2_00_rg_buffet.jpgAm Freitag, 26. November 1999, um 12 Uhr betritt Beni Spirig das Restaurant «Back&Brau» im Bahnhof St. Gallen. Er setzt sich an einen der Tische und wartet auf die Bedienung. Er wartet und wartet endlich kümmert sich die Serviererin um ihn.

Doch mit der schleppenden und unfreundlichen Bedienung punktet das Personal nicht. Beobachter-Grafikchef Spirig ist nämlich nicht irgendein Gast, er ist mit einem bestimmten Auftrag unterwegs: Er ist einer der 21 Restaurantprüfer des Beobachter-Bahnhofbuffet-Tests.

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Traditionsbetriebe sterben aus

Wie vor fünf Jahren gehen zu diesem Zeitpunkt zwei Dutzend Beobachterinnen und Beobachter auf Inspektionstour. Von Bellinzona bis Schaffhausen, von Chur bis Genf: In der ganzen Schweiz werden die Bahnhofbuffets auf ihre Qualität getestet. Eines gleich vorweg: Die Reisenden dürfen zufrieden sein. Die Restaurants in den Bahnhöfen haben ihr Niveau gehalten. In den meisten Lokalen gibt es zügig ein gutes Menü zu einem günstigen Preis.

Dabei haben sich die Bahnhöfe in den letzten Jahren stark verändert. Diverse Geschäfte hielten Einzug, und auch das Gastroangebot ist im Wandel. Bis vor kurzem setzten die SBB auf das lokale Gewerbe und Familienbetriebe. «Diese Exklusivverträge liessen keine Konkurrenz zu. Das ist wohl der Grund, dass viele Bahnhöfe den Anschluss verpasst haben», glaubt Hans Zimmermann, stellvertretender Leiter des Geschäftbereichs Liegenschaften der SBB.

In der Tat: Die traditionellen Bahnhofbuffets sind am Aussterben. Es gibt nur noch ganz wenige erfolgreiche Familienfirmen. Eine davon ist die Firma Candrian Catering AG. Sie betreibt im Bahnhof Zürich 19 Verkaufsstellen, vom Kiosk bis hin zum Gourmetrestaurant. «Wir haben ein gutes Jahr hinter uns, dank klar profilierten Restaurants», sagt Claudio Bieri, Betriebsleiter der Candrian Catering.

Doch das ist die Ausnahme: An vielen anderen Orten sind längst Gastroketten eingezogen. Sie mieten die Gebäude im Rohbau von den SBB, investieren Millionen in den Innenausbau und führen die Lokale im Einheitslook. Da können Kleinfirmen nicht mithalten. So suchten die SBB in Neuenburg lange vergebens nach einem Pächter für das Buffet heute ist dort eine McDonalds-Filiale und ein «Buffet espresso» der Merkur AG zu finden.

Die Merkur AG ist der wichtigste Gastropartner der SBB. Sie betreibt an 25 Bahnhöfen Restaurants, alle mit gleichem Namen («Buffet espresso») sowie mit einheitlichem Innenausbau und Angebot. Das Konzept scheint aufzugehen, denn gefragt sind heute Schnelligkeit im Service, hoher Qualitätsstandard und Preiswürdigkeit. «Das Verpflegungsverhalten hat sich verändert. Die Leute wollen am Mittag schnell etwas Kleines essen und gehen dann abends in ein gediegenes Restaurant und kaum in ein Bahnhofbuffet», sagt Zimmermann von den SBB. Und noch etwas kommt dazu: «Früher reichte pro Bahnhof ein Buffet, ein Kiosk und ein Blumenladen. Heute wollen die Bahnkunden Lebensmittel und anderes einkaufen auch ausserhalb der Ladenöffnungszeiten.»

Von Gemütlichkeit bis Einheitsbrei

Liegt also das neue Glück im Fast Food für eilige Pendler? Nicht nur! In den meisten grossen Bahnhöfen hat es neben den Take-out-Ständen und Cafebars auch mindestens ein Restaurant für Leute, die sich Zeit nehmen für das Essen.

«Vor allem Ältere schätzen den währschaften Buffetbetrieb. Sie wollen sich setzen können und bedient werden», sagt Manfred Remelet, Geschäftsführer des Restaurants im Bahnhof Chur. Aber auch er betreibt im Bahnhof zusätzlich zwei Stände mit Schnellverpflegung für Eilige.

