Vor sechs Jahren machte sich Martin Brezina selbständig. Der 40-Jährige gründete mit Hilfe von Ehefrau Lidia und seiner Mutter Ingrid die Informatikfirma InterMind AG mit Sitz in Zürich. Er ist alleiniger Verwaltungsrat und erledigt die Buchhaltung selber. Ein Treuhänder hilft ihm jeweils beim Jahresabschluss, den die Revisionsstelle jedes Jahr prüft. «Viel Aufwand für eine so kleine Firma», findet Martin Brezina.

Zumindest einen Teil des finanziellen Aufwands könnte er sich künftig sparen: Am 1. Januar 2008 ist das neue Revisionsrecht in Kraft getreten. Bisher hatte jede noch so kleine Aktiengesellschaft (AG) ihre Jahresrechnung einer Revisionsstelle zu unterbreiten. Auch beim Umfang der Prüfung unterschied das Gesetz nicht zwischen wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen und Kleinstfirmen. Für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bestand dagegen keine Revisionspflicht. Diese Rechtsform war sehr beliebt, weil sich mit ihr die Ausgaben für die Revisionsstelle einsparen liessen.

Lehren aus dem Fall Swissair

Mit dem neuen Revisionsrecht wird nun alles anders. Die Revisionspflicht gilt neu nicht nur für die AG, sondern auch für die GmbH. Der Umfang der Prüfung richtet sich jedoch nach der wirtschaftlichen Bedeutung einer Firma: So wurden für Grossunternehmen die Vorschriften verschärft, um einem Kollaps von Firmen wie im Fall der Swissair vorzubeugen. Sie unterliegen neu der sogenannten ordentlichen Revision (siehe unten: «Buchprüfung: Je grösser die Firma, umso strenger»).

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen ihre Bücher im Vergleich dazu nur eingeschränkt überprüfen lassen (eingeschränkte Revision). Wer jedoch meint, mit der eingeschränkten Revision lasse sich Geld einsparen, täuscht sich: «Der Prüfungsumfang entspricht demjenigen, der in der Praxis bei KMU bis anhin angewendet wurde», erklärt Jürg Hagmann, Zentralpräsident des Schweizerischen Treuhänder-Verbands (STV/USF).

Wer also Ausgaben sparen will, verzichtet auf die Revisionsstelle. Dieses sogenannte Opting-out steht neu allen AGs und GmbHs offen, die nicht mehr als zehn Vollzeitangestellte beschäftigen und deren Aktionäre oder Gesellschafter alle damit einverstanden sind. Solche Kleinstunternehmen gibt es viele in der Schweiz. Laut Statistik waren Ende 2007 rund 280'000 AGs und GmbHs im Handelsregister eingetragen. Gegen 90 Prozent davon haben nicht mehr als zehn Vollzeitangestellte. Eine Viertelmillion Firmen und deren Inhaber stehen somit vor dem Entscheid, ob sie künftig auf eine Revision verzichten wollen.

Eine Frage der Qualität

Keine einfache Entscheidung für Unternehmer wie Martin Brezina. Falls er das kostengünstigere Opting-out wählt: Wird er dann künftig vom Steueramt genauer unter die Lupe genommen? Hat er eher mit einer AHV-Revision zu rechnen? Und wie reagieren die Banken auf einen Verzicht? Erhält er in Zukunft keinen Kredit? Oder verschlechtert sich sein Rating, so dass er einen höheren Zins für ein Bankdarlehen bezahlen muss?

Der Beobachter erkundigte sich bei verschiedenen Steuerämtern, Ausgleichskassen und Banken, was sie den Kleinfirmen raten. Die Antworten fielen nicht überall gleich klar aus. Urs Ursprung, Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung, meinte zum Beispiel: «Das Fehlen einer Revisionsstelle bedeutet nicht, dass eine Firma von den Steuerbehörden kritischer beurteilt wird. Aber es ist eins von vielen Kriterien für den Entscheid, ob die Steuererklärung genauer überprüft wird.» Dem widerspricht Jürg Altorfer vom Kantonalen Steueramt Zürich: «Ein Opting-out hat keinen Einfluss auf die Prüfung der Steuererklärung, weil die Revisionsstelle nur wenige Punkte prüfen muss, die für die Steuern relevant sind.» Noch keine Meinung haben sich die Kollegen von den Steuerverwaltungen der Kantone Zug und Bern gebildet.

Bei den Ausgleichskassen hingegen steht fest: «Die Qualität der Buchhaltung ist für uns entscheidend - und nicht, ob sie von einer Revisionsstelle geprüft wurde», meinen Roger Schuhmacher von der SVA Zürich und Alain Rogger von der Ausgleichskasse Luzern übereinstimmend.

