«Nun will sich Arpagaus auch noch das Pflegegeld unter den Nagel reissen», sagt Miriam Knöpfel. Im Oktober 2001 hatte ihre Familie den neunjährigen Silvio (Name geändert) als Pflegekind aufgenommen. Vermittelt worden war ihnen der Bub von Armin Arpagaus, Vertreter der sogenannten «Stiftung für das Kind und Jugendliche». Dass weder das Pflegeverhältnis noch die finanziellen Belange schriftlich festgehalten worden waren, habe sie zuerst schon etwas verwundert, sagt Knöpfel: «Ich habe mich ein paarmal nach erforderlichen Papieren erkundigt, aber er hat immer nur abgewiegelt.»

Sie gab sich mit Arpagaus’ Ausflüchten zufrieden − auch, da er das vereinbarte Pflegegeld von 70 Franken pro Tag termingerecht überwies. Arpagaus selbst liess sich seine Dienste von der Gemeinde mit weiteren 90 Franken pro Tag vergüten.

Mit der Zeit seien Arpagaus’ Weisungen zunehmend seltsam geworden, sagt Knöpfel. Er habe der Pflegefamilie etwa verboten, sich direkt mit den Eltern oder dem Beistand des Kindes in Verbindung zu setzen, und verlangt, dass alle schulischen und ärztlichen Kontakte über ihn zu laufen hätten. «Ausserdem bestand er darauf, den Buben einmal wöchentlich persönlich zur Psychotherapie zu bringen.»

Umstrittenes Schweigegebot
Knöpfel hatte den Eindruck, dass diese Sitzungen wie auch die Medikation nicht gut für Silvio waren. In Absprache mit dem Kinderarzt setzte sie deshalb das Ritalin ab, das der Bub bis dahin bekam. Als Arpagaus davon erfahren habe, sei er ausgerastet: «Er tobte, sagte, ich hätte meine Kompetenzen überschritten, und drohte, das Kind abzuholen.»

Die Pflegemutter, die inzwischen grosse Zweifel an Arpagaus’ Qualifikationen hegte, fand heraus, dass dessen Stiftung weder der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht noch dem Handelsregisteramt des Kantons Schwyz bekannt war. Überdies führte er den Titel «Berater SGGT», ohne über ein entsprechendes Diplom zu verfügen, wie ihr die Schweizerische Gesellschaft für personenzentrierte Psychotherapie und Beratung (SGGT) bestätigte.

Knöpfel informierte den Kinderarzt, der sich mit einem eindringlichen Brief an den zuständigen Beistand Erwin Wälter wandte. Der Arzt kritisierte unter anderem Arpagaus’ Schweigegebote sowie dessen Einmischung in medizinische Entscheide. Wälter kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit Arpagaus auf: «Ausschlaggebend war die Summe der Vorwürfe sowie die Tatsache, dass Silvio grosse Angst vor Arpagaus hatte», sagt Wälter. Auf seinen Bericht hin untersagte die Vormundschaftsbehörde von Sevelen Arpagaus jeden weiteren Kontakt zu dem Jungen.

Arpagaus sieht sich selbst als Opfer
Arpagaus reagierte mit einer Klage gegen die Gemeinde. Diese bezahlte in einem Vergleich für die Monate Februar bis April 2002 90 Franken pro Tag an seine Stiftung. Das Pflegegeld von 70 Franken pro Tag überwies Sevelen zu Knöpfels Gunsten auf ein Sperrkonto, über das Arpagaus nur gemeinsam mit der Gemeinde verfügen kann. Nach fünf Jahren verlangt er nun die Herausgabe des Guthabens für sich, da er sich im Fall Silvio selbst als Opfer sieht: Die Pflegefamilie habe aus Geldgier Vertragsbruch begangen - konkreter wird er nicht. Schon im August 2002 hatte er im Namen der sogenannten Stiftung 25'000 Franken Entschädigung von Knöpfels gefordert.

In der Zwischenzeit hat sich Armin Arpagaus weiterhin als Kindervermittler betätigt. 2004 zeigte ihn eine 17-jährige Bewohnerin seines privaten Heims im thurgauischen Amriswil wegen Körperverletzung an, worauf das Heim geschlossen und Arpagaus wegen Freiheitsberaubung zu 14 Tagen bedingt verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; in zweiter Instanz beschäftigt sich das Thurgauer Obergericht mit dem Fall.

Dass fragwürdige Pflegeplatzvermittler überhaupt an Kinder kommen, liegt an der fehlenden Kontrolle. «Die gesetzlichen Vorgaben zu Aufsicht und Bewilligung solcher Anbieter fehlen», sagt Marianne Keller von «Espoir». Der in der Region Zürich tätige Verein übernimmt neben der Vermittlung von Pflegeplätzen und Notfallplatzierungen auch Aufträge für sozialpädagogische Familienbegleitung. Um die Gesetzeslücken zu kompensieren, hat «Espoir» mit anderen Organisationen verbindliche Qualitätsstandards erarbeitet. Während die Stadt Zürich nur noch mit solchen Partnern zusammenarbeitet, haben kleinere Gemeinden oft keine professionellen Anlaufstellen. «Deshalb sollten die Kantone kontrollierte Anbieter mit einem Leistungsauftrag betrauen», fordert Keller.

Der Bund sieht keinen Handlungsbedarf
Auch Kathrin Barbara Zatti von der Pflegekinder-Aktion Schweiz, die für das Bundesamt für Justiz einen Bericht über das Pflegekinderwesen verfasst hat, bemängelt die fehlende Aufsicht über Anbieter von Pflegeplätzen. Trotzdem sieht der Bundesrat derzeit keine Notwendigkeit, die Pflegekinderverordnung diesbezüglich zu revidieren.

Arpagaus will gegenüber dem Beobachter zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Derzeit bietet der 44-Jährige auf den Webseiten krisen-management.ch und teenhelp-schweiz.ch seine Dienste an - und nennt sich «ausgebildeter Familienberater SGGT». Frank Margulies, Präsident der SGGT, lässt aber keinen Zweifel: «Unsere Gesellschaft vergibt diesen Titel gar nicht. Zudem ist Herr Arpagaus nicht Mitglied und somit nicht berechtigt, den Zusatz SGGT zu führen.»