Im Namen der Mission ist viel Unrecht geschehen. 1863 fand in Wyoming ein Massaker statt, dem hundert Arapaho-Indianer zum Opfer fielen. Feuerbefehl gab ein weisser Prediger. Später zwang man die Indianer, Schulen zu besuchen, an denen es verboten war, ihre Sprache zu sprechen – mit dem Ziel, sie zu «zivilisieren».

Noch heute höre ich häufig den Vorwurf: «Von deinem Gott will ich nichts wissen, denn in seinem Namen wurden wir geschlagen.» Oft lastet man der Mission aber auch Fehler an, die aus ganz anderen Gründen begangen wurden. Vieles passierte aus Habgier: Es ging um Gold, Erdöl, Bodenschätze und schliesslich um Landbesitz. Erst kamen die Pelzhändler, die mit Whisky bezahlten, dann die Soldaten, die die Einwohner vertrieben.

Ich gab Gott ein Versprechen
Dass ich als Missionar zu den Indianern ging, war Berufung. Bei einem Unfall verletzte ich mir als 20-Jähriger beide Knie. Die Ärzte sagten, ein Bein würde ich nie wieder bewegen können. Ich dachte: Gott, wenn es dich gibt, kannst du mich heilen – und wenn du das tust, werde ich den Rest meines Lebens dir dienen.

Er hielt sein Versprechen, also musste ich auch meines halten! Da ich nun wusste, dass es Gott gibt, wollte ich, dass auch andere Menschen Hilfe von ihm bekommen. Ich besuchte eine Bibelschule in Nordengland und das Bible College in London. Nach einer Konferenz in Amerika sah ich die Not und das Elend in den Reservaten. Leute von der Organisation Indians for Christ hörten eine meiner Predigten und baten mich, zu ihnen zu kommen.

Meine Frau Susanne und ich kündigten unsere Wohnung in der Schweiz und flogen mit unseren drei Kindern Lukas, Rebekka und Ephraim nach Kansas. Von da gings im Auto weiter nach Riverton. Die Stadt liegt im Wind-River-Reservat der Arapaho- und Shoshonen-Indianer. Das ganze Reservat hat ungefähr die Fläche der Deutschschweiz.

In den Wäldern der Berge leben wilde Tiere wie Bären, Wölfe, Berglöwen, Kojoten, Klapperschlangen und Adler. Riverton selbst ist eine moderne amerikanische Stadt mit etwa 10000 Einwohnern und schnurgeraden Strassen, an denen sich ein Geschäft ans andere reiht.

Was als Erstes auffällt, sind die vielen betrunkenen Indianer in verschlissenen Jeans und T-Shirts. Sie entsprechen leider nicht dem Bild der stolzen Leute, sondern betteln einen auf der Strasse oft um Kleingeld an. Bedauerlicherweise ist die Mehrzahl der Indianer alkohol- oder drogenabhängig, weil sie eine totale Leere im Leben haben, keine Arbeit und keine Perspektive. Die meisten leben in Trailerparks – in einer Anhäufung von riesigen Wohnwagen, die sie hinter sich her ziehen, wenn sie an einen andern Ort wollen.

«Vor einigen Jahren haben sie hier einen Missionar erschossen», sagte uns ein weisser Pastor in Riverton zum Empfang. «Dem nächsten haben sie die Scheune angezündet – und ihr kommt hierher?» Jemand anders wäre vielleicht gleich wieder umgekehrt. Aber wir sagten uns, bei einer Berufung rennt man nicht einfach weg.

Wir zogen in ein billiges Vier-Zimmer-Holzhäuschen. In der Garage richtete ich mein Büro ein. Bei meinem ersten Einsatz im Stadtpark, wo auch die Betrunkenen herumhängen, lud mich ein Indianer ein, in seinem Sprachcamp für Kinder zu sprechen – meine Botschaft über die Gemeinsamkeiten der alten indianischen Zeichen mit biblischen Symbolen sei interessant.

