«Gönnen Sie sich und Ihrer Familie Sicherheit – werden auch Sie Gönner oder Gönnerin der Rega.» Jeder vierte Schweizer nahm sich 1999 den Aufruf der Schweizerischen Rettungsflugwacht zu Herzen und spendete 30 Franken. Satte 60 Millionen Franken kamen so zusammen. Selbst Verstorbene gedachten der «Retter der Lüfte» und vermachten ihnen weitere 13 Millionen Franken.

Damit die jüngst verschickten Einzahlungsscheine für den Gönnerbeitrag 2000 nicht im Müll landen, stimmt die Rega auch diesen Frühling wieder den altbekannten Refrain an: Wenn die Gönner nicht zahlen, können die Rettungshelis nicht fliegen.

Das will niemand. Wer würde einen denn holen, wenn man mit gebrochenen Knochen irgendwo in den Bergen liegt? Unbestritten ist: Die Rettungsflugwacht hilft rasch und wirkungsvoll. Das verdient Anerkennung.

Geld ist im Überfluss vorhanden

Doch ein genauer Blick unter die Rettungsdecke fördert auch Zweifelhaftes zutage: kostspielige Einkäufe, ein undurchsichtiges Firmengeflecht und fragwürdige kommerzielle Tätigkeiten. Doch alles der Reihe nach.

Im Lauf ihrer bald 50-jährigen Geschichte hat die Rega einen regelrechten Schatz angehäuft. In den Jahresrechnungen ist davon allerdings wenig zu sehen. Zwar weist die Rechnung 1999 einen Ertragsüberschuss von 42,6 Millionen Franken aus. Aber die Retter besitzen weit mehr, als sie verraten: 

  • Die Rega besitzt zurzeit drei Rettungsflugzeuge, deren Wert sich laut Branchenkennern auf rund 39 Millionen Franken beläuft. Dazu kommen 14 Augusta-Helikopter im Wert von etwa 90 Millionen Franken. Keine einzige der 17 Maschinen erscheint in der Bilanz. «Alle Luftfahrzeuge sind auf je einen Franken abgeschrieben. Deshalb tauchen die 17 Franken in der Rechnung nicht mehr auf», erklärt Rega-Finanzchef Roland Ziegler.

  • Ein Geheimnis macht die Rega auch aus ihrem Immobilienbesitz. Die Rega-Zentrale in Kloten – 1997 für 20 Millionen Franken gebaut – und die fünf eigenen Helikopterbasen mit einem geschätzten Wert von je zwei Millionen Franken sind in der Bilanz mit mickrigen 275'000 Franken bewertet. Auch hier gilt bei der Rega: gekauft – und schwupps schon fast abgeschrieben.


Auf diese Weise hat sich ein Vermögen von weit über 100 Millionen Franken angesammelt, das nirgends in der Bilanz zu finden ist. Das ist schön für die Rega – und es zeigt, wie gut es ihr geht. Zu gut?

Da die Rega als gemeinnützige Organisation kein Geld anhäufen darf, gibt sie es aus. So baut sie die ohnehin schon grosse Infrastruktur immer weiter aus und kauft in regelmässigen Abständen immer noch grössere, noch bessere Helikopter und Flugzeuge. Den Fünfer umdrehen muss sie dabei offensichtlich nicht.

Ein Beispiel: 1989 beschloss der Stiftungsrat den Kauf von 15 neuen Augusta-Helikoptern des Typs A 109 K2. Doch statt die neuen Hubschrauber mit Fluginstrumenten auszurüsten, die auf dem Markt zu normalen Preisen erhältlich gewesen wären, entschied sich der damalige Rega-Vizepräsident und alt Korpskommandant Kurt Bolliger für kostspielige Spezialanfertigungen. Die Sonderwünsche der Rega verteuerten die neue Heliflotte um mehrere Millionen Franken.

Unter anderem erwarb der Exchef der Fliegertruppen für jeden der 15 Helikopter ein digitales Kartendarstellungssystem, in Fachkreisen Map-Display genannt. Doch die High-Tech-Geräte zum Stückpreis von einer Viertelmillion Franken kamen nie in die Luft. Stattdessen lagerten die heiklen Apparate jahrelang ungebraucht in einem Hangar. Der Grund: Die erforderliche Zertifizierung durch das amerikanische Luftamt fehlte.

Millionen in den Sand gesetzt

1999 baute die Rega endlich Map-Displays ein. Die Wahl fiel allerdings auf ein anderes Modell. Die gelagerten Geräte seien nicht Jahr-2000-tauglich gewesen, sagt Hans-Peter Kurz, Rega-Geschäftsleiter und ehemaliger Oberst im Generalstab. Symptomatisch dabei: Weder das Debakel rund um die vergeblich gekauften Geräte noch der Kauf der neuen Map-Displays wurde je in einem Jahresbericht erwähnt.

