Die Generalversammlung der Zuger Krankenkasse Klug ist beinahe zu Ende: Nach einer langen Versammlung lauschen nur noch wenige Zuhörer den Ausführungen des Gastreferenten. Der in Zug tätige Arzt Jean-Marc Niklaus analysiert die Unterschiede zwischen Schul- und Naturmedizin. Was die Anwesenden nicht wissen: Der als «Dr. med.» angekündigte und begrüsste Referent trägt seinen Titel zu Unrecht. Niklaus hat nie eine Dissertation abgeliefert; allein sein eidgenössisches Arztdiplom berechtigt ihn nicht zum Tragen des geschützten Doktortitels.

«Rechtswidrige» Praktiken
Beim Geld nimmts der Arzt genauer. Zum üblichen Honoraransatz schlug er letztes Jahr rund 20 Prozent drauf. Seine Begründung für die Patienten: Da jeder Psychologe im Anstellungsverhältnis mehr Lohn erhalte, als von den Kassen bezahlt werde, müsse er einen Ausgleich verlangen. «Dieser Ausgleich wird als Proportionalzuschlag bezeichnet und ist eine freiwillige Leistung der Krankenkassen. Sie müssen damit rechnen, dass Sie einen Teil selber übernehmen müssen.»

Solche Praktiken bezeichnet der Geschäftsführer des Zentralschweizer Krankenkassenverbands, Franz Wolfisberg, als «rechtswidrig» – egal, ob dieser Zuschlag fix oder als «freiwillig» deklariert sei. Hat der Krankenkassenverband Kenntnis von derartigen Verstössen, verwarnt er den betreffenden Arzt und fordert das zu viel bezahlte Geld zurück. Ob der Verband auch beim Zuger Gesundheitshaus interveniert hat, wollte Franz Wolfisberg gegenüber dem Beobachter nicht sagen. Aber: «Die Sache ist mir nicht ganz unbekannt.»

Auch mit dem Arbeitsrecht steht der selbst ernannte Doktor auf Kriegsfuss. Ehemalige Angestellte attestieren ihm eine überaus grosse Scheu vor schriftlichen Abmachungen. Alles bleibe mündlich und vage, was schon mehrfach zu unbezahlter Arbeit geführt habe. Und wer Kritik übe, der werde rausgemobbt, berichten Ex-Mitarbeiter. Die Personalfluktuation ist entsprechend hoch: Innert dreier Jahre waren 20 Therapeuten mit Teilzeitpensen für das Gesundheitshaus tätig – 14 sind wieder gegangen. Und mehr als einmal folgte einem Personalabgang ein juristisches Nachspiel.

Jean-Marc Niklaus sieht sich, angesprochen auf die Missstände in seiner Arztpraxis, als Opfer einer Kampagne ehemaliger Therapeutinnen: «Die wurden eifersüchtig, als meine Frau in die Praxis eingetreten war.» Niklaus spart nicht mit Kritik an seinen früheren Mitarbeiterinnen. Sie hätten hinter seinem Rücken Geschäfte getätigt und ihm auch anderweitig geschadet. Aus diesem Grund habe es eine «Reinigung» – sprich Kündigungen – gegeben. «Seither haben wir es toll im Gesundheitshaus.»

Die hohe Personalfluktuation wertet Niklaus als normal für einen Betrieb im Aufbau – von Mobbing will er nichts wissen. Und was die hohen Honorarforderungen betreffe, seien auch dafür ehemalige Mitarbeiterinnen verantwortlich. Nur: Honorarrechnungen stellt im Gesundheitshaus ausschliesslich Niklaus aus.

«Vorsicht, unbequemer Patient!»
Bezüglich Doktortitel hat Niklaus ebenfalls eine Antwort parat. Seine Dissertation sei «so gut wie gemacht, aber leider liegen geblieben». Zudem würden ihn nur Drittpersonen als «Doktor» bezeichnen. Dann und wann «rutsche» die Bezeichnung halt auch dem Sekretariat in ein Dokument.

Etwa in die Informations-Flugblätter, die der Mediziner als «Dr. Jean-Marc Niklaus» seinen Patientinnen und Patienten abgibt.

In einem solchen Patienten-Blatt schrieb «Dr.» Niklaus denn auch: «Eines ist mir als medizinischem Leiter des Gesundheitshauses glasklar: Ich habe von den ewigen Diskussionen über Listen, Tarife, Kantone, Verbände, Ausbildungen, Anerkennungen, Unterscheidungen, Teilübernahmen, Kostengutsprachen usw. die Nase voll!»

Ganz wohl scheint es Niklaus dabei aber nicht zu sein. Anders lässt sich ein im Gesundheitshaus gebräuchlicher Protokollierungscode – ein Dreieck mit Ausrufezeichen – kaum interpretieren. Es ist eine Art Frühwarnsystem und bedeutet: «Achtung, Patient unbequem, heikel, medienschaffend oder im Medizinbereich tätig.»