Als allein erziehende Mutter ist es für mich wichtig, dass mein Kind während des ganzen Tages optimal betreut wird», sagt Marianne Fopp. Ihr Sohn Roman besucht deshalb die zweite Sekundarklasse in der Neuen Tagesschule Chur. Auch Edith Geffroys Kinder gehen in eine Privatschule. «Dort werden sie individueller gefördert als in der öffentlichen Schule.» Tochter Kalinka (3. Sek) gefällt es in der Mädchenschule Rhaetia in Luzern gut. «Es hat keine Buben, die uns ablenken. So kann man besser lernen.»

Die Zahl der bewilligten Privatschulen auf Volksschulstufe stieg in den vergangenen Jahren stetig an. Im Kanton Zürich zum Beispiel ist sie von 44 (1990) auf 66 (1999) geklettert. Auch in Regionen, wo private Schulen bisher wenig Tradition hatten, öffneten in den letzten fünf bis zehn Jahren neue Institute ihre Tore.

Punkto Schülerzahlen konnten die Privatinstitute bisher gegenüber der Staatsschule aber nicht an Boden gewinnen. Im Durchschnitt besuchen fünf bis sechs Prozent der schulpflichtigen Kinder in der Deutschschweiz eine Privatschule. Mit zehn Prozent fällt Basel-Stadt aus dem Rahmen; diese Zahl entspricht dem Durchschnitt in der Romandie. Spitzenreiter ist Genf. Dort drücken rund 18 Prozent der Schulkinder eine private Schulbank.

Die Wartelisten werden länger
Doch diese Vergleiche erzählen nur die halbe Wahrheit: Zwar besuchen nicht viel mehr Kinder eine Privatschule als noch vor zehn Jahren. Das hängt damit zusammen, dass viele Schulen aus Kapazitätsgründen gar nicht mehr Schülerinnen und Schüler aufnehmen können. Die Folge: Die effektive Schülerzahl bleibt gleich, aber die Warteliste wird länger. Vor allem das Interesse an Privatschulen für Primarschüler scheint stark zu steigen. «Die Anfragen nehmen eindeutig zu. Aber nicht alle melden sich auch an», stellt Andre Rollin vom Lernstudio Zürich fest. Ähnlich tönt es aus Bern, Luzern und Basel.

Viele Leute sind mit der staatlichen Volksschule offenbar unzufrieden. Grosse Probleme wie etwa die zunehmende Gewaltbereitschaft an den Schulen, Mobbing unter Kindern, der hohe Ausländeranteil in gewissen Klassen und die Angst, dass die Kinder in der heutigen Arbeitswelt den Tritt nicht finden werden, veranlassen viele Eltern, sich mindestens über private Alternativen zu informieren.

Doch welche Schulen sind gefragt? «Es findet eine Verlagerung statt», sagt Markus Fischer, Sekretär des Verbands der schweizerischen Privatschulen. «Erfolg haben Schulen, die eine pädagogische Nische besetzen und einen innovativen Unterricht anbieten.» Konkret heisst das: Viele alt bewährte, traditionelle Privatschulen leiden an massivem Schülerschwund.

Die drei St. Galler Privatschulen in Vättis, Wangs und Vilters beispielsweise unterrichteten in den achtziger Jahren im Schnitt 500 Schülerinnen und Schüler. Inzwischen musste die Schule in Wangs schliessen, und die zwei anderen Institute kommen auf gerade noch 130 Schüler.

«Wir waren ganz klar zu wenig innovativ und haben die Zeit verschlafen», sagt Christoph Aeppli, Schulleiter der Alpinen Schule Vättis. Mit einer Neuausrichtung auf Schüler mit besonderen Schwierigkeiten will er das Unternehmen nun wieder in Schwung bringen.