Dafür sind bereits die nächsten Investitionen geplant: In Dübendorf ZH und auf dem Flughafen Basel-Mülhausen sollen zwei neue Helikopter-Stützpunkte gebaut werden. Geschätzte Investitionskosten pro Basis: zwei bis drei Millionen Franken. Und zum 50. Geburtstag im Jahr 2002 will sich die Rega einen neuen Jet gönnen. Kein Problem: Bereits liegen 119 Millionen Franken für die Beschaffung von Luftfahrzeugen auf der hohen Kante. Allein letztes Jahr legte die Rega zu diesem Zweck 36 Millionen Franken in die Schatztruhe. Zur Zeit werde «evaluiert», welche Maschine in Frage komme.

Die teuren Investitionen haben unangenehme Nebenwirkungen: Sie kurbeln die Kosten weiter an. Denn die wachsende Infrastruktur führt zu immer teureren Flugpreisen. Um den Flugminutenpreis festzulegen, werden die Betriebskosten mit einbezogen. Die Folge: Je mehr die – bereits überhöhten – Betriebskosten steigen, desto teurer werden die Flüge. Kostete eine Flugminute 1972 noch Fr. 17.50, schlägt sie heute bereits mit 90 Franken zu Buche. Zum Vergleich: Bei der Air Zermatt kostet eine Flugminute 64 Franken.

Eine heikle Doppelrolle spielt in diesem Zusammenhang FDP-Nationalrat Franz Steinegger: Er sitzt nicht nur im Stiftungsrat der Rega, sondern präsidiert auch den Verwaltungsrat der Suva, die mit vier Personen in der zehnköpfigen Medizinaltarifkommission (MTK) vertreten ist. Diese Kommission wiederum segnet die Flugminutentarife ab, die die Rega den Versicherungen verrechnen darf.

Ob die Rega mit dieser Verrechnungspraxis auch in Zukunft durchkommt, ist allerdings fraglich: Bereits bei den letzten Tarifverhandlungen zwischen der MTK und der Rega hielt der Preisüberwacher fest, dass er bei einer erneuten Preiserhöhung die Tarifstruktur genau unter die Lupe nehmen wolle. Aufgrund der Beobachter-Recherchen passiert das vielleicht schon vorher. «Allenfalls werden wir die Sache schon früher überprüfen», bestätigt Rafael Corazza von der Preisüberwachung.

Sonderflüge für betuchte Kunden

Wer die Rettungsflugwacht und ihre Finanzen unter die Lupe nimmt, hat viel zu tun. Denn hinter der Stiftung verbirgt sich ein regelrechtes Firmengeflecht. Die Rega hat mehrere Tochterfirmen, die ebenfalls Geld erwirtschaften. Die Öffentlichkeit weiss davon wenig.

Den Gönnerinnen und Gönnern noch am ehesten bekannt ist die SAA Ltd., im Handelsregister als Schweizerische Luft-Ambulanz AG eingetragen. Die Jahresrechnung der SAA Ltd. ist denn auch in der Rega-Rechnung integriert. Über diese Tochterfirma wickelt die Rega ihr ganzes Fluggeschäft ab, und dieser Firma gehören die Luftfahrzeuge.

Was die meisten Gönner jedoch nicht wissen: Die SAA holt nicht nur in Not geratene Menschen nach Hause, sie fliegt auch gegen Bezahlung. Vornehmlich Ölscheichs und neureiche Russen buchen Rega-Jets, um sich von Dubai oder Moskau in eine teure Privatklinik nach Amerika transportieren zu lassen. Exakt 149'146 Franken zahlt ein Ölscheich aus Dubai laut Rega-Homepage für einen Flug nach Rochester/Minnesota. Ab einem Jahresumsatz von 900'000 Franken gibt es für «Grosskunden» neun Prozent Rabatt.

Nur: Wenn ein Rega-Jet gerade einen Ölscheich – der bestimmt kein Rega-Gönner ist – von Dubai nach Rochester pilotiert, steht das Flugzeug dem kranken Gönner auf Ibiza nicht zur Verfügung. Für Rega-Chef Hans-Peter Kurz ist das alles kein Problem: «Solche Flüge dienen der besseren Auslastung der Mittel und sind somit auch im Interesse des Gönners.»

Ebenfalls den Gönnern zugute kommen angeblich die anderen Tochterfirmen, etwa die Airmed AG. Im Jahresbericht der Rega taucht sie – ohne beim Namen genannt zu werden – unter der Rubrik Beteiligungen mit 100'000 Franken auf. Das entspricht ihrem Aktienkapital.

