«Ich und ein Bürojob? Als Handwerker konnte ich mir das nie vorstellen», sagt Patric Schmidhauser. Heute ist er als Einkäufer beim Schienenfahrzeughersteller Stadler im thurgauischen Bussnang tätig – und zufrieden damit. Möglich gemacht hat den Sinneswandel eine Berufsberatung: «Ohne die wäre ich heute nicht hier.» Vor zwei Jahren definierte der 30-Jährige bei einem freischaffenden Berufs- und Laufbahnberater sein Stärke-Schwäche-Profil, machte Leistungs- und Fähigkeitstests und sann über seine Berufswünsche nach. Das kostete ihn 1300 Franken. Eine Investition, die sich für den gelernten Landmaschinenmechaniker bezahlt gemacht hat.

Wie Schmidhauser suchte auch die 26-jährige Marianne Barth eine neue Herausforderung. «Ich war gern Hauswirtschaftslehrerin – aber als sich ein Gefühl von Routine einschlich, wollte ich mich weiterentwickeln.» Sie entschied sich für einen Berufswechsel. Gemeinsam mit Gleichgesinnten bestimmte sie in kleinen Teams – gecoacht von einem professionellen Berater – ihren Standort in der Arbeitswelt und formulierte ihre Berufswünsche. Diese Neuorientierung ist gelungen: Heute ist Marianne Barth Rezeptredaktorin bei Betty Bossi.

Erwachsene auf der Suche

In den letzten zehn Jahren haben die Beratungen der öffentlichen Berufs- und Informationszentren (BIZ) um 20 Prozent zugenommen. Suchten früher hauptsächlich Jugendliche vor dem Schulabschluss die Berufsberatung auf, gelangen heute auch immer mehr Erwachsene an diese Fachstellen. 2001 beanspruchten 119'500 Menschen in der Schweiz eine öffentliche Berufsberatung; 35 Prozent davon waren Erwachsene, sieben Prozent Erwerbslose. Oft sind es Menschen, die ihren Job nicht freiwillig wechseln, sondern deshalb, weil er ihnen wenig Perspektiven bietet oder keine Freude mehr bereitet.

Wer eine Berufs- oder Laufbahnberatung aufsuchen will, kann zwischen öffentlichen und privaten Anbietern auswählen. Öffentliche Beratungsstellen sind kantonal geregelt, die Konsultationen gratis. Doch es gibt eine Einschränkung: Man muss die Beratung im eigenen Wohnbezirk aufsuchen und kann dort den Berater nicht selber auswählen.

Alex Rechsteiner ist einer von vielen Berufsberatern in der Stadt Zürich. Früher als Jurist tätig, schätzt er in seinem jetzigen Arbeitsfeld im Zürcher Laufbahnzentrum den direkten Kontakt mit seinen Kunden. Auch wenn es oft nicht einfach sei herauszufinden, was diese genau wollen. «Wer nur schnell hören will, was für ihn auf dem Arbeitsmarkt in Frage kommt, ist bei uns am falschen Ort», stellt Rechsteiner klar. Gefragt sei vielmehr eine gute Vorbereitung: «Wer zur Berufsberatung geht, muss sich vorher einige Fragen überlegen.» Etwa diese: Will ich nur einen Karriereschritt planen? Oder tatsächlich in einen neuen Beruf einsteigen? «Wer den Beruf wechseln will, muss Geld und Energie in die Aus- und Weiterbildung investieren, Einkommensverluste in Kauf nehmen und womöglich eine Zeit lang auf Freizeit und Familienleben verzichten», sagt Rechsteiner.

Bei der Berufsberatung in einem öffentlichen BIZ werden mit Persönlichkeits- und Leistungstests die Sprach- und die Technikbegabung, die Teamfähigkeit und das Kreativitätspotenzial der Ratsuchenden erkundet. Die unentgeltliche Konsultation dauert rund acht Stunden; weiterführende Dienstleistungen kosten. Viel aufwändiger und teurer ist der Besuch bei einem selbstständigen Berater. Der Vorteil dieser Variante: Freischaffende Experten nehmen sich mehr Zeit für ihre Kunden und können gründlicher auf deren persönliche Situation eingehen.

Es geht um Lebensberatung

So geht der diplomierte Berufs- und Laufbahnberater Beat Gähwiler aus Weinfelden in mehrstündigen Gesprächen Über- und Unterforderung sowie krank machendem Stress auf den Grund. «Viele meiner Kunden haben ihr inneres Gleichgewicht verloren und zeigen körperliche oder psychische Reaktionen», weiss der Fachmann aus Erfahrung. Für ihn ist Berufs- und Laufbahnberatung mehr als die Suche nach dem geeigneten Job: «Es ist eine Lebensberatung.» Deshalb arbeitet er eng mit Ärzten, Psychotherapeuten oder Kinesiologen zusammen. Auf Wunsch hilft Gähwiler auch beim Verfassen einer Bewerbung oder probt Vorstellungsgespräche.

Weiter als das geht es aber nicht, ob bei privaten oder öffentlichen Beratungen. «Viele verwechseln die Berufsberatung mit einer Stellenvermittlung», weist Alex Rechsteiner auf einen weit verbreiteten Trugschluss hin. Dafür seien jedoch die spezialisierten Jobvermittlungsbüros oder der Stellenanzeiger zuständig.