Hans H. Schmid ist seit Jahrzehnten stolzer Präsident eines reichen Vereins: Auf zehn Millionen Franken belaufen sich die flüssigen Mittel des Zürcher Tierschutzes. Jedes Jahr hinterlassen Dutzende von Verstorbenen diesem Verein grössere oder kleinere Vermögen; 2004 waren es fast fünf Millionen Franken.

Wem viel zufliesst, der kann viel ausgeben. Und der hat damit auch Macht und Einfluss. Jüngstes Beispiel: eine Datenbank für Findeltiere, die der Tierschutzverlag Zürich AG, der dem Zürcher Tierschutz gehört, aufgebaut hat. 2,3 Millionen Franken soll dieses Projekt kosten. «Dieser Betrag dünkt mich hoch für eine Datenbank», sagt Heinz Lienhard, Präsident des Schweizer Tierschutzes (STS).

Die Datenbank ist als nationales Projekt gedacht, weil aufgrund einer Gesetzesänderung alle Kantone eine Meldestelle für Findeltiere einrichten müssen. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) lud im Jahr 2003 zwei Projekte zu einer Präsentation ein. Das Konkurrenzprojekt der Schweizerischen Tiermeldezentrale (STMZ) um die Stiftung «Vier Pfoten» hätte nach eigenen Angaben etwa 200000 Franken für die Entwicklung und etwa eine halbe Million Franken für Hosting und Übertragung während dreier Jahre gekostet. Diese Lösung soll technisch mindestens gleichwertig gewesen sein. Die Arbeitsgruppe der KKJPD hatte sie anfänglich sogar favorisiert.

Zu einem detaillierten technischen Vergleich kam es indes nie, weil dieses Projekt keine Chance hatte. Denn der Zürcher Tierschutz offerierte seine Datenbank für die Kantone gratis – mindestens während der ersten drei Jahre. «Ausschlaggebend für den Entscheid war, dass es die Kantone nichts kostet», sagt Christian Schaub von der Firma Cognition, der als unabhängiger Projektleiter die Einführung begleitet.

Reiche Zürcher trumpfen auf



Der Zürcher Tierschutz wollte dieses Projekt unter allen Umständen an Land ziehen. «Es ist unüblich», sagt Christian Schaub, «dass man mit einem solch grossen Mitteleinsatz versucht, einen Auftrag zu erhalten.» Deutlicher wird ein anderer Anwesender der Sitzung, an der der Auftrag vergeben wurde: «Wie der reiche Zürcher Tierschutz aufgetrumpft hat, das war zum Kotzen.» Noch heute sind die Beziehungen zwischen dem Zürcher Tierschutz und «Vier Pfoten» respektive der STMZ gespannt. Kompliziert werden diese Beziehungen noch dadurch, dass die STMZ für die Berner Kantonspolizei ein Callcenter für Findeltiere betreibt und dabei mit dem Zürcher Tierschutz und dessen Datenbank zusammenarbeiten muss.

Auch in anderen Kantonen möchte die STMZ solche Callcenter einrichten, doch wurde dieses Anliegen vom Zürcher Tierschutz bisher «nicht aktiv gefördert», wie sich ein Beteiligter ausdrückt. Hanspaul Schellenberg, Geschäftsführer des Tierschutzverlags Zürich AG, meint, es sei nicht Aufgabe des Zürcher Tierschutzes, eine Meldeform wie diejenige der STMZ zu empfehlen. Diese sei kostspielig, und die meisten Kantone fänden die Datenbank des Tierschutzverlags ausreichend; für Mehrkomfort fehle das Geld. Schellenberg wirft der STMZ «Desinformation» vor, weil sie ihre Meldestelle für den Kanton Bern im Internet als «gesamtschweizerisch» bezeichne.

Das Tierdatenbank-System des Zürcher Tierschutzes besteht eigentlich aus drei Datenbanken (vermisste, gefundene, heimatlose Tiere). Das wiederum hat zur Folge, dass das Hosting der Datenbanken und die Übertragungskosten teuer zu stehen kommen. «Diese Hosting-Kosten sind für meine Begriffe sehr hoch», meint Projektleiter Schaub. Falls diese nach den ersten drei Gratisjahren nicht heruntergehen, können die Kantone eine unliebsame Überraschung erleben.

Der Auftrag für den Aufbau der Datenbank ging an die Schellenberg Communications in Zürich. An dieser ist Hanspaul Schellenberg beteiligt, ein alter Freund von Schmid. Für die Durchführung des Projekts ist Schellenbergs Sohn zuständig. Schellenberg ist auch VR-Präsident des Tierschutzverlags Zürich AG und sitzt mit Schmid im Verwaltungsrat zweier Gesellschaften. «Ich arbeite doch mit jenen Leuten zusammen, die meinen Klienten und dem Zürcher Tierschutz die besten Resultate liefern», lässt Schmid wissen und verwahrt sich gegen das «Etikett Kumpanei». Wenn Schellenberg seinen Sohn einem fremden Mitarbeiter vorziehe, sei das nicht zu beanstanden.

Nicht alle Kantone machen mit



Obwohl als nationale Lösung vom Zürcher Tierschutz angepriesen, beteiligen sich längst nicht alle Kantone an der Datenbank. Definitiv machten bis Ende Juni 2005 13 Kantone mit. Einer, der abseits steht, ist der Thurgau. Zum einen ist man dort überzeugt, dass die Datenbank Dienstleistungen bietet, die vom Gesetz gar nicht verlangt werden. Zum andern schreckte man vor den Folgekosten zurück. «Wir glauben nicht, dass das System für immer gratis ist», sagt der Thurgauer Kantonstierarzt Paul Witzig, «aber wenn man einmal dabei ist, kann man kaum mehr aussteigen.»