Doch dahinter steckt bedeutend mehr: Die Airmed AG ist eine reine Beteiligungsfirma und bildet das Dach für weitere Rega-Töchter – die Alp Air AG, die Plane Rental AG, die Caretel AG und die Medicall AG. Welche Aufgaben diese Firmen haben, wie viel sie erwirtschaften und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen, wird im Rega-Jahresbericht nicht verraten. Für Nichteingeweihte – und damit auch für die 1,5 Millionen Gönnerinnen und Gönner – ist auch nicht ersichtlich, wie die Geldströme fliessen. Rega-Chef Kurz bestreitet das: «Jedermann kann sich ohne weiteres über die entsprechenden Geldflüsse informieren.»

Versteckspiel um die Finanzen

Tönt gut. Als der Beobachter die Rettungsflieger jedoch beim Wort nehmen will, beginnt das Taktieren: Man könne die Jahresrechnungen der Rega-Töchter per Post schicken, meint Hans-Peter Kurz in einer Besprechung – aber nur, wenn der jeweils zuständige Verwaltungsrat zustimme. Ein paar Stunden später nimmt die Rega dieses Angebot per Faxmitteilung wieder zurück: «Diese Unterlagen werden aus grundsätzlichen Uberlegungen nicht an Dritte abgegeben.» Der Beobachter könne sie aber im Rega-Zentrum einsehen – mit einer Ausnahme: «Bei der Medicall haben wir nur 30 Prozent der Aktien», erklärt Hans Peter Kurz. Da könne die Rega nichts entscheiden.

Das ist schlicht falsch. Zwar verfügt die Rega – respektive deren Tochtergesellschaft Airmed AG – tatsächlich nur über 30 Prozent des Aktienkapitals. Sie besitzt aber 71 Prozent der Stimmrechtsaktien. Kommt dazu, dass Rega-Finanzchef Roland Ziegler und Rega-Stiftungsrat Albert Keller im dreiköpfigen Verwaltungsrat der Medicall AG sitzen. Im Klartext: Die Rega sagt, wo es in der Medicall lang geht.

Trotzdem will Rega-Finanzchef Ziegler auch in seiner Funktion als Medicall-Verwaltungsrat die Bücher nicht herausrücken und verweist an Verwaltungsratspräsident Philip Funk. Doch auch dieser verspürt wenig Lust, die Rechnungsbücher auf den Tisch zu legen: Dazu müsse er an der Generalversammlung im Mai zuerst die Aktionäre befragen.

Die Botschaft ist klar: Die Öffentlichkeit soll über die Rega-Tochter nichts Genaueres erfahren.

Konkurrenz durch Kauf eliminiert

Dabei spielt die Medicall AG im Firmengeflecht der Rettungsflugwacht eine wichtige Rolle. Ursprünglich war sie eine selbstständige, kommerziell tätige Firma. Sie besass im Gegensatz zur Rega keine Luftfahrzeuge und suchte bei einer Rettung jeweils nach Lösungen vor Ort oder engagierte für Rücktransporte eine kostengünstige Organisation.

Das Konzept hatte Erfolg: Viele Krankenkassen und Versicherungen arbeiteten mit ihr zusammen. So mauserte sich die Medicall AG in den letzten zehn Jahren zum grössten Rega-Konkurrenten. Jahresumsatz: 20 Millionen Franken.

Doch im Dezember 1998 erwarb die Rega – mehr oder weniger unbemerkt von der Öffentlichkeit – die Mehrheit an der Medicall AG. Der Zweck der Ubernahme verrät ein Rega-internes Papier, das dem Beobachter vorliegt: «Der Kauf eliminiert einen Marktgegner und produziert zusätzliche Flugstunden für die Rega.»

Die Rechnung ist aufgegangen: Die Konkurrenz ist ausgeschaltet, die Rega hat wieder das Monopol inne – und ein Jahr nach der Medicall-Ubernahme verzeichnet die Rettungsflugwacht 29 Prozent mehr Repatriierungsflüge als ein Jahr zuvor.

«Wir sind eine Non-Profit-Organisation», heisst es in einer der vielen Rega-Broschüren, «unser Ziel ist nicht wirtschaftlicher Gewinn.» Für die Tochter Medicall gilt dies jedoch nicht. Auch das verrät das interne Rega-Papier: «Sie (die Medicall) bleibt weiterhin im kommerziellen Assistancebereich tätig und bearbeitet gezielt die entsprechenden Märkte.» Im Klartext: Die gemeinnützige Rega hat mit dem Erwerb der Medicall eine kommerziell tätige Firma erworben – und zwar mit Gönnergeldern.

