Es ist ärgerlich, wenn der Arbeitgeber den Lohn oder ein Kunde eine Rechnung nicht bezahlt. Wie man trotzdem an sein Geld kommt.

Regula Ackermann (Name geändert) arbeitete seit Ende 2016 in einer privaten Sprachschule in Zug. Ihr gefiel der Job als Kursleiterin für Englisch, auch wenn der Stundenlohn von 32 Franken plus Spesen nicht gerade berauschend war. Am Anfang zahlte ihre Arbeitgeberin - eine Aktiengesellschaft - den Lohn pünktlich, ab Frühling 2019 nur noch schleppend und manchmal auch nur in Teilbeträgen. Im Herbst 2019 hatte die 54-jährige Lehrerin genug von dieser «Zahlungsmoral». Sie kündigte die Stelle und forderte den ausstehenden Lohn von über 6000 Franken ein. Das Geld erhielt sie nicht, und auch ihre letzte Zahlungserinnerung blieb unbeantwortet. Für Ackermann stellte sich daher die Frage, wie sie vorgehen sollte, um doch noch zu ihrem Geld zu kommen.

Auch beim Beobachter wird die Frage nach dem richtigen Vorgehen häufig gestellt. Wir empfehlen, folgende Punkte zu beachten:

Zahlungsfähigkeit abklären: Bevor Sie eine Firma betreiben oder vor Gericht einklagen, sollten Sie abklären, ob bei ihr überhaupt noch etwas zu holen ist. Steht das Unternehmen bereits kurz vor dem Konkurs, können Sie zuwarten, bis dieser wegen anderer Schulden über die Firma eröffnet wird. Die Zahlungsfähigkeit klären Sie am einfachsten ab, indem Sie sich beim Betreibungsamt am Firmensitz der Schuldnerin einen aktuellen Betreibungsregisterauszug besorgen. Verdächtig ist, wenn im Auszug viele Betreibungen über kleine Beträge oder Verlustscheine aufgeführt sind.
Betreiben und nicht zuerst klagen: Es steht Ihnen frei, Ihre Forderung zuerst von einem Gericht überprüfen zu lassen oder die Schuldnerin gleich zu betreiben. Im zweiten Fall kommt es nur dann zum Gerichtsverfahren, wenn sich die Firma mit Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl wehrt. Bei vielen Betreibungen wird kein Rechtsvorschlag erhoben. Sie können es daher riskieren, gleich die Betreibung einzuleiten.
Zahlungsbefehl: Beim Betreibungsamt am Sitz der Schuldnerin stellen Sie das Betreibungsbegehren und zahlen die Gebühr für den Zahlungsbefehl. Diese richtet sich nach der Höhe der Forderung. In Regula Ackermanns Fall waren es 70 Franken.
Rechtsvorschlag beseitigen: Gegen den Zahlungsbefehl kann die Schuldnerin ohne Begründung Rechtsvorschlag erheben und so die Betreibung stoppen. Besitzen Sie eine Schuldanerkennung, in der Ihnen die Schuldnerin schriftlich bestätigt, dass sie Ihnen den betriebenen Betrag schuldet, können Sie den Rechtsvorschlag in einem einfachen und kostengünstigen Verfahren beseitigen. Haben Sie keine Schuldanerkennung, müssen Sie gegen die Schuldnerin ein ordentliches Gerichtsverfahren anstrengen, das bei einer Forderung von 6000 Franken schnell über 1000 Franken kostet.
Konkursandrohung: Wurde kein Rechtsvorschlag erhoben oder haben Sie diesen beseitigt, geht die Betreibung mit dem Fortsetzungsbegehren weiter. Dieses reichen Sie beim Betreibungsamt ein und bezahlen die Gebühr für die Konkursandrohung, die bei Regula Ackermann erneut 70 Franken betrug. Die Konkursandrohung enthält eine letzte Zahlungsfrist und wird der Schuldnerin umgehend zugestellt.
Konkurseröffnung: Zahlt die Firma weiterhin nicht, können Sie beim Richter am Sitz der Schuldnerin die Konkurseröffnung beantragen. Sie müssen einen Kostenvorschuss leisten, der je nach Kanton oder Gericht zwischen wenigen hundert und 6000 Franken beträgt. Der Richter setzt einen Verhandlungstermin an, bis zu dem die Schuldnerin die betriebene Forderung bezahlen kann. Unterlässt sie dies und haben Sie den Kostenvorschuss bezahlt, wird der Konkurs eröffnet. Anschliessend beginnt das langwierige Konkursverfahren.

Regula Ackermann hatte Pech. Sie entschied sich für das Gerichtsverfahren, statt gleich zu betreiben. Sie klagte ihren Lohn ein und bekam recht. Doch als es um die Einleitung der Betreibung ging, musste sie feststellen, dass es bei ihrer Firma nichts mehr zu holen gab. Diese hatte den Sitz ins Tessin verlegt, wo sie ein ehemaliger Arbeitskollege Ackermanns bereits erfolglos betrieben hatte. So verzichtete Regula Ackermann auf eine Betreibung. Sie bleibt zwar auf Anwaltskosten von 1500 Franken sitzen, hat aber immerhin die Genugtuung, sich gewehrt zu haben.

Konkurs ohne Betreibung

Wenn die Firma ihre Zahlungen eingestellt hat, entfällt das lange Betreibungsverfahren, und Sie können direkt beim Richter die Konkurseröffnung beantragen. Der Richter eröffnet den Konkurs aber nur, wenn Sie die Zahlungseinstellung beweisen. Als Beweismittel gilt zum Beispiel ein mehrseitiger Betreibungsregisterauszug oder ein Schreiben der Schuldnerin, in dem sie selber ihre Zahlungsunfähigkeit eingesteht. Bevor Sie ein solches Verfahren einleiten, sollten Sie eine Fachperson konsultieren und die Prozesschancen abklären.

Betreibungsbegehren online ausfüllen

Die vom Bundesamt für Justiz eingerichtete Plattform führt Gläubiger Schritt für Schritt durch das Formular. So ist sichergestellt, dass keine vom Gesetz vorgeschriebenen Angaben vergessen werden.

Buchtipp
eRatgeber: Betreibung – Was kann ich tun?

Wenn Ihnen der Pöstler eine Betreibung in die Hand drückt, brauchen Sie nicht in Panik auszubrechen. Mit diesem interaktiven eRatgeber im PDF-Format analysieren Sie in Ruhe Ihre Chancen und Risiken und erfahren, welches Vorgehen das schlaueste ist.

eRatgeber: Betreibung – Was kann ich tun?