Das Jahr 2003 fing für Erika Sauzet aus Siblingen mit einer schlechten Nachricht an. Einen Tag vor Weihnachten erhielt die Teilzeitangestellte der Detailhandelsfirma Volg einen Brief von ihrem Arbeitgeber: Sie werde ihren Januarlohn erst am 25. Februar ausbezahlt bekommen, hiess es im Schreiben, so wie künftig alle Monatslöhne erst am 25. des Folgemonats ausbezahlt würden. Grund für diese neue Lohnauszahlungspraxis seien Massnahmen zur «Vereinfachung und Erleichterung» der Administration.

Erfolgreicher Protest beim Arbeitgeber
Für Sauzet wäre das Leben aber alles andere als einfacher geworden: Zwischen
Dezember und Februar drohte eine Lohnlücke von sieben Wochen. «Ich bin hilf- und ratlos», klagte die allein erziehende Mutter in der TV-Sendung «Quer» vom 24. Januar 2003, «ich komme in einen Engpass und kann die Rechnungen nicht zahlen.»

Die couragierte Frau wandte sich mit ihrem Problem nicht nur an die Medien, sondern auch direkt an ihren Arbeitgeber. «Ich kann mich mit dieser Lohnzahlungspraxis nicht einverstanden erklären», schrieb sie den Volg-Verantwortlichen. «Ich habe meine Arbeit gemacht und möchte auch einen Lohn dafür – aber nicht erst einen Monat später.»

Auch andere Angestellte protestierten – mit Erfolg. Die Verantwortlichen zeigten sich einsichtig: «Das Ziel der administrativen Vereinfachung bleibt, aber der Weg ist der falsche. Wir suchen jetzt eine Lösung, die keine negativen Einflüsse auf die Mitarbeiter hat.»

«Schön, dass Volg so rasch und unbürokratisch reagiert hat», resümiert Rosmarie Naef vom Beobacher-Beratungszentrum und Expertin in der Fernsehsendung «Quer». «Mehr als unschön ist allerdings, dass ein solches Schreiben kurz vor Weihnachten verschickt wurde. Damit hat Volg 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Festtage gründlich verdorben.» Immerhin zeige dieses Beispiel, dass man sich nicht scheuen sollte, beim Arbeitgeber zu intervenieren. «Wer sein Anliegen sachlich im Inhalt und anständig im Ton vorbringt, hat nichts zu befürchten.»

Verzweifelte finanzielle Situation
Eine rasche und unbürokratische Erledigung ihres Falles hätte sich auch Monika Eschler aus Meiringen gewünscht, deren Geschichte in der «Quer»-Sendung vom 21. Februar ein «So nicht»-Thema war. Die allein erziehende Mutter von vier Kindern arbeitete mit alternativen Heilmethoden, doch das magere Einkommen reichte nirgends hin. Der einzige Luxus war eine grosse Wohnung, in der sie auch ihr Arbeitszimmer hatte. Jahrelang versuchte Eschler, allen Entbehrungen zum Trotz auf eigenen Füssen zu stehen. Doch schliesslich ging es nicht mehr: Im Januar 2003 beantragte sie Sozialhilfe.

Dennoch fehlten nach wie vor jeden Monat 600 Franken in der Familienkasse. Eschler bat um Steuererlass. Dieser wurde ihr gewährt – bis auf einen Restbetrag von 1335 Franken, zahlbar bis 21. Februar 2003. Bei Nichtbezahlung drohte eine Betreibung. Eschler war verzweifelt. Gerade jetzt konnte sie sich eine Betreibung nicht leisten, denn sie war auf der Suche nach einer billigeren Wohnung und nach einer geregelten Erwerbstätigkeit, um ihre Familie endlich aus den roten Zahlen zu bringen.