Es braucht Vertrauen
Wir kamen den Indianern nur langsam näher. Ihnen wurde so viel zerstört, dass sie nur ungern etwas von sich und ihrer Kultur preisgeben – sie fürchten, dass der weisse Mann wieder Unfug damit treibt.

Es dauerte einige Jahre, bis sie uns allmählich Vertrauen schenkten. Heute darf ich bei einigen Familien ein- und ausgehen, wie es nach altem Brauch üblich ist: Du kannst hereinkommen, ohne zu klopfen, und darfst mitnehmen, was du brauchst.

Die Annäherung war nur möglich, weil ich ihre Kultur respektiere. Denn wir können nicht als Christen der Welt sagen, wie sie sich zu benehmen hat, egal, in welcher Kultur wir arbeiten.

Ich entdeckte auch viele Gemeinsamkeiten: Die Indianer wissen vom Grossen Geist, der die Welt erschaffen hat. Sie erwarten einen Messias, einen Erlöser. Und sie wissen von Himmel und Hölle. Sie haben Legenden, die den biblischen Geschichten sehr ähnlich sind.

Inzwischen überlassen mir die Indianer ihre Kinder für einwöchige Sommercamps im Gebirge. Jedes Jahr kommen so über 50 Kinder in den Genuss eines abenteuerlichen Ferienlagers, das sie sich sonst nicht leisten könnten.

Ubers Jahr erreiche ich rund 250 Kinder aus verschiedenen Stämmen. Ich fahre hinaus in ihre Siedlungen und veranstalte wöchentlich «Sunshine Clubs»: eineinhalb Stunden Singen, Basteln und Spielen. Dort erzähle ich aus der Bibel – innerhalb zweier Jahre komme ich von der Schöpfung bis zu Jesus –, dazwischen lese ich indianische Geschichten vor.

Schiessereien sind häufig
Ich mache auch noch Gefängnisarbeit. Leider finde ich da viele meiner früheren Klubkinder wieder. Unser County hat eine der höchsten Kriminalitätsraten der ganzen USA – vor allem im Bereich Mord, dazu gibt es überdurchschnittlich viele Selbstmorde, Teenagerschwangerschaften und Drogenopfer.

Schiessereien mitten auf der Strasse sind häufig. Mir wurde auch schon eine Pistole vors Gesicht gehalten, als ich zwischen zwei rivalisierende Clans geriet. Da ist es schön zu sehen, dass Indianer, die Jesus in ihr Leben aufgenommen haben, sich gegenseitig vergeben und damit Jahrhunderte alte Fehden begraben konnten. Ein Mensch, der mit Gott Frieden hat, hat auch mit den Menschen Frieden. Und das führt zu einem sozialen Frieden im Volk.

Aber auch heute noch – nach über 100 Jahren – bestehen grosse Probleme zwischen Weissen und Indianern. Die Wunden der Indianer sind immer noch offen, und das bleiben sie auch – durch das System der Reservate, wo sie von den Weissen separiert sind. Eigentlich eine Art von Apartheid. Zudem bringen die Zahlungen der Regierung die Native Americans nur noch mehr in die Abhängigkeit. Es gibt viel zu wenig Arbeitsplätze, dafür ein chaotisches Durcheinander mit Subventionsgeldern. Dazu kommt die Korruption.

Ich bemühe mich, ihnen im täglichen Leben zu helfen, bringe ihnen Kleider, Lebensmittel, unterrichte sie über die Folgen von Alkohol- und Drogenmissbrauch. Eine Indianerin sagte mir einmal: «Seit du hier bist, haben wir weniger Probleme in unserer Siedlung.»

Man kann eben nicht nur das Evangelium bringen, sondern muss auch Hilfe für das konkrete Leben anbieten. Denn der Glaube ohne Werke ist tot. Es muss ein lebendiger Glaube sein.