Eine Million für Mailings



Am Anfang ging man denn auch von einem tieferen Budget aus: Laut Protokoll einer Sitzung vom September 2004 waren 1,3 Millionen Franken für Entwicklung und die ersten drei Betriebsjahre eingesetzt – eine Million unter den heutigen Kosten. Laut Schmid stellen die jetzigen 2,3 Millionen Franken die Gesamtkosten für Implementierung und Betrieb bis 2007 dar. Nachher werden sich die Kantone an den Betriebskosten beteiligen müssen – ausser diese werden weiterhin vom Zürcher Tierschutz gesponsert. Die Schweizerische Tiermeldezentrale auf der anderen Seite will nach Ablauf des bis 2007 laufenden Vertrags wieder eine neue Offerte einreichen. Dann werde man sehen, welche Datenbank die günstigere sei.

Geld in Fülle hat der Zürcher Tierschutz auch für Mailings, die der Mittelbeschaffung dienen. Über 1,1 Millionen Franken gab er 2004 dafür aus, zurückgeflossen an Spenden auf diese Bettelbriefe sind gut 600000 Franken. Die Mailings dienten auch der Information, rechtfertigt Schmid die hohen Kosten. Allerdings gibt der Zürcher Tierschutz zu Informationszwecken noch einmal über 600000 Franken aus, unter dem Titel «Verlagstätigkeiten, Öffentlichkeitsarbeit».

Dazu gehört auch das Buch «Zukunftschance Tierwohl», das in einer Auflage von 100000 Exemplaren gedruckt wurde. Dies, obschon der Berner Professor Andreas Steiger, Leiter der Abteilung Tierhaltung und Tierschutz an der Universität Bern, den Inhalt kritisiert. Er wurde angefragt, das Manuskript zu lektorieren. Nach dem ersten Kapitel lehnte er ab: «Mich haben die vielen Fehler gestört. Das Kapitel, das ich gelesen habe, war schlecht recherchiert und in einem Stil geschrieben, mit dem ich sehr Mühe hatte.» Das Buch – so lässt Schmid «Zukunftschance Tierwohl»-Autor Marc Frey antworten – decke eine Lücke ab, weil bisher noch keines auf die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Gesundheit und Tierwohl hingewiesen habe. Sogar der deutsche Bund für Umwelt und Naturschutz habe es in sein Programm aufgenommen. Etliche Fachleute hätten Teile vor dem Druck gelesen, keiner habe eine ähnliche Kritik wie Professor Andreas Steiger geäussert.

Zank um Nachlasse



Grosszügig war der Zürcher Tierschutz auch gegenüber der MUT-Stiftung, die sich für eine tiergerechte Landwirtschaft einsetzt. Dieser überwies er im Jahr 2004 500000 Franken; einer der Stiftungsräte ist Hans H. Schmid. Diese Zuwendung diene der «weiteren Verfolgung des Stiftungszwecks», meint Schmid.

Unzählige Organisationen konkurrenzieren sich im Tierschutz. Der Zürcher Tierschutz hat sich 1998 vom Schweizer Tierschutz (STS) getrennt – im Streit. Neben beinahe ideologischen Auseinandersetzungen und persönlichen Animositäten geht es bei heutigen Konkurrenzkämpfen vor allem um Geld, viel Geld, insbesondere bei Nachlassen.

Wegen Legaten, sagt ein Anwalt, der Schmid aus der Nähe kennt, gebe es immer wieder juristische Verfahren mit dem STS. «Wo immer es geht, hält Schmid bei Legaten die Hand drauf.» Schmid kontert: In den vergangenen vier Jahren habe er eine einzige Auseinandersetzung mit dem STS gehabt, wobei die Sache einvernehmlich erledigt worden sei. Dem zitierten Anwalt sind allerdings eine Reihe weiterer Fälle aus dem letzten Jahrzehnt bekannt.

Hans H. Schmid übt seine Tätigkeit als Präsident des Zürcher Tierschutzes nach eigenen Worten unentgeltlich aus. Dafür wird der Anwalt mit Mandaten entschädigt, bei denen der Tierschutz Partei ist, zum Beispiel bei der juristischen Abwicklung von Nachlassen und anderen Geschäften. Letztes Jahr waren das etwa 50. Dabei, so Schmid, werde er zu branchenüblichen Ansätzen honoriert, was in einem Vorstandsbeschluss festgehalten sei. Von Interessenkollisionen könne man nur dann sprechen, wenn man die Interessen von mehr als einer Partei vertrete.

Dagmar Senn, einst Mitglied im Zentralvorstand des STS und frühere Prix-Courage-Kandidatin, meint: «Es gibt eine Zweiklassengesellschaft im Tierschutz. An der Front wird gratis und in der Freizeit gearbeitet, und oben kassieren Juristen und andere Experten.»

Recherchen des Beobachters zum Finanzgebaren des Zürcher Tierschutzes waren Schmid offenkundig unangenehm. Den Autor bezichtigte er ob seiner «inquisitorischen» Fragen einer «gewissen Bösartigkeit». Um zu dokumentieren, dass es um seine finanziellen Verhältnisse keine Geheimnisse gibt, reichte Schmid dem Beobachter unaufgefordert seine Steuerrechnung ein. Er gehört zu den besseren Steuerzahlern in der Stadt Zürich.

Quelle: Edi Engeler