosen. Trotz mehreren Operationen wurde Franz M. nicht mehr vollständig gesund und ist seither arbeitsunfähig.

Zu den gesundheitlichen Problemen kamen die Geldsorgen. Denn die Firma Amigo machte ihrem Namen wenig Ehre. Sie lehnte es ab, ihrem Angestellten den Lohnausfall zu bezahlen – obwohl es im Schreinergewerbe einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gibt. Dieser schreibt zwingend vor, dass ein Arbeitgeber für seine Angestellten eine Krankentaggeldversicherung abschliessen muss.

Die Temporärfirma machte aber geltend, der GAV sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zudem habe Franz M. dem Arbeitsvertrag ja entnehmen können, dass keine Abzüge für eine Krankentaggeldversicherung vorgesehen seien.

Das Arbeitsgericht Zürich war anderer Meinung. Das Urteil ist für Temporärangestellte von grundsätzlicher Bedeutung. Hier die wichtigsten Details:

  • Die Temporärarbeit ist im so genannten Arbeitsvermittlungsgesetz geregelt. Dieses schreibt vor, dass die Leistungen des Arbeitgebers bei Arbeitsunfähigkeit schriftlich zu regeln sind.

  • Gilt im Betrieb ein allgemein verbindlicher GAV, müssen die darin festgehaltenen Lohn- und Arbeitszeitbestimmungen auch für Temporärangestellte gelten. Dazu gehört unter anderem auch die Krankentaggeldversicherung.

  • Schliesst der Arbeitgeber keine Krankentaggeldversicherung ab – obwohl er laut Gesamtarbeitsvertrag dazu verpflichtet wäre –, muss er die Krankentaggelder selber berappen. Dies kann teuer werden, da eine solche Versicherung in der Regel den Lohnausfall während rund zweier Jahre zu mindestens 80 Prozent übernimmt.

Tief ins Portemonnaie greifen musste im konkreten Fall auch die Firma Amigo. Die Nachzahlung, die sie nach einem gut eineinhalb Jahre dauernden Rechtsstreit zu leisten hatte, belief sich auf satte 92'000 Franken.