Eine grosse Meinungsvielfalt herrscht dagegen bei den Banken, die der Beobachter angefragt hat. Die Grossbanken UBS und Credit Suisse sowie Raiffeisen Schweiz und die Valiant Bank sind mit einem Opting-out «im Einzelfall» einverstanden, falls die Jahresrechnung auch ohne revidierte Zahlen «aussagekräftig» ist. Dagegen schliesst die Zürcher Kantonalbank nicht aus, dass sie von Kreditnehmern in Risikosituationen sogar eine ordentliche Revision verlangt. Die Alternative Bank ABS konnte noch nicht benennen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Opting-out möglich ist, weil «die Erfahrungsgrundlagen dazu noch fehlen». Klartext spricht dagegen die Sparkasse Schwyz: «Bei Blankodarlehen und Krediten, die durch Firmenaktien oder -immobilien gesichert sind, wird ein Opting-out nicht bewilligt.»

Externe Buchhaltung schafft Vertrauen

Wie Banken und Steuerämter im Einzelfall auf ein Opting-out reagieren, wird also erst die Erfahrung zeigen. Eines ist jedoch klar: Eine korrekt geführte Buchhaltung ist wichtig. Wenn ein externer Buchhalter die Bücher führt oder ein Treuhänder den Jahresabschluss für die Firma macht, steigt das Vertrauen bei der Bank. «Oder der Unternehmer vereinbart mit der Bank, dass eine Fachperson Bilanzpositionen wie Warenlager oder Debitoren prüft, die auch für die Bank von Interesse sind», sagt Andrea Mathis, Mitinhaber des Weiterbildungsinstituts Unternehmer-Forum Schweiz.

Doch es gibt auch Situationen, in denen es für eine Firma gar nicht sinnvoll ist, auf die Revisionsstelle zu verzichten:

  • Minderheitsbeteiligte: Sie sind Hauptaktionär oder - bei einer GmbH - Hauptgesellschafter und führen den Betrieb selber. Minderheitsbeteiligte können schnell misstrauisch werden, vor allem wenn die Firma kaum Gewinne abwirft.
  • Bevorstehender Verkauf: In der Regel müssen Sie interessierten Käufern die geprüften Bilanzen der letzten drei bis fünf Jahre vorlegen.
  • Kreditverpflichtung: Steht im Darlehensvertrag, dass Sie ab einer bestimmten Kreditlimite der Bank einen Revisionsbericht einreichen müssen, kann die Bank den Vertrag kündigen, wenn Sie sich ohne deren Zustimmung fürs Opting-out entscheiden.
  • Buchhaltung und Abschluss ohne Fachperson: Wenn Sie die Buchhaltung selber führen und auch den Abschluss erstellen, fehlt Ihnen eine externe Kontrolle. Möglicherweise entgehen Ihnen zulässige Steueroptimierungen.
  • Mitarbeiterkontrolle: Ihnen ist es unangenehm, die Arbeit Ihrer Angestellten zu kontrollieren. Diese Aufgabe kann die externe Revisionsstelle übernehmen, wenn sie die Bilanz prüft.


Für Martin Brezina wäre ein Opting-out problemlos möglich. Er ist Alleinaktionär. Seine Firma beschäftigt fünf Angestellte sowie eine Person im Stundenlohn. Bankschulden bestehen keine, und der Jahresabschluss wird vom Treuhänder erstellt. Trotzdem will der Unternehmer auf seine Revisionsstelle nicht verzichten. Und zwar aus einem einfachen Grund: «Ich scheue den mit dem Verzicht verbundenen administrativen Aufwand», sagt Martin Brezina und lacht.

Buchprüfung: Je grösser desto strenger


Firmen-
grösse
Prüfungs-umfang Kosten
ordentliche Revision Publikums-gesellschaften, Konzerne, bedeutende
Unternehmen (über 20 Millionen Umsatz und mehr als 50 Angestellte)
umfassend 20-30% mehr
einge-schränkte Revision kleine und mittlere Unternehmen (KMU) keine Detailprüfung wie bisher
keine Revision (Opting-out) nicht mehr
als zehn Vollzeit-angestellte; alle Aktionäre oder Gesellschafter müssen damit einverstanden sein
keine Prüfung keine

Revisionsaufsichtsbehörde

Wer Revisionsdienstleistungen erbringt, muss bei der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) ein Gesuch um Zulassung als Revisor oder Revisionsexperte stellen und sich im Revisorenregister eintragen lassen. Ob Ihre Revisionsstelle die Zulassung erhalten hat und somit im Register eingetragen ist, können Sie im Internet unter revisionsaufsichtsbehoerde.ch ersehen.

Weitere Infos

  • Zugang zu allen Handelsregisterämter der Schweiz (Merkblätter,  Musterstatuten etc.): www.zefix.ch
  • Angaben zum neuen Revisionsrecht,  Musterstatuten und Tipps: www.unternehmerforum.ch