Rega-Geschäftsleiter Hans-Peter Kurz bestreitet, dass mit dem Medicall-Kauf Gönnergelder verschwendet wurden. Uber den Kaufpreis will er aber nichts sagen. Insider sprechen von rund vier Millionen Franken.

Aus gut informierten Quellen weiss der Beobachter auch, dass die Rega-Tochter letztes Jahr bei Ausschaffungen von Asylsuchenden involviert war – gegen Bezahlung. Urs Schwarz von der Fremdenpolizei Zürich will keine Firmennamen nennen, bestätigt aber: «Es kommt vor, dass wir für bestimmte Rücktransporte bei medizinisch ausgerichteten Firmen Offerten einholen.» Nach hartnäckigem Nachfragen räumt schliesslich auch Medicall-Verwaltungsratspräsident Philip Funk ein: «Es stimmt. Das waren allerdings nur Einzelfälle.»

Angst vor kritischen Fragen

Selbst den Rega-Chefs ist es bei ihren zunehmend kommerziellen Tätigkeiten und dem immer grösseren Firmengeflecht nicht ganz wohl. In einem internen Kommunikationskonzept heisst es: «Der Schulterschluss mit der Medicall kann in der Öffentlichkeit Fragen aufwerfen, die für die Rega gefährlich werden können. Es geht vor allem um den Problemkreis einer Non-Profit-Organisation, die als Stiftung im humanitären Bereich angesiedelt ist und nun plötzlich als Übernahmehai auftritt.»

Entscheidend bei der Kommunikation, so die Rega-Devise, sei daher die richtige Entgegnung auf kritische Fragen von Seiten der Medien. Im Kommunikationskonzept sind denn auch gleich mögliche kritische Fragen samt den passenden Antworten aufgelistet – zum Beispiel: «Ist die Rega noch eine Non-Profit-Organisation, oder versteckt sie vielmehr ihr Profitstreben hinter Tochtergesellschaften?»

Zu Unrecht steuerbefreit?

Dass die Rettungsflugwacht ihr undurchsichtiges Firmengeflecht und ihre kommerziellen Tätigkeiten nicht an die grosse Glocke hängt, hat wohl auch mit den Steuern zu tun. Denn die Rega ist als gemeinnützige Organisation steuerbefreit. Ebenso ihre Tochter SAA Ltd. Möglicherweise zu Unrecht. Von den Steuern darf laut Gesetz nämlich nur befreit werden, wer strenge Kriterien erfüllt – insbesondere im Zusammenhang mit kommerziell tätigen Tochtergesellschaften.

So darf eine steuerbefreite gemeinnützige Stiftung zwar Tochtergesellschaften haben. Aber nur, wenn deren Tätigkeiten ausschliesslich dem Stiftungszweck dienen und sie die Stiftung regelmässig «mit ins Gewicht fallenden Zuwendungen» alimentieren. Nur: 1999 haben die Rega-Töchter laut Rega-Finanzchef Roland Ziegler der Stiftung Rega keinen einzigen Rappen zukommen lassen.

Das Gesetz verbietet zudem, dass im Stiftungsrat der steuerbefreiten Organisation die gleichen Personen den Ton angeben wie in den Verwaltungsräten der Beteiligungsfirmen. Doch genau das ist im Rega-Firmengeflecht der Fall: Ein Blick in die Handelsregisterauszüge der Rega-Firmen zeigt, dass überall mehr oder weniger die gleichen Leute am Steuerknüppel sitzen.

Die Behörden sind alarmiert. Dass die Rega jahrelang als steuerbefreite Organisation akzeptiert wurde, hat nicht zuletzt mit mangelnder Kontrolle zu tun. Die Stiftungsaufsicht des Bundes kontrolliert zwar regelmässig die Tätigkeiten der Rega, kümmert sich aber nicht um die Steuerbefreiung. Und wer den Stempel «steuerbefreit» erhält, wird nur näher überprüft, wenn die Statuten geändert werden, eine Anzeige erstattet oder ein allfälliger Missbrauch via Medien bekannt wird.

Immerhin: Jetzt nimmt die eidgenössische Steuerverwaltung die Sache ernst. Von den Recherchen des Beobachters aufgeschreckt, will die Behörde gegen die Rettungsflugwacht eine Untersuchung einleiten. «Als erstes werden wir die Geschäftsberichte aller beteiligten Firmen anfordern», heisst es in Bern. Denn selbst die guten Leistungen der Rega würden solche Geschäftspraktiken nicht rechtfertigen.