Eigentlich möchte Noah Chiozza Pilot werden. Am liebsten Kampfpilot. Dies wegen der Geschwindigkeit, die fasziniert ihn sehr. Doch vorerst bleibt der Wunschberuf des 16-jährigen Sekundarschülers aus Beringen SH ein Traum. Nach der Schule wird Noah eine vierjährige Lehre als Konstrukteur beginnen. «Ich weiss, dass der Weg zum Pilotenberuf auch über eine technische Lehre möglich ist. Für den direkten Weg zur Pilotenausbildung sind meine Noten nicht gut genug, besonders in den Sprachfächern. Meine Stärken liegen in Mathematik, Geometrie und im geometrischen Zeichnen.»

Wie Noah schweben viele Kinder und Jugendliche auf «Wolke sieben», wenn sie über den Beruf ihrer Träume sprechen. Rückt das Ende des neunten Schuljahrs näher, wirds ernst: Während die einen Traumziele wie Pilot, Astronautin oder Comiczeichner zugunsten von realistischeren Zielen fallen lassen, versuchen die andern, ihren Traum in die Tat umzusetzen.

«Zu den heutigen Traumberufen gehören Informatiker, Mediamatiker und Web-Designer. Als zweite Berufsgruppe sind gestalterische Tätigkeiten sehr beliebt, insbesondere Grafiker, Designer, aber auch Schauspieler und Medienberufe», berichtet Konrad Baumann, Berufsberater des Berufsinformationszentrums in Aarau. Stark zurückgegangen sei die Nachfrage nach Berufen wie Lokführer und Pilot. Auch der einstige Traumberuf Architekt, den gemäss Baumann früher rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler einer Bezirksschulklasse angaben, sei viel weniger gefragt. Die Krise in der Bauwirtschaft habe sicher dazu beigetragen.

Kids achten aufs Image

«Viele Jugendliche wählen Berufe, in denen Selbstverwirklichung möglich ist und gewisse Showelemente vorkommen. Der Einfluss der Medien ist unverkennbar. Die Traumberufe haben zudem meist einen hohen Imagewert», sagt der Berufsberater. Eine österreichische Studie von 1999 über das Zukunftsbild der Vorarlberger Jugend zeigt auf, dass kreative und moderne Tätigkeiten oft mit dem Wunsch verbunden sind, der Enge des eigenen Landes zu entfliehen. Mädchen wählten dabei zu 47 Prozent Berufe, die mit Menschen zu tun haben, Jungen nur zu 12 Prozent.

«Viele Knaben geben als Wunsch zukunftsträchtige Berufe wie Informatiker oder Tätigkeiten in technischen Bereichen an. Junge Frauen entscheiden sich oft für Kosmetikerin, Kleinkinderzieherin oder kaufmännische Angestellte», erklärt die Winterthurer Lehrstellenförderin und Kantonsrätin Chantal Galladé. «Ich möchte, dass vermehrt auch junge Frauen in den technischen Branchen Fuss fassen.»

Zumindest in der Informatik besteht Hoffnung: Immer mehr Frauen finden den Weg dorthin. So erklärte zum Beispiel Elodie Nicole, Kandidatin der Miss-Schweiz-Wahlen 2000, dass Informatikerin ihr «absoluter Traumberuf» sei.

Max Blattner von der Berufs- und Laufbahnberatung in Frick findet es gut, wenn Jugendliche von einem bestimmten Beruf träumen: «Der Traumberuf stellt eine erste Auseinandersetzung dar mit dem, was kommt. Deshalb betrachte ich ihn als wertvoll, weil die Jugendlichen dadurch einen Zeitsprung machen und sich vorstellen, sie seien nun Informatiker, Schauspieler oder Künstler.» Im Gegensatz zu Kindern sollten sich aber bei Jugendlichen, die vor der Berufswahl stehen, die Traum- in Wunschberufe wandeln. Das heisst: Die Jugendlichen sollten sich mit der Berufswelt und sich selber auseinander setzen. So erkennen sie, ob sie für den Traumjob tatsächlich geeignet sind.

