Zigarettenschmuggel: Schweizer Bürokratie schont Drahtzieher
Die Schweiz ist Drehscheibe für die internationale Zigarettenmafia.Trotz Druck der Europäischen Union harzt es bei der Amts-und Rechtshilfe. Schmuggelkönige haben von der SchweizerJustiz wenig zu befürchten.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Es ist ein Milliardengeschäft. Jahr für Jahr schleusenSchweizer Drahtzieher im Auftrag des organisierten VerbrechensHunderte von Tonnen Zigaretten am Fiskus der EU-Länder vorbei.Die offiziell als Transitgut deklarierte Ware wird meistens mitGeld aus dem Waffen- und Drogenhandel direkt bei den amerikanischenHerstellern eingekauft und dann oft in den Zollfreilagern in BuchsSG und Basel zwischengelagert. Völlig legal werden die Zigarettenvon weltweit bekannten Speditionskonzernen wie Danzas in süd-oder osteuropäische Zollager weitertransportiert.
Dort können die Schmuggler die unverzollte Ware übernehmen- korrupte Beamte machen's möglich. Mit gefälschtenFrachtpapieren und über raffinierte Transportrouten landendie Zigaretten schliesslich unversteuert auf den Schwarzmärktender EU-Länder. Die Gewinnmarge der Mafia liegt bei mehrerenhundert Prozent.
«Die Dimension der entsprechenden Tabaksteuerhinterziehungschätzen Experten auf jährlich mehrere Milliarden Ecu»,sagt Siegfried Reinke, Vizedirektor der EU-BetrugsbekämpfungseinheitUclaf. Auf Hochtouren laufen dementsprechend die Ermittlungengegen die Schweizer Schmuggelkönige und vor allem deren Auftraggeber.Doch die haben bisher wenig zu befürchten, denn das Zusammenspielder EU-Fahnder mit den hiesigen Behörden harzt massiv.
Die Differenzen beginnen bei der Amtshilfe. Nach mehreren Jahrenintensiven Drucks aus Brüssel hat die Schweiz im Juni 1997ein provisorisches Abkommen unterzeichnet, das den direkten Austauschvon Informationen zwischen Zollfahndern ermöglicht. Seitdemhat die Schweiz aus der EU bereits über hundert Amtshilfegesucheerhalten. Bern verkauft die bisherige Durchführung des Abkommensals vollen Erfolg. «Vertreter der Uclaf waren kürzlichbei uns und lobten den Vollzug der Amtshilfe», sagt FritzSchmucki, Abteilungschef der Eidgenössischen Zollverwaltung.
Doch Schmuckis Version ist drastisch geschönt. Obwohl dasKlima zwischen der Uclaf und den Berner Zöllnern allgemeinals gut bezeichnet wird, beantwortet man in Brüssel die Fragenach der Amtshilfe deutlich weniger freundlich. «Der Geltungsbereichdes Protokolls bedarf einer breiteren Definition», so Uclaf-VizedirektorReinke: «Insbesondere müssen die Nachforschungen beiZollvergehen - wie im Abkommen vorgesehen - viel weiter gehenals heute.» Der simple Austausch von Transportabgangsbestätigungengenüge nicht. «Das Abkommen muss auf Regierungsebenesinnvoller interpretiert werden», so Reinkes persönlicheMeinung.
Die ersten Monate haben gezeigt, dass die Schweizer die Vereinbarungviel enger interpretieren als die EU-Fahnder. Entscheidende Informationenwerden nicht geliefert. Reinke spricht Klartext: «Solangauf Schweizer Boden kein Delikt begangen wird, sind zum BeispielNachforschungen bei gewissen Spediteuren nach wie vor sehr schwierig,wenn nicht gar unmöglich.»
Zu diesen Spediteuren gehört beispielsweise der Danzas-Konzern.Insbesondere die Buchser Filiale organisiert jährlich unzähligeZigarettentransporte in ganz Europa. Immer wieder gehen EU-Fahnderdavon aus, dass gewisse Danzas-Kunden das Schmuggelgeschäftim grossen Stil betreiben. Laut Informationen des Beobachtersbekam die Buchser Filiale letzten Herbst aus diesem Grund Besuchaus Brüssel. Eine Uclaf-Mitarbeiterin wollte sich an Ortund Stelle informieren.
Bei dieser Sitzung dürfte auch ein umfangreicher TransportRichtung Afrika zur Sprache gekommen sein. Im Verlauf des letztenJahres verliessen mehrere Dutzend Güterwagen mit Zigarettenden Buchser Bahnhof. Auf den Frachtpapieren der SBB war die StadtLuanda in Angola als Endziel angegeben. Laut EU-Zollfahndern soll die Ware dort jedoch nieangekommen sein. Vielmehr seien die als Transitware deklariertenZigaretten beim portugiesischen Empfänger ausgeladen undin den Schwarzmarkt geschleust worden.
Bei Danzas will man weder den Besuch der Uclaf noch das Angola-Geschäftkommentieren. In der schriftlichen Stellungnahme heisst es pauschal: «Spediteure - ähnlich wie Banken - sind ihren Auftraggeberntreuhänderisch verpflichtet und nicht berechtigt, übereinzelne Geschäftsbeziehungen Auskunft zu erteilen.»Und von illegalen Geschäften weiss man nichts: «Bisheute sind alle Danzas-Transaktionen an den Bestimmungszollämtern(auch in Osteuropa) den Behörden ordentlich gestellt unddie Bürgschaften entlastet worden.»
Auch bei der von Spaniern geführten Transfesa AG in Genf,die die Güterwagen zur Verfügung stellte, gibt man sichunbeteiligt. «Mit Angola haben wir nichts zu tun, wir machennur Transporte in Europa», sagt eine Sprecherin, «wasmit den Zigaretten geschieht, ist nicht unsere Sache.»
Kein Wunder also, dass die Uclaf mit der heutigen Situation derAmtshilfe nicht zufrieden ist. Die entscheidenden Kundenkarteiender Spediteure sowie die entsprechenden Bankverbindungen führendie Schweizer Kollegen bis heute nicht im Angebot. Für FritzSchmucki von der Eidgenössischen Zollverwaltung ist diesesbis anhin ungelöste Problem aber nur eine Frage der unterschiedlichenRechtsauffassung: «Was für die Uclaf noch Amtshilfeist, ist für uns eben bereits Rechtshilfe.» Zwangsmassnahmenwie beispielsweise Hausdurchsuchungen und Akteneinsicht bei Unternehmenseien nur über ein Rechtshilfegesuch möglich.
Doch auch in diesem Bereich können die Schmuggelkönigebis heute fast immer gelassen bleiben. Zwar erhält ein EU-Landtheoretisch die nötigen Informationen, wenn es in einem Rechtshilfegesucheinen Steuerbetrug - zum Beispiel durch gefälschte Dokumente- beweisen kann. Aber in der Praxis lässt die Langsamkeitder Schweizer Behörden die EU-Fahndung regelmässig insLeere laufen.
Den aktuellen Beweis liefert der Fall Rodolfo Horn. Der in ComanoTI wohnhafte Italiener mit Schweizer Pass gilt in der Schmuggelbrancheals einer der ganz Grossen. Beinahe in jedem EU-Land ist gegenihn ein Haftbefehl hängig. Entsprechend häufig sinddie Anfragen in der Schweiz.
Das jüngste Gesuch stammt aus Österreich. «Am 4.September 1997 hat das Landgericht Eisenstadt bei uns ein Rechtshilfegesuchbetreffend Rodolfo Horn eingereicht», bestätigt FolcoGalli, Sprecher des Bundesamts für Polizeiwesen (BAP), «derVollzug wurde im Oktober an die Staatsanwaltschaft Tessin übergeben.»
Horn und zwei weitere Komplizen sind in diesem Strafverfahrenangeklagt, vor zwei Jahren 35 LKW-Ladungen Zigaretten illegalnach Italien und Spanien verschoben zu haben. Laut den Ermittlungsergebnissenhatte Horn die Ware in den USA gekauft und sie mit einer rumänischenFluggesellschaft von Oostende nach Bukarest geflogen. Dort wurdendie Kartons in LKWs umgeladen und mit falschen Frachtpapierenversehen. Wahlweise als Glas-, Keramikwaren oder Salz- und Pfefferfässchengetarnt, gelangten die Zigaretten unversteuert auf den EU-Schwarzmarkt.
Die Chancen, dass die österreichischen Behörden in nützlicherFrist Beweise für die Zusammenarbeit mit internationalenVerbrecherorganisationen finden, stehen jedoch schlecht. Das Rechtshilfegesuchist in der Amtsmühle hängengeblieben. «Wir habenuns kürzlich nach dem Stand des Verfahrens erkundigt, habenaber aus dem Tessin noch keine Antwort erhalten», muss selbstBAP-Sprecher Folco Galli zugegeben.
Wie andere Schweizer Drahtzieher hat Horn somit in der nächstenZeit keine Hausdurchsuchung zu fürchten. Anfragen lassenihn entsprechend kalt: «Ich habe mit diesen Transporten nichtszu tun. Ich habe noch nie einen Karton Zigaretten nach Bukarestgeschickt.»