Es hat etwas von Alchemie: Früchten das Wasser zu entziehen und ihren «Blutbahnen» eine Zuckerlösung zuzuführen, um ihnen ein zwar nicht endloses, aber immerhin viel längeres als von der Natur beschiedenes Leben einzuhauchen. Auch in der Schweiz gibt es einen Frucht-Alchemisten. Er heisst Arthur Isenschmid und tut - zumindest beruflich - seit 20 Jahren nichts anderes, als Orangen, Ananas und Co. haltbar und schön zu machen. «Ich bin gelernter Confiseur, musste mir aber wegen einer Mehlallergie ein mehlfreies Umfeld suchen.» Die Marktlücke, die er gemeinsam mit seiner Frau für sich entdeckte: kandierte Früchte.

Bunt und süss sitzen die Früchtchen wie kostbare Schmuckstücke in weissen Pralinéförmchen und spalten die Geniesserwelt: Während die einen die kandierten Früchte je nach Lust und Laune schon mal aus dem Kuchen klauben, um sie anschliessend separat vernaschen zu können, pulen die andern sie aus dem Panettone, damit sich ja kein Stückchen in ihren Mund verirrt. Fruits confits, wie sie auf Französisch heissen, sind wahrlich nicht jedermanns Sache. Trotzdem verlassen jährlich 70 Tonnen der süssen Spezialitäten die kleine Fabrikation in Laupen im Berner Sensetal, nahe der Grenze zum Kanton Freiburg.

Nur schöne Exemplare dürfen rein
Heute ist Orangen-Tag. Der ganze Raum duftet nach den aromatischen Zitrusfrüchten. Und süsslich nach heissem Zucker. Fünf Personen - drei Frauen und zwei Männer - sind seit halb sechs Uhr morgens mit den verschiedenen Schritten des Confierens beschäftigt: Eine Mitarbeiterin legt die Orangen in die Schneidemaschine, eine andere nimmt die in Scheiben geschnittenen Früchte heraus, entfernt mit flinken Bewegungen die Anschnitte und die angrenzenden Scheiben - nur schöne, möglichst gleich grosse Exemplare dürfen in den grossen Kessel, den sogenannten Autoklaven, der, ähnlich einem Dampfkochtopf, das Kochen unter Druck und damit mit höheren Temperaturen ermöglicht.

Mit geübten Handgriffen schichtet der Produktionsleiter die Orangen in metallene Körbe. 60 Kilogramm finden in einer Charge Platz, das sind rund 55'000 Scheiben. Im ersten Durchgang - das Programm wird vollautomatisch gesteuert und läuft pro Charge insgesamt vier Tage - werden die Früchte blanchiert, also kurz in Wasser erhitzt. Das öffnet die Zellwände für den Austausch von Wasser durch Zuckerlösung und löst die Bitterstoffe aus der Schale. Danach wird das Wasser abgelassen und durch einen Zuckersirup ersetzt, der während dreier Tage immer wieder schonend erhitzt, abgekühlt und neu aufgefüllt wird. Wird die Charge zu heiss, werden die Scheiben braun und unansehnlich, und der Geschmack verändert sich. Schuld ist das Caramel, das bei zu starkem und zu langem Erhitzen von Zucker entsteht.

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Die Orangen werden mit der Schneidemaschine zerteilt...

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...in Metallkörbe geschichtet...

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...blanchiert...

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...tagelang in Zuckersirup eingelegt.

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Zuletzt werden sie mit einer Glasierung versehen...

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...und sorgfältig Stück für Stück zum Trocknen ausgelegt.


Wenn der Kandierprozess, der in erster Linie der Haltbarmachung dient, abgeschlossen ist, können die Früchte über Monate hinweg bis zur weiteren Verwendung im Sirup aufbewahrt werden. Sie haben dann einen Zuckergehalt von bis zu 75 Prozent. Der dritte und abschliessende Schritt in der Veredelung des Obstes ist das Glasieren. Damit wird der Ware ein schöner Seidenglanz verliehen.

Marcel Naef ist der Mann am Kessel, der die Kunst des sogenannten Tablierens beherrscht: Mit einer grossen Schöpfkelle zieht er die Orangenscheiben knapp aus dem Wasser, überzieht sie mit einem hölzernen Spatel mit der Glasur und legt sie auf ein Sieb. Zwei Frauen zupfen die Scheiben mit zwei Fonduegabeln zurecht. Die Ware muss nebeneinanderliegen, damit jede Scheibe so schön wie die andere wird und sie nicht aneinanderkleben. «Marcel war früher Chauffeur, diese Arbeit macht er erst seit eineinhalb Jahren», sagt Isenschmid. «Er ist ein Naturtalent, macht das supergut.» Naef schwingt gemächlich den Holzspatel und schmunzelt.

Die Früchte stammen aus Spanien und - während der dortigen Erntepause - aus Südafrika. Wichtigste Gütekriterien: Sie müssen kernfrei sein, ein festes Fruchtfleisch haben und natürlich reif sein. Farbstoffe und sonstige künstliche Zusatzstoffe kommen nicht in den Siedekessel. Abnehmer nach der Veredelung: kleine und grössere Confiseure und Chocolatiers, die sie vorwiegend für die Pralinéfabrikation benötigen. Wer etwa bei Sprüngli mit Schokolade nappierte Orangenstängeli, Ananasschnitze oder eine Orangen-Schoggi von Maestrani kauft, beisst in Laupener Fruits confits. Aber auch über die Landesgrenzen hinaus, etwa nach Deutschland und Österreich, und sogar in den arabischen Raum verkaufen Isenschmids ihre süsse Ware.

Ein Tüftler vor dem Herrn
Die Produktion läuft, dank einer vom Patron teils selbst entwickelten vollautomatischen Confisage, 7 mal 24 Stunden pro Woche, fast 365 Tage im Jahr. Überhaupt ist Confiseur Isenschmid ein Tüftler vor dem Herrn. Die Einpackmaschine für die zarten, zerbrechlichen Marrons Glacés, die seit 1999 die Produktepalette erweitern, hat er zwar nicht selber gezeichnet. Aber immerhin konnte er dem Konstrukteur genau sagen, was sie können muss. «Und die Zerteilmaschine für die Orangenschnitze gibts nur noch einmal auf der Welt», sagt Isenschmid mit breitem Grinsen. Er habe solch ein Modell damals bei der Swissair gesehen, die sie zum Achteln von Tomaten benutzt habe. Da habe er sich gesagt: «So eine musst du auch haben!» Und hat sie, modifiziert, gleich nachbauen lassen.

Die Neigung zum Technischen hat er seiner jüngsten Tochter Catharina vererbt. «Wenns was zu schrauben gibt, ist sie zur Stelle», sagt Isenschmid nicht ohne Vaterstolz. Die gelernte Lebensmitteltechnologin hat vor zwei Jahren die Geschäftsleitung übