Seit Jahren reisst die Serie der Skandale an der Uni Zürich nicht ab: Titelanmassung eines Professors, eine wissenschaftlich unethische Studie an der Dermatologischen Klinik, manipulierte Daten im Labor eines Nobelpreisträgers, Mobbing und Entlassung einer Theologieprofessorin, Krach in der Veterinärmedizin, jahrelange Nichtbesetzung von Lehrstühlen und Wirren um die Herzchirurgie. Die Häufung von Skandalen führte Ende September im Zürcher Kantonsrat zu heftiger Kritik an der Universitätsleitung. Christian Sauter, emeritierter Medizinprofessor, machte 1998 die Affäre um die Titelanmassung publik und wurde dafür mit einer reduzierten Pension bestraft. Das Jurymitglied des Prix Courage äussert sich zur Skandalchronik.

Beobachter: Wie erklären Sie sich die Häufung von Skandalen an der Uni Zürich?
Christian Sauter: Die erste Affäre, jene um die Titelanmassung von Professor Grüssner, fand 1998/99 statt. Da war von Anfang an der Wurm drin. Der damalige Regierungsrat Ernst Buschor wollte der Wahrheit nicht auf den Grund gehen.

Beobachter: Dann hat dieser erste unbewältigte Skandal den Boden für weitere gelegt?
Sauter: Das glaube ich. Man wollte von Anfang an die Sache unter den Tisch wischen. Und der damalige Rektor Hans Heinrich Schmid war zu wenig stark, um dagegen etwas zu unternehmen.

Beobachter: Weil beim ersten Skandal Fehler gemacht wurden, wusste man nicht, wie mit weiteren umgehen?
Sauter: Aus meiner Perspektive war das so. Ich kenne die Affäre Grüssner aus der Nähe und den Skandal um die Melanom-Impfstudie in der Dermatologie, den ich am schlimmsten finde. Dort hat Rektor Hans Weder seine Aufgabe nicht wahrgenommen. Die wissenschaftliche Ehrlichkeit wurde mit Füssen getreten. Wenn er nicht seinen Kollegen Günter Burg in Schutz genommen hätte, dann hätte man reinen Tisch machen können.

Beobachter: Gibt es bei all diesen Konflikten ein Muster?
Sauter: Man versuchte dabei vor allem, die Professoren zu schützen - diejenigen, die die Skandale publik machten, wurden bestraft. Es ging bei diesen Konflikten immer um persönliche Querelen, um Mobbing und Verunglimpfungen. Rektor Weder ist nicht der geeignete Mann, um auf der menschlichen Ebene diese Konflikte zu lösen.

Beobachter: Welche Rolle spielt denn der Universitätsrat, der ja die oberste Verantwortung hat?
Sauter: Unter dem früheren Bildungsdirektor Ernst Buschor war dieser bekannt als Kopfnickergremium. Wie es heute ist, weiss ich nicht, aber von aussen gesehen glaube ich, dass er seine Verantwortung zu wenig wahrgenommen hat.

Beobachter: Sind heute bei einem Rektor neben wissenschaftlichen Qualitäten nicht auch andere gefragt, etwa im Management?
Sauter: Eine Universität ist ein Grossbetrieb, und da braucht es selbstverständlich Leute in der Leitung, die etwas von Personalführung verstehen.

Beobachter: Das lernt man als Professor nicht?
Sauter: Nein, das funktioniert nach der Methode Pi mal Handgelenk.

Beobachter: Wie liesse sich ein solches Führungsproblem vermeiden?
Sauter: Es ist ein strukturelles Problem, weil die Wahl des Rektors aus den Reihen der Professorenschaft nicht optimal ist. Es ist nicht unbedingt anzunehmen, dass unter den 300 Professoren genau einer ist, der optimal geeignet ist. Man müsste bei der Auswahl sorgfältiger, breiter und auch unter externen Persönlichkeiten suchen.

Beobachter: Haben die Affären das Ansehen der Uni Zürich international beschädigt?
Sauter: Ich denke schon. An deutschen Universitäten etwa warnt man vor einem Ruf nach Zürich.

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