«Mir ist völlig egal, was in der Schweiz läuft», sagt Midi Muheim, 58. Die ehemalige Journalistin lebt seit vierzehn Jahren im Piemont und vermisst die Schweizer Politik nicht. Kaum 100 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, fühlt sie sich «weit weg» der alten Heimat.

Mit dieser Haltung gehört Muheim zur Mehrheit der «Fünften Schweiz», der Gemeinschaft der Auslandschweizer. Doch das grosse Desinteresse macht sich im Jubiläumsjahr der Auslandschweizer-Organisation (ASO) schlecht. Vor zehn Jahren erstritt die ASO das briefliche Wahl- und Stimmrecht für die Auslandschweizer, am 10. August feiert sie deshalb auf der Bieler Arteplage – als drittgrösster «Kanton» hat auch sie ihren Expo-Kantonaltag. Zwar versuchte die ASO vor einigen Monaten mit ihrer Infokampagne «Wahren Sie Ihre Interessen!» mehr Auslandschweizer an die Urne zu bringen. Zwar stieg nach dieser Kampagne die Zahl der ins Stimmregister Eingetragenen um 10'000. Aber immer noch nutzen von 591'000 Auslandschweizern erst 80'000 ihre Rechte, das sind gerade mal 13 Prozent.

Nur auf Umwegen zur Urne
Bevor die ASO 1992 das briefliche Wahl- und Stimmrecht erstritt, mussten Heimwehpatrioten in die Schweiz reisen, wollten sie ihre Stimmkarte abgeben. Nach der Einführung des brieflichen Stimmrechts liessen sich viele Auslandschweizer in Spanien, den USA, Deutschland oder Frankreich ins Stimmregister bei einer Schweizer Botschaft oder einem Konsulat eintragen. Vor der EWR-Abstimmung am 6. Dezember 1992 waren es bereits 28'000.

Eine Auslandschweizerin, die seit fünf Jahren ihr Stimmrecht wahrnimmt, ist Käthi Nennot, 62, aus Saint-Germain-sur-Morin bei Paris. «Ich sende meine Stimmkarte zu jeder Abstimmung und Wahl in die Schweiz», sagt sie. In Frankreich, wo sie seit vierzig Jahren lebt, legte sie bereits 1962 das erste Mal ihre Stimmkarte ein – zehn Jahre bevor die Schweizer das Frauenstimmrecht einführten.

Käthi Nennot ist Doppelbürgerin, wie ihre beiden Töchter. Diese jedoch nehmen ihr politisches Mitbestimmungsrecht in der Schweiz nicht wahr. An Doppelbürgern macht denn auch Georg Stucky, Präsident der ASO, das Desinteresse der Auslandschweizer dingfest: «Zwei Drittel aller Auslandschweizer sind Doppelbürger, ihr politisches Interesse an der Schweizer Politik ist gering.» Bis zu den eidgenössischen Wahlen im kommenden Jahr will die ASO die 100'000er-Grenze im Stimmregister überschritten haben – ihr Augenmerk gilt da auch den Doppelbürgern.

Erleichterungen angestrebt
Mit E-Voting – dem Abstimmen und Wählen per Internet – und dem Abbau von administrativen Hürden will die ASO der politischen Abstinenz der Auslandschweizer entgegentreten. Dafür setzt sich auch SVP-Ständerat Maximilian Reimann mit einer Motion ein: Künftig soll der alle vier Jahre zu wiederholende Stimmregistereintrag hinfällig werden und ein einmaliger Eintrag ausreichen.

Wer nun glaubt, heimatverbundene Auslandschweizer fühlen sich zur politischen Rechten hingezogen, irrt. Bei den eidgenössischen Wahlen 1999 wählten Auslandschweizer öfters Grüne und SP als die Stimmberechtigten ihrer Heimatkantone. So erreichten die Grünen bei den Auslandschweizern des Kantons Luzern knapp 18 Prozent der Stimmen – bei den übrigen Luzernern nur rund acht Prozent.

Weiter wurde im Juni 2001 das neue Militärgesetz nur mit den Ja-Stimmen der Auslandschweizer angenommen: Die 469 Ja-Stimmen von ihnen im Kanton Luzern sorgten für das Kippen des Ständemehrs zugunsten der Vorlage. Und das Ja zur Uno verdankt die Schweiz auch der Weltoffenheit der Auslandschweizer: 80 Prozent der stimmberechtigten Auslandschweizer befürworteten den Beitritt, bei den Landsleuten in der alten Heimat waren es hingegen nur 54,6 Prozent.