Mühe haben auch die Rudolf-Steiner-Schulen. Seit Mitte der neunziger Jahre gehen die Schülerzahlen kontinuierlich zurück (minus 3,4 Prozent). Die Folge ist Geldnot. «Es ist uns in den letzten Jahren zu wenig gelungen, die Aktualität und die Wichtigkeit unserer Pädagogik in der heutigen Zeit zu vermitteln», sagt Christoph Hug, Geschäftsführer der Stiftung zur Förderung der Rudolf-Steiner-Pädagogik.

Mädchenschulen sind im Trend
Die Renner unter den Privaten sind Tagesschulen, Schulen mit zweisprachigem Unterricht, individualisierten Lehrmethoden oder Programmen für Hochbegabte. Und: Leistung ist wieder gefragt. Ebenfalls im Trend sind reine Mädchenschulen. Das Institut Rhaetia in Luzern zum Beispiel verzeichnete zwischen 1990 und 1996 einen Zuwachs von 29,4 Prozent.

Erstaunlich gut laufen konfessionell geprägte Schulen. Die Freie Katholische Schule Zürich etwa legte im Bereich Oberstufe um sieben Prozent zu. Und im Kanton St. Gallen sind in den letzten fünf Jahren gar vier katholische oder evangelische Schulen für Primar- und Sekundarschule aufgegangen.

«Die Verunsicherung in unserer Gesellschaft und die hektische Zeit führen dazu, dass sich einige Eltern vermehrt wieder auf traditionelle Grundwerte besinnen», sagt Max Mangold vom Institut für Pädagogik an der Universität Bern (siehe Interview).

Manchmal stehen bei der Gründung einer Privatschule aber ganz andere Interessen im Vordergrund. In Schaffhausen etwa wurde vor ein paar Jahren auf Anregung der örtlichen Industrie-Vereinigung die englischsprachige International School of Schaffhausen ins Leben gerufen. Das klar definierte Ziel: den Wirtschaftsstandort Schaffhausen für internationale Firmen interessanter gestalten.

Schulreformen machen Angst
Ob Privatschulen Flaute haben oder im Aufwind sind, hängt auch vom jeweiligen kantonalen und vom regionalen Umfeld ab. Die Schulreform im Kanton Bern zum Beispiel – neuer Ubertrittsmodus in die Oberstufe – hat viele Eltern verunsichert.

Die Folge: Privatschulen wie die Seminarschule Muristalden oder die Neue Mittelschule in Bern verzeichnen sprunghaft mehr Anmeldungen. Gerade Umgekehrtes befürchten die Privaten in Zürich.

«Buschors Schulreform ist für uns eine Herausforderung. Je nach Umsetzung kann es für uns schwieriger werden», sagt Andre Rollin vom Lernstudio Zürich. Doch ob Eltern ihr Kind tatsächlich bei einer Privatschule anmelden, hängt letztlich vom Familienbudget ab. Denn ein Jahr Unterricht an einer Privatschule kostet selbst für Knirpse schnell mal 20000 Franken.

Der Grossteil der Kantone unterstützt die Privatschulen nicht. Zwar konnten die Eltern in einigen Kantonen bisher rund 4000 Franken pro Kind von den Steuern absetzen, doch im Rahmen der Steuerharmonisierung ist das zukünftig nicht mehr möglich.

Der Staat zahlt mit Einzelne Kantone haben Sonderregelungen. Der Kanton Luzern etwa zahlt nach vier Jahren erfolgreichem Schulbetrieb einen Teil der Lehrerlöhne, und der Kanton Baselland hat jüngst ein Gesetz verabschiedet, das eine indirekte Unterstützung der Privatschulen vorsieht: Die Eltern erhalten vom Staat 2000 Franken ans Schulgeld vergütet.

Besonders gut haben es die Eltern im basellandschaftlichen Muttenz. In Zukunft erhalten sie von der Gemeinde zusätzlich zur kantonalen Vergütung einen jährlichen Zustupf von 2000 Franken. «Die Privatschüler entlasten schliesslich unser Gemeindebudget», begründet Gemeindepräsident Eros Toscanelli diese Grosszügigkeit. «Ausserdem schadet ein bisschen Konkurrenz nichts.»

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