Häufig haben erste Berufsträume mit den wirklichen Neigungen nur wenig gemein. Es sei vielmehr eine Idealisierung einer Rolle, die den Jungen vorschwebe, so der Aarauer Berufsberater Baumann. «Wer den Wechsel vom Traum- zum Wunschberuf nicht geschafft hat, ist meiner Meinung nach noch nicht reif genug für die Berufswahl. Solche Jugendliche können ihre Möglichkeiten kaum abschätzen und brauchen meist eine längere Beratungszeit.»

Bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz tun sich Jugendliche oft schwer, weil sie zu sehr auf ihren Traumberuf fixiert sind. Der Berufsberater muss ihnen dann klar machen, dass es noch andere attraktive Möglichkeiten gibt und manchmal auch Umwege zum ersehnten Ziel führen. Dies zeigt auch eine Befragung von Schulabgängern im Bezirk Aarau aus dem Jahr 2000: Über 20 Prozent der Jugendlichen konnten ihren Wunschberuf nicht erlernen und mussten Alternativen wählen. Über 20 Prozent entschieden sich für eine Zwischenlösung, etwa das zehnte Schuljahr oder ein Welschlandjahr.

Zahlreiche Traumberufe lassen sich nicht sofort ansteuern, weil die Anforderungen zu hoch sind oder das Angebot an Ausbildungsplätzen zu klein ist. Viele Jugendliche schrecken auch vor strengen Aufnahmeprüfungen zurück – oder davor, dass der Weg zum Traumjob über einen weniger attraktiven Erstberuf führt. Zum Beispiel bei der Modedesignerin: Oft muss zuerst eine Lehre als Damenschneiderin absolviert werden. «Da löscht es vielen bereits ab», erzählt Baumann.

Steinig ist auch der Weg zum Schauspielerberuf. Jährlich bewerben sich etwa 300 junge Menschen aus der Schweiz und dem Ausland für die Schauspielakademie in Zürich. Doch schon an einem Vortest wird eine erste Selektion getroffen und entschieden, wer zur eigentlichen Aufnahmeprüfung kommen darf. Am Ende können maximal 20 Studierende die Ausbildung beginnen. Nur wenigen öffnet sich jedoch die Tür zum Erfolg, denn die Konkurrenz ist hart. So gehen im Stadttheater Luzern pro Jahr etwa 500 Bewerbungen von Schauspielern ein.

Lebenserfahrung erwünscht

Hohe Anforderungen werden auch an Medienschaffende gestellt: überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeit, sprachliches Geschick, vernetztes Denken sowie Interesse an politischen, sozialen und anderen Vorgängen sind Voraussetzung. «Für Medienschaffende ist es wichtig, dass sie über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen, um gegenüber Interviewpartnern sicher und kompetent aufzutreten», sagt Heiner Käppeli vom Medienausbildungszentrum MAZ in Kastanienbaum LU. «Den Königsweg in den Journalismus gibt es nicht, dafür zahlreiche Quereinsteiger- und Zweitausbildungen», meint Hans Stutz, Chefredaktor des Schweizer Medienmagazins «Klartext».

Wenn sich Jugendliche trotz allen Hindernissen für einen Traumberuf oder eine ausgefallene Tätigkeit interessieren, sollten sie sich gut darüber informieren. «So können sie abschätzen, ob sie wirklich geeignet sind oder nicht», rät Baumann. Bei einer Kontaktaufnahme mit möglichen Ausbildnern ist es wichtig, erste kleine Erfahrungen auf dem entsprechenden Gebiet vorweisen zu können – zum Beispiel durch die Mitarbeit bei einer Schülerzeitung, das Tüfteln mit Computern oder kleine Rollen im Dorftheater. Für Eltern gilt: «Sie sollten ihre Kinder nicht belehren, sondern fragend begleiten und die Berufswünsche ernst nehmen. Die Jugendlichen wollen die Entscheidung selber treffen.»

So war es auch bei Noah. Der Traum vom Piloten ist für ihn keinesfalls ausgeträumt. Mit seinem Entscheid, eine Konstrukteurlehre zu absolvieren, stehen ihm viele Pisten offen.