Bereits seit 1994 müssen Tankstellenbetreiber ihre Stationen so ausrüsten, dass höchstens zehn Prozent der Benzindämpfe in die Luft entweichen können. Denn die haben es in sich: Nebst Kohlenwasserstoffen, die zur Bildung des schädlichen bodennahen Ozons beitragen, ist vor allem Benzol kritisch. Es gehört laut internationaler Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation zu den krebserzeugenden Stoffen der Klasse 1 – es gilt in jeder Konzentration als gesundheitsgefährdend.

Auch aus dem Auspuff gelangt Benzol in die Umwelt. Im Vergleich zu den Tankstellendämpfen atmet man hier aber praktisch Reinluft: Bei einem mit 70 Kilometern pro Stunde fahrenden PW mittlerer Grösse liegt die Benzolkonzentration bei zirka 1,7 Milligramm pro Kubikmeter; treten dagegen am Zapfhahn Dämpfe aus, beträgt sie 5000 Milligramm. Grund genug, der Gasrückführung an Zapfsäulen höchste Aufmerksamkeit zu schenken.

Doch weder Tankstellenbetreiber noch Aufsichtsbehörden haben es bisher geschafft, das Problem in den Griff zu bekommen. Max Wyser, Mitarbeiter des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal), nennt erschreckende Zahlen: «Jahr für Jahr entweichen rund 2000 Tonnen gesundheitsgefährdende Stoffe in die Luft. Dabei wären die Emissionen mit wenig Aufwand zu vermeiden. Es gibt Systeme, die bei defekten Zapfsäulen einen automatischen Alarm auslösen und so das Tankstellenpersonal auffordern, umgehend die Reparatur zu veranlassen.» Bis heute sind aber nur Gasrückführungssysteme ohne Funktionsüberwachung installiert worden. Sie saugen die Benzingase ab und leiten sie in den Tank zurück.

Etliche Betreiber jedoch bringen die Branche in ein schiefes Licht, indem sie sich weigern, die teils unterhaltsaufwändigen Systeme angemessen zu warten. Die in der Schweizerischen Gesellschaft der Lufthygiene-Fachleute (Cercl’ Air) zusammengeschlossenen kantonalen Vollzugsbehörden ziehen in einer 1999 durchgeführten Auswertung eine beunruhigende Bilanz: Von 4500 überprüften Zapfhähnen erfüllen 35 Prozent die Vorgaben nicht. Als besonders besorgniserregend bezeichnen die Fachleute den hohen Anteil der Totalausfälle: Jeder fünfte Zapfhahn saugt überhaupt keine Dämpfe mehr ab – sie entweichen vollständig in die Umgebung. Da die staatliche Funktionskontrolle nur alle zwei Jahre erfolgte, liefen in der Vergangenheit Hunderte von Zapfsäulen wochen- oder monatelang ohne Gasrückführung.

Diese Mängel haben Cercl’ Air vor knapp zwei Jahren bewogen, die Vollzugsempfehlung für Gasrückführungssysteme bei Tankstellen zu verschärfen. Seither werden die Kontrollen jedes Jahr durchgeführt. Zudem können die Behörden bei wiederholten Verstössen Betriebseinschränkungen oder die Stilllegung einer Anlage verfügen. Führen diese Massnahmen immer noch nicht zum Erfolg, ist laut Empfehlung von Cercl’ Air generell der Einbau von automatischen Sicherungssystemen mit Zwangsabschaltung oder Selbstregulierung vorzuschreiben.

Die deutsche Bundesregierung beschloss das bereits im November 2001 – sie setzt nicht mehr auf die Eigenverantwortung der Tankstellenbetreiber. Denn wie in der Schweiz funktioniert auch in Deutschland rund ein Drittel der Anlagen nicht oder mangelhaft.

Auch hierzulande glauben viele Fachleute, dass nur moderne Überwachungssysteme zum Erfolg führen werden. Sie lösen bei mangelhafter Gasrückführung einen Alarm aus. Wird die Anlage nicht binnen 72 Stunden repariert, setzt das System die entsprechende Zapfsäule automatisch ausser Betrieb.

Bereits Mitte der neunziger Jahre wollte das Buwal solche Systeme einführen. Doch die Tankstellenbetreiber wehrten sich vehement und beteuerten, das Problem selbst lösen zu können. Heute stellt Hans Mathys, Präsident von Cercl’ Air, ernüchtert fest: «Der den Branchenvertretern entgegengebrachte Goodwill hat sich nicht ausgezahlt. Die Probierphase ist nun aber definitiv vorbei.» Bessere sich die Situation nicht rasch und nachhaltig, blieben nur automatische Systeme mit Zwangsabschaltung.

Adrian Aeschbach, Leiter Kundendienst und Umwelt beim Autogewerbe-Verband, rechnet nicht damit, dass solche Massnahmen nötig sein werden. «Mit dem neuen Jahresintervall bei den Kontrollen und dem Bonus-Malus-System werden wir das Problem nun meistern.»

Simple Regel zum Schutz

Das Bonus-Malus-System sieht vor, dass Tankstellen mit funktionierender Gasrückführung nur noch alle zwei Jahre kontrolliert werden. Wer die eigenverantwortliche Wartung hingegen nicht vorschriftsgemäss erfüllt, kann von der Vollzugsbehörde auf ein halbjährliches Kontrollintervall zurückgestuft werden. Sollte selbst das keine Wende bringen, könnte sich der Verband auch mit selbstregulierenden Anlagen anfreunden. Aeschbach: «Allerdings müsste deren Langzeittauglichkeit von unabhängiger Stelle bestätigt werden.»

Für die Kunden, Angestellten und Anwohner von Tankstellen stellt sich die Frage, ob die Behörden nach jahrelangem Zuschauen nun den Worten Taten folgen lassen. Sofort handeln können dagegen die Autofahrerinnen und Autofahrer. Eine einfache Regel hilft, sich zu schützen: Wenn es beim Tanken nach Benzindämpfen stinkt, ist im eigenen Interesse der Wechsel an eine saubere Tankstelle angezeigt.