Der Protest war ohrenbetäubend, als der Bundesrat verlangte, Tanten müssten einen Kurs besuchen, wenn sie ihre Nichte hüten wollen. Zudem brauche sogar das Grosi künftig eine Bewilligung, wenn es seinen Enkel betreue. 2009 war das, und Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zog die Vorlage zerknirscht und mit der Erkenntnis zurück: «Wir sind zu weit gegangen. Wir greifen nicht mehr in private Verhältnisse ein.»

Seither müssen Verwandte nur eine Bewilligung einholen, wenn sie ein Pflegekind zu sich nehmen wollen. Und Geld vom Staat bekommen sie in aller Regel nicht.

«Ein sehr spezieller Fall»

Vielleicht hätte sich das Sozialamt Ostermundigen an Widmer-Schlumpfs Worte erinnern sollen, als es einer Grossmutter Monat für Monat 1520 Franken überwies, damit sie auf ihr kleines Enkelkind aufpasste, das im gemeinsamen Haushalt von Grossmutter, Mutter und Enkelin aufwuchs. Die Mutter des Kindes ist Mitte 20 und hat im Frühling eine Ausbildung im Gesundheitsbereich erfolgreich abgeschlossen.

Eine Fremdplatzierung hätte den Steuerzahler viel mehr gekostet, 360 Franken im Tag oder über 10'000 Franken im Monat, verteidigt sich das Sozialamt Ostermundigen. Zudem bestehe in der Gemeinde eine Warteliste von gut zwei Jahren für eine Tagesmutter oder einen subventionierten Kitaplatz. Im Übrigen arbeite die Grossmutter seit Jahren als bewährte Tagesmutter mehrerer Kinder und sei als Einzige bereit gewesen, für das Kind zu sorgen. Es habe sich in der Tat um «einen sehr speziellen Fall» gehandelt.

100 Millionen Gratisstunden

Ob Tante oder Grosspapi: Die meisten Angehörigen beaufsichtigen ein Kind aus Solidarität oder aus Familiensinn. Jährlich sind Schweizer Grosseltern geschätzte 100 Millionen Stunden als Betreuer ihrer Enkel im Einsatz. Ohne Zustupf, denn «Unentgeltlichkeit ist zu vermuten, wenn Kinder von Verwandten aufgenommen werden», sagt das Gesetz.