Zweimal monatlich erhalten die Patienten Hausbesuch vom Personal der Zuger Firma HTHC (High Tech Home Care). Rund 20 Pflegefachleute stehen in ihren Diensten und verabreichen den an den Erbkrankheiten Morbus Fabry und Morbus Gaucher leidenden Kunden per Infusion die benötigten Präparate. Je nach Dosierung betragen die Medikamentenkosten pro Patient und Monat zwischen 20'000 und 30'000 Franken, bezahlt von den Krankenkassen.

HTHC ist seit 2004 in mehreren Kantonen tätig und versorgt laut Geschäftsführer Christoph Schillo eine dreistellige Zahl von Patienten. Die private Betreuung erspart den Betroffenen Arztbesuche im Zweiwochenrhythmus – ihre Leber- und Nierenfunktionen sind beeinträchtigt, und weil sie nicht schwitzen können, dürfen sie sich nicht anstrengen oder hohen Temperaturen aussetzen. Die Firma leiste einen Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen, sagt Schillo. Statt beträchtlicher Arzthonorare fällt die Bezahlung der mit 40 Franken Stundenlohn entschädigten HTHC-Pflegefachleute an.
Lukrativ ist das Geschäft für die Firma dank der Medikamentenabgabe. Sie profitiert von der Marge zwischen dem Einkaufspreis und dem Betrag, den die Krankenkassen HTHC für die Präparate bezahlen – quasi eine Apotheke mit angestellten Pflegefachleuten.

Blüten des Föderalismus
Das Konzept hat einen Haken: Die Behörden wissen mancherorts nichts davon, obwohl es seit über zwei Jahren angewandt wird. Dem Bündner Gesundheitsamt etwa ist die Firma HTHC nicht bekannt. Dabei bedürften Angebote zur Pflege und Betreuung von betagten und kranken Personen einer Betriebsbewilligung, erklärt Gabriela Huber vom Gesundheitsamt. Ebenfalls bewilligungspflichtig sei «die Ausübung von Tätigkeiten, die Berufen des Pflegefachs zugeordnet sind».

Die Praxis unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Während die einen wie Graubünden eine Bewilligung voraussetzen, haben andere – zum Beispiel St. Gallen – lediglich eine Meldepflicht. Trotz dieser Vorgabe ist HTHC jedoch auch im Kanton St. Gallen nicht registriert. Auf Nachfrage erinnert man sich im Gesundheitsamt nur, dass sich einmal eine Angestellte der Firma aus eigener Initiative erkundigt habe, ob ihre Tätigkeit zulässig sei. In weiteren Kantonen wie Zürich braucht es nicht einmal eine Meldung an die Behörden – eine Berufszulassung der Pflegefachleute reicht aus, um Patienten zu Hause zu betreuen. Eine solche Regelung wirft allerdings weitere Fragen auf: HTHC-Mitarbeiterinnen sorgen sich, ob sie bei einem Zwischenfall oder einer Fehlmanipulation allein haften würden, wenn die Firma nicht einmal gemeldet ist.

HTHC-Geschäftsführer Schillo beruft sich darauf, dass in grossen Kantonen wie Bern und Zürich die Voraussetzungen für die Firmentätigkeit abgeklärt worden seien. «Wir erfüllen diese Bedingungen.» Das gelte auch für den Standortkanton Zug, wo die Firma zugelassen sei. Aufgrund des Binnenmarktgesetzes dürfe HTHC damit ihre Dienstleistungen in der ganzen Schweiz anbieten. Eine zweifelhafte Argumentation, denn gerade im Gesundheitswesen enthält das Binnenmarktgesetz zahlreiche Einschränkungen. Das Bündner Gesundheitsamt jedenfalls will den Fall untersuchen. «Wir treffen Abklärungen», sagt Gabriela Huber. Sie wundert sich über das Vorgehen der Firmenverantwortlichen, die sich nicht einmal über die Vorschriften in Graubünden erkundigt haben. «Sicherlich wäre es weitsichtiger gewesen, die Abklärungen bezüglich Bewilligungen in allen Kantonen durchzuführen», bekennt HTHC-Verwaltungsrätin Chantal Egger, einst Geschäftsführerin des Pharmaunternehmens Serono Schweiz. «Doch wir sind überzeugt, dass das Vorgehen aufgrund des Binnenmarktgesetzes nicht falsch oder fahrlässig ist.»

Egger und ihr Geschäfts- und Lebenspartner Schillo lassen sich nicht bremsen. Sie haben grosse Pläne mit der Firma: Das Betreuungsangebot soll auf Patienten mit Rheuma, Parkinson und multipler Sklerose (MS) ausgeweitet werden. Für den MS-Bereich hat HTHC bereits Ärzte für eine Zusammenarbeit gewinnen können. Ein internes Pflichtenheft für die HTHC-Angestellten regelt die Pflege der Patienten detailliert. Beispielsweise in der Anwendung der verschiedenen Medikamente. «Der Zeitaufwand für eine Erstinstruktion sollte eineinhalb Stunden nicht überschreiten», heisst es im Papier. Ausserdem: Weitere Kontakte erfolgten in festgelegten Abständen nach definierten Schemen und sollten den durchschnittlichen Zeitaufwand von einer Stunde pro Folgebesuch und einer Viertelstunde pro Telefonkontakt nicht übersteigen. Die zeitlichen Vorgaben seien als Leitlinien für die Pflegefachkräfte zu verstehen und basierten auf internationalen Erfahrungswerten, erklärt Schillo. Er betont, dass bei Bedarf und auf Patientenwunsch häufigere und längere Kontakte vereinbart würden.

Verwaltungsrätin Egger spricht gar von einem ganzheitlichen Ansatz mit seelsorgerischem Effekt, der sich durch die Betreuung zu Hause unter Einbezug der Angehörigen ergebe. Im Pflichtenheft allerdings ist eher die Wirtschaftlichkeit zentral: «Bei der Kontaktplanung (Besuche und Telefonate) hat die Nurse die Aufgabe, ihre Termine möglichst effizient zu planen. Wenn möglich sollte versucht werden, mindestens zwei Besuchstermine pro Tag in der gleichen Region zu kombinieren.»