Ruth E. (Name der Redaktion bekannt) ist sauer auf ihren Anwalt. Sie hat ihn damit beauftragt, ihre Interessen in einem ihrer Meinung nach einfachen Rechtsfall zu vertreten. Doch nun geht die Sache nicht vorwärts, und die Honorarkosten haben bereits ein grosses Loch ins Portemonnaie gerissen.

Am meisten regt sich Ruth E. aber über die Art und Weise auf, wie ihr Rechtsbeistand das Mandat geführt hat: «Er hat sich eine Ewigkeit nicht gemeldet, und die von seiner Sekretärin versprochenen Anrufe habe ich nie erhalten. Wenn ich ihn dann endlich am Telefon hatte, hörte er mir gar nicht richtig zu.» Zudem werde sie das Gefühl nicht los, dass er sich am meisten für sein Honorar interessierte. «Sonst hätte er kaum schon an der ersten Sitzung einen Kostenvorschuss verlangt», sagt Ruth E.

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Anwälte darf man kritisieren
Kein Einzelfall: Regelmässig gehen beim Beratungszentrum des Beobachters Anfragen wegen Problemen mit Anwältinnen und Anwälten ein, die sich genau um die von Ruth E. geschilderten Punkte drehen.

Wer meint, nur sensible Privatpersonen kämen mit ihren Rechtsvertretern nicht zurecht, täuscht sich. Eine Befragung von Kaderleuten in der Wirtschaft, publiziert im Mai 2001 in der Fachzeitschrift «Allgemeine Juristische Praxis», hat bezüglich Wirtschaftsanwälten genau dieselben negativen Erfahrungen zutage gebracht. Die Hauptvorwürfe: Die Anwaltskosten seien nicht kalkulierbar, die Rechnungen nicht transparent, die Kommunikation mit den Rechtsexperten sei schwierig, und diese seien vielfach nicht erreichbar.

Wie also soll man vorgehen, damit das Mandat nicht wie bei Ruth E. in einem Fiasko endet? Zunächst sollte man abklären, ob eine professionelle Vertretung nötig und sinnvoll ist. Dafür kann man sich an eine der vielen Beratungsstellen wenden. Dazu gehören besonders die Rechtsauskunftsstellen der kantonalen Anwaltsverbände, der Gerichte oder Interessenverbände, zum Beispiel des Mieter- oder des Hauseigentümerverbands, der Gewerkschaften, der Berufsverbände oder Patientenorganisationen. Abonnentinnen und Abonnenten des Beobachters können sich auch über die Hotline unseres Beratungszentrums informieren.

Danach muss man eine geeignete Anwältin oder einen Anwalt finden. Leichter gesagt als getan, denn Rechtsanwälte dürfen nur sehr eingeschränkt für sich werben. Man findet keine Inserate wie «Erfahrene Erbrechtsanwältin berät Sie zu günstigen Tarifen». Hier helfen andere Quellen weiter: Viele kantonale Anwaltsverbände, so zeigt die Umfrage des Beobachters, nennen auf Anfrage geeignete Anwältinnen und Anwälte. Auch die erwähnten Interessenverbände kennen entsprechend versierte Rechtsexperten. Sowohl auf der Homepage des Schweizerischen Anwaltsverbands wie der Demokratischen Juristinnen und Juristen kann man Anwälte nach Fachgebiet und Region suchen. Übrigens: Der Beobachter kann ebenfalls zu vielen Rechtsfragen geeignete Personen vermitteln. Schliesslich lohnt es sich, im Bekanntenkreis nach guten Erfahrungen mit Anwälten zu fragen.

Der nächste Schritt ist die gründliche Vorbereitung auf das erste Gespräch. Je klarer man das Problem schildert, umso schneller gelingt der Anwältin der Einstieg in den Rechtsfall. Das spart Kosten. Nützlich ist es, vor dem ersten Termin eine kurze Zusammenfassung des Problems zu erstellen und sämtliche Unterlagen chronologisch zu ordnen. Auch eine Liste mit Fragen, die man beantwortet haben möchte, ist sinnvoll. Zum Beispiel:

  • Ist die Anwältin interessiert, und hat sie genügend Zeit, den Fall zu übernehmen?

  • Wie beurteilt sie die Erfolgsaussichten?

  • Gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Problem zu lösen, und welches sind die nächsten Schritte?

  • Was kann man selber dazu beitragen, um Kosten zu sparen?

  • Wie lange könnte der Streitfall dauern?

  • Wie wird die gegenseitige Information organisiert? (Achtung: Jeder Anruf des Klienten erhöht die Rechnung.)


Im ersten Gespräch Klartext reden

Wichtigste Regel für das erste Gespräch ist, dass man von Anfang an ganz offen mit der Anwältin oder dem Anwalt redet und keine Tatsachen verschweigt. Das Berufsgeheimnis, dem Anwälte unterstehen, garantiert, dass sie alles, was sie von Klienten erfahren, vertraulich behandeln. Bei der Schilderung seien, so betont Peter von Ins, Fürsprecher in Bern, auch Fakten einzubeziehen, die einem selbstverständlich oder unwichtig erscheinen. «Gestützt auf sein Fachwissen und seine Erfahrung, entscheidet der Anwalt, welche Informationen ihm für die juristische Argumentation oder das Vorgehen wichtig sind», sagt von Ins.

Zudem verfälschen fehlende Informationen die Kostenschätzung. «Es gibt immer wieder Klienten, die vor dem Scheidungsverfahren versichern, es seien bereits alle Punkte mit der Gegenpartei besprochen und man sei sich einig», sagt Patrick Wagner, Sekretär des Aargauischen Anwaltsverbands. «Dann aber stellt sich heraus, dass keineswegs Einigkeit besteht und hin und her verhandelt werden muss. Das kann die Kosten massiv erhöhen.»

Ergibt das erste Gespräch, dass die Angelegenheit von einem Rechtsexperten weiterverfolgt werden muss, sollten auch die Kosten thematisiert werden. Dazu Matthias Schmid, Sekretär des St. Gallischen Anwaltsverbands: «Es ist wichtig und richtig, dass der Klient die Kosten zur Sprache bringt, wenn der Anwalt das nicht von sich aus macht.»

Noch immer verlangen viele Anwälte einen Kostenvorschuss, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Damit soll der Klientin der Preis der Dienstleistung bewusst gemacht werden. «Aber der Vorschuss muss angemessen sein, zum Beispiel dem Arbeitsaufwand eines Monats entsprechen», betont Matthias Schmid.

Auch ein mündlicher Vertrag gilt
Vereinbaren Klient und Anwältin eine Zusammenarbeit, kommt ein Auftragsverhältnis im Sinn des Obligationenrechts zustande. Einen schriftlichen Vertrag braucht es dazu nicht, denn der Auftrag kann auch mündlich abgeschlossen werden. Mit der Annahme verpflichtet sich der Anwalt, das Mandat nach den Weisungen des Klienten zu erledigen. Dabei kann er keinen Erfolg garantieren, ist aber zur Sorgfalt verpflichtet, sonst wird er gegenüber dem Auftraggeber schadenersatzpflichtig.

Allerdings ist das Vorgehen gegen eine Anwältin oder einen Anwalt ein schwieriges Unterfangen. Es empfiehlt sich, vor einem aufwändigen Haftungsprozess eine Zweitmeinung einzuholen – und zwar von einem unabhängigen Juristen, der allenfalls in einem anderen Kanton tätig ist.

Die Anwältinnen und Anwälte können jedoch nicht schalten und walten, wie sie wollen, denn sie unterstehen der staatlichen Aufsicht: Die kantonalen Aufsichtsbehörden ahnden Verstösse gegen die Anwaltsgesetze. Dabei können sie Verweise und Ordnungsbussen aussprechen oder – bei schwerwiegenden Verfehlungen – sogar das Anwaltspatent entziehen.

Daneben verfügen die meisten Anwaltsverbände über eigene Aufsichtsgremien, an die man bei Reklamationen gelangen kann. Aufgepasst: Nicht bei allen Verbänden ist diese Dienstleistung gratis. Es ist deshalb ratsam, sich vorher über allfällige Kosten zu informieren.

Frühzeitig den Kontakt suchen
Keine Kosten entstehen, wenn man sich ohne fremde Hilfe einigt. Bevor man sich also mit einer Rüge an eine Drittstelle wendet, sollte man seinem Anwalt offen darlegen, womit man nicht einverstanden ist.

Für diesen Direktkontakt spricht nach Ansicht von Patrick Wagner noch ein weiterer Grund: «Nach unseren Erfahrungen liegen in den meisten Beschwerdefällen keine Verstösse gegen die Standesregeln vor.» Häufiger seien Missverständnisse Auslöser für das schlechte Klima. «Allerdings gibt es auch Anwälte, die der Notlage, aus der sich Klienten an sie wenden, zu wenig Rechnung tragen», sagt Wagner. Ein Anwalt, der die Klientin wie im Fall Ruth E. derart hängen lässt, dürfte deshalb vom Verband einen Rüffel kassieren.

Honorare: Transparenz ist gefragt

Wer den Elektriker ins Haus holt, um neue Steckdosen montieren zu lassen, fragt im Voraus, wie viel das etwa kosten wird. Genauso selbstverständlich, sagt Kurt Zollinger, Sekretär des Zürcher Anwaltsverbands, sollte das Thema Geld beim ersten Gespräch mit einer Anwältin oder einem Anwalt behandelt werden.

Der Preis für die Dienstleistung des Anwalts hängt davon ab, ob er seine Klientin vor Gericht vertritt (forensische Tätigkeit) oder ob er lediglich beratend tätig wird.

Bei einer gerichtlichen Vertretung regeln kantonale Vorschriften die Anwaltskosten. Diese Tarife geben vor, wie viel die Anwältin für ihre Arbeit verlangen darf; sie basieren in der Regel auf dem Streit- oder Interessenwert. Das heisst: Je grösser der Streitwert, umso höher die Anwaltsrechnung.

Möchte man eine Anwaltsrechnung überprüfen lassen, weil sie einem zu hoch erscheint, kann man sich an das Gericht wenden, das in letzter Instanz geurteilt hat. Es prüft, ob der verlangte Ansatz mit der Tarifordnung übereinstimmt.

Anders sieht es aus, wenn ein Anwalt beratend tätig ist. Beispiele: Er entwirft einen Vertrag, verfasst ein Testament oder hilft bei einer Firmengründung. Für diese Arbeit können Klientin und Anwalt das Honorar frei vereinbaren. Der Stundenansatz schwankt je nach Region, Renommee, Lage und Einrichtung der Kanzlei, Spezialisierung des Anwalts, zum Teil auch nach Streitwert. Besondere Schwierigkeiten (wie ausländisches Recht) oder Dringlichkeit verteuern den Stundenansatz.

Empfindet man eine solche Honorarrechnung als zu hoch, kann man sich je nach Kanton an den ansässigen Anwaltsverband wenden. Wenn eine Rechnung krass übersetzt ist und deshalb möglicherweise sogar gegen die Standesregeln verstösst, kann die Beschwerde auch ein Disziplinarverfahren auslösen. So oder so aber ist klar: Ein klientenfreundlicher Anwalt...

  • informiert beim ersten Gespräch über den Stundenansatz (inklusive Mehrwertsteuer) und erläutert die kantonale Tarifordnung

  • schätzt den voraussichtlichen Arbeitsaufwand ab und informiert rasch, wenn sich höhere Kosten abzeichnen

  • weist auf allfällige Gerichts- und weitere Kosten hin (so auch auf die Kosten des Gegenanwalts)

  • verlangt – wenn überhaupt – angemessene Kostenvorschüsse (gegen Quittung) und erstellt regelmässige Zwischenabrechnungen

  • ist bereit, eine Kostenlimite zu fixieren

  • erstellt eine aussagekräftige und transparente Rechnung.


Übrigens: Beim Anwalt ist bereits das Erstgespräch kostenpflichtig. Doch Klienten zahlen nur die Zeit, die der Anwalt für sie arbeitet; Sekretariatsarbeit ist im Stundenansatz inbegriffen.