Grosszügige Publikumsspenden
Die Meiringer Gemeinderätin Susanne Huber blieb hart: «Viele Menschen sind in der gleichen Situation wie Frau Eschler, beziehen aber keine Sozialhilfe und bezahlen ihre Steuern trotzdem. Im Sinne einer Gleichbehandlung müssen wir auch von Frau Eschler Steuern verlangen.» Eine nicht nachvollziehbare Haltung, kritisierte Beobachter-Expertin Rosmarie Naef in der «Quer»-Sendung. «Sozialhilfebeiträge sollen schliesslich den Betroffenen helfen, möglichst schnell wieder finanziell eigenständig zu werden. Müssen sie jedoch gleichzeitig Steuern zahlen, so wird genau dieses Ziel torpediert.»

Die Gemeinde Meiringen liess sich nicht erweichen, doch Monika Eschlers Fall fand bei den «Quer»-Zuschauern ein grosses Echo: Spielsachen für die Kinder und andere Sachspenden trafen ein – und dank einem anonymen Spender, der genau den besagten Betrag schenkte, konnte Eschler ihre Schulden begleichen. «Ich war überwältigt. Ich möchte allen danken. Zum ersten Mal fühlte ich mich getragen.»

Schliesslich lenkte auch die Gemeinde Meiringen ein: Im Juni zahlte sie Monika Eschler den Betrag von 1335 Franken wieder zurück. Ein Happy End also – oder wenigstens fast, denn inzwischen ist Monika Eschler mit gemischten Gefühlen aus Meiringen weggezogen.

Michael Dengler aus Wangen bei Olten wartet bis heute auf ein glückliches Ende seiner unglaublichen Geschichte. Im Juni 2001 passte ihn ein Sonderkommando der Polizei mit gezückten Waffen ab, als er nichts ahnend nach Hause kam. Er wurde zu Boden gerissen, Hände und Füsse wurden ihm gefesselt, man stülpte ihm einen Sack über den Kopf und führte ihn ab. Drei Tage war er in Untersuchungshaft, bis sich herausstellte, dass der Falsche verhaftet worden war. Denglers Pech war, dass er einem gesuchten Bankräuber ähnlich sah.

Schon vor der brutalen Verhaftung hatte Dengler unter Bandscheibenproblemen gelitten, danach aber verschlechterte sich sein Zustand massiv. Er musste operiert werden und war danach wochenlang arbeitsunfähig. Der behandelnde Arzt bezeugte, dass Dengler durch den Polizeieinsatz ein «erheblicher körperlicher und psychischer Schaden» zugefügt worden sei.

3800 Franken wurden ihm von der Solothurner Kantonspolizei als Entschädigung zugesprochen. Doch Dengler legte Rekurs ein: Er forderte zwei Monatslöhne à 5400 Franken. Mit Erfolg: Das Obergericht hielt fest, dass «der Staat einen unschuldig Verfolgten angemessen zu entschädigen habe». Die Untersuchungsrichterin musste Michael Denglers Entschädigung neu berechnen – das war im März 2002. Ein gutes Jahr später, am 28. März 2003, wurde Denglers Geschichte als «So nicht»-Fall in «Quer» ausgestrahlt: Von einer Entschädigung hatte er bis dahin noch nichts gesehen.

«Ich werde nicht lockerlassen»
Heute, neun Monate später, ist noch immer nichts passiert. «Ausser dass mich das alles viel Geld kostete», sagt Dengler. Er fordert nicht nur eine Entschädigung, er möchte auch die an seiner Festnahme beteiligten Beamten zur Rechenschaft ziehen und hat deshalb Anzeige erstattet – unter anderem wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruchs. Für Dengler ist klar: «Die Polizei hat Fehler gemacht und kann jetzt nicht dazu stehen.» Seine persönliche Bilanz: «Bis ich zu meinem Recht komme, kann es noch Jahre dauern. Aber ich werde nicht lockerlassen.»

«Manchmal hilft nur der Schritt an die Öffentlichkeit», sagt Beobachter-Redaktor Christian Rensch, der die «So nicht»-Fälle für das Fernsehen bearbeitet. Angst vor einer Veröffentlichung sei nicht gerechtfertigt, sagt Rensch, «denn noch nie sind für den Hilfesuchenden Nachteile durch den Fernsehbeitrag entstanden. Im Gegenteil: Unsere Fälle haben oft für Wirbel gesorgt und meistens gute Ergebnisse gebracht.»