«Was soll denn das?» fragt der Skifahrer. «Wir sind doch hier nicht im Tram!» Wenn Claudia Schatzmann und ihr Kollege Werner Matter auf den Engelberger Skipisten nach Schwarzfahrern suchen, brauchen sie nicht nur detektivischen Spürsinn, sondern auch eine spitze Zunge und - vor allem - eine dicke Haut. Denn längst nicht jeder zeigt seinen Skipass ohne Murren. «Einer hat mich gefragt, ob er mir die Karte gleich hinten reinstecken soll», erzählt Claudia Schatzmann. Selbst Bestechungsversuche kämen immer wieder vor.

Um der Schwarzfahrerei Einhalt zu gebieten, hat Engelberg ein neues Kontrollsystem gekauft. Saisonabos gibt es nur noch mit Foto des Besitzers. Das Porträt ist auf einem Chip gespeichert und erscheint auf dem Bildschirm, sobald der Benutzer das Lesegerät passiert. «Allerdings hat das digitale System noch gewisse Kinderkrankheiten», räumt Schatzmann ein. Und selbst wenn es richtig funktioniert - absolut sicher wird die Kontrolle nie sein.

Die Zahl der Wintersportlerinnen und -sportler, die unrechtmässig Vergünstigungen und Rabatte erschleichen oder sich mit einem fremden Saisonabo gar gratis zu Berge befördern lassen, nimmt stetig zu. In schlecht kontrollierten Skigebieten, schätzt die Firma Skidata, gehen dadurch bis zu zehn Prozent der Einnahmen flöten. Die einfachste Methode für den kostenlosen Skiplausch: sich zu zweit durchs Drehkreuz quetschen. Allerdings funktioniert der Trick nur bei sehr schlanken Wintersportlern und fällt zudem schnell auf.

Ebenfalls beliebt ist folgende «Sparvariante»: Jugendliche kaufen Kinderbillette, und Erwachsene passieren die Schleuse als Jugendliche oder Senioren. Am häufigsten betrogen wird aber durch das Ausleihen von nicht übertragbaren Abonnements.

Das sind allerdings eher phantasielose Wege, den teuren Pistenspass ein bisschen billiger zu machen. Wirklich raffiniert ist jene Methode, die Skidata-Mitarbeiter Georg Engel zum besten gibt: «Eine Gruppe von Leuten löst ordnungsgemäss Karten und fährt zur Bergstation. Oben sammelt einer die Billette ein, braust zur Talstation und verteilt die Pässe an jene, die noch unten stehen.» Ganze Carreisegruppen sollen sich so schon an der Kasse vorbeigeschummelt haben.

«Das Schummeln am Skilift ist zum Volkssport geworden und wird gemeinhin als Kavaliersdelikt betrachtet», sagt Peter Feuz, Präsident der Schweizerischen Seilbahnunternehmungen. Feuz kann sich noch gut daran erinnern, wie er selber einst jene bewunderte, die das Datum ihres abgelaufenen Skipasses kurzerhand selber abänderten. «Heute sehe ich das natürlich anders.»

Freilich wird einem das Schummeln nicht überall so leicht gemacht wie in der Walliser Region der Quatre Vallees, wo es - ausser in Thyon - keinerlei Zutrittskontrollen gibt. Wer trotzdem einen Skipass löst, kann sich mit ein und derselben Karte nicht nur auf den Pisten von Verbier, sondern auch auf jenen von Nendaz oder Veysonnaz tummeln. Lediglich bei der Talstation postierte Tafeln weisen darauf hin, dass es dazu einen teureren Skipass braucht.

Keine sehr effiziente Massnahme, denn Skifahrer können im Notfall einfach behaupten, «die Tafel übersehen» oder sich «auf die falsche Piste verirrt» zu haben. Das Risiko, erwischt zu werden, ist allerdings klein: Neun Leute beaufsichtigen 38 Anlagen. Pistenkontrolleur Xavier Monnet berichtet denn auch von einer «markanten Zunahme der Schwarzfahrerei» in dieser Saison. Immerhin: Wer erwischt wird, muss in Verbier mit einer Busse von 150 Franken rechnen; eine Anzeige droht aber nur in eindeutig arglistigen Fällen.

Dass sich das Problem so nicht lösen lässt, ist den Verantwortlichen der Tele- verbier klar. Marketingleiter François Perraudin: «Bis zur nächsten Saison führen wir ein neues elektronisches Kontrollsystem ein.» Kostenpunkt: rund zwei Millionen Franken. Offenbar lohnt sich die Investition trotzdem.

Auch in Saas Fee, wo sich besonders viele Snowboarder mit Saisonkarten tummeln, hat man genug vom Betrug: «Wir haben vor allem die Eingangskontrollen an der Talstation verschärft», sagt Seilbahndirektor Damian Bumann. Bei einer kürzlichen Kontrolle haben Bumanns Leute auf einen Schlag über 30 ausgeliehene Saisonabos einkassiert.
Das verbreitete Vorurteil, wonach es vor allem die Snöber seien, die sich den Pistenspass kostenlos zu erschleichen versuchen, lässt er jedoch nicht gelten: «Jungfamilien und Zweitwohnungsbesitzer machen es genauso.»

Die Firma Skidata, die rund 90 Prozent der Schweizer Bahnen ausrüstet, ortet die «bösen Buben» nicht in erster Linie bei den Feriengästen. Die Schlupf- löcher «werden vor allem von den Einheimischen erkannt und schamlos ausgenutzt», sagt Georg Engel. Gerade in kleinen Skigebieten sei das gang und gäbe, daher bräuchten vor allem diese effiziente Kontrollsysteme. «Die Aufrüstung auf ein taugliches System kann rasch ein Umsatzplus von 10 bis 15 Prozent bringen.» Fragt sich nur, ob kleinere Bahnen sich die Investition leisten können.

Das Problem «weitestgehend gelöst» hat dafür die Schilthornbahn in der Jungfrauregion. Dort wird seit einiger Zeit ein topmodernes Kontrollsystem verwendet. Direktor Peter Feuz ist sich aber bewusst, dass es von Fall zu Fall abzuwägen gilt, welche Investition sinnvoll ist: «Ganz ausschliessen kann man den Betrug nie. Jede hundertste Bergfahrt», so seine Faustregel, «erfolgt kostenlos.»

Immer noch besser als jede siebte oder zehnte wie andernorts. Doch der Kampf gegen Schwarzfahrer ist in vollem Gang: Gab es früher bloss ein Passfoto des Inhabers auf der Karte, so arbeiten High-Tech-Systeme wie die berührungslose «KeyCard» oder die «KeyWatch» voll digital. Vorteil: Dieselbe Karte ist in mehreren Skigebieten einsetzbar.

Und vor allem: Auch das Foto wird bei diesem System digital gespeichert. Das Bild des rechtmässigen Inhabers erscheint jeweils auf einem Monitor - entweder in einer Zentrale oder direkt für alle Wartenden gut sichtbar. Das kann für Schwarzfahrer sehr peinlich sein.