Dieses Konzept hat sich die Passaggio Holding, früher Schweizerische Speisewagen-Gesellschaft (SSG), ausgedacht. Sie hat Gastrobetriebe in diversen Bahnhöfen (im Test Olten und Chur), führt aber auch Lokale in Autobahnraststätten, Flughäfen und Shopping-Centern.

Drei Typen lassen sich unterscheiden, je nach Schnelligkeit der Abfertigung. Restaurants mit Bedienung für die gemütlichen Esser, Selbstbedienung für die Eiligen und Takeaways für die ganz Pressierten. Und damit die Leute «ihr» Lokal überall wieder erkennen, sehen alle Filialen schweizweit gleich aus.

Auch in Sachen Angebot. Passaggio Holding macht etwa ein Fünftel des Umsatzes in den Bahnbetrieben, das sind 56 Millionen Franken jährlich. Und die Firma will ihr Angebot in den grossen Bahnhöfen noch ausweiten.

Der Vorteil eines Gastrostandorts im Bahnhof liegt in der hohen Passagierfrequenz. Doch es gibt auch Nachteile. «Bahnhöfe gelten als kalt, zugig und unsicher», sagt Peter Herzog, Vorsitzender der Geschäftsleitung Passaggio Holding. «Es braucht Investitionen, um das Negativimage der Bahnhofbuffets aufzuheben. Und das geht lang.»

In Zürich scheint das gelungen zu sein. Vor allem die grosse Bahnhofshalle mit den vielen Events kommt dem Image zugute, und die vielen Geschäfte im Shop-Ville steigern die Besucherfrequenz in den Restaurants. Aber wie gut ist das Essen? Und wie freundlich ist der Service? Das wollte der Beobachter wissen.

Freuen dürfen sich die Chefs und Angestellten in Spiez und in Olten. Wie schon im letzten Beobachter-Test gehören sie auch dieses Mal zur Spitzenklasse. Spiez hat Olten überholt. Das pochierte Heilbuttfilet an Rotweinsauce mundete der Beobachter-Mitarbeiterin Barbara Steiner bestens. Sie lobte jedoch auch den Service, der aufmerksam, aber nicht aufdringlich war, und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis. Fazit: In Spiez ist man gut aufgehoben. Im Buffet in Olten hängt immer noch das Beobachter-Sieger-Plakat vom letzten Test. Zwar hat Olten diesmal den Spitzenplatz knapp verfehlt. Aber das Essen ist nach wie vor perfekt dafür relativ teuer. Einen Punkteabzug gab es auch für die ungepflegten Toiletten.

Lausanne hat aufgeholt: Im Bahnhof hat sich in den letzten fünf Jahren einiges getan. Das einstige Zweitklassrestaurant wurde zur «Resto-Bar» für Junge und Junggebliebene. Und das Erstklassbuffet zum «Restaurant». Für Gourmets ist «La Pinte» vorgesehen.

Beobachter-Redaktor Thomas Angeli hat in Lausanne hervorragend gespeist und rühmt den gediegenen Service. Das wunderschön renovierte Buffet ist ein Geheimtipp für Nostalgikerinnen.

Unerfreuliches in St. Gallen

Insgesamt waren die Resultate positiv. Das Essen war wohlproportioniert, und meistens schmeckte es gut. Auch der Service war fast überall im Takt, ausser beim Testverlierer «Back&Brau» im Bahnhof St. Gallen. Das Essen kam dort vor dem Getränk, und der Gast wurde unwirsch aufgefordert, sofort zu bezahlen. Zudem drückte die Kellnerin dem Gast den zu heissen Teller in die Hände, so dass er ihn auf den Tisch fallen lassen musste.

Mehr Glück hatte Urs Rauber. In Göschenen blitzte er zwar ab das Buffet wurde geschlossen. Er wich nach Erstfeld aus und erlebte dort eine Uberraschung: Das Personalrestaurant für die Bähnler ist offen für das Publikum. Reisende zahlen jedoch für das Essen einen Aufpreis von 25 Prozent. Auch so noch ein Dumping-Angebot: Das Menü inklusive Suppe, Salat, Mineral und Cafe crème ist für ganze Fr. 15.50 zu haben. Wer in Erstfeld speist, profitiert von den SBB-Subventionen.

Einigen Mängeln ist der Beobachter allerdings immer wieder begegnet. So fehlte in der Hälfte der Lokale die korrekte Herkunftsdeklaration des Fleisches seit 1996 für Restaurants ein Muss. Auch die Nichtraucherzone bleibt ein leidiges Thema. In elf der getesteten Lokale fehlt sie. Dafür gibts natürlich keine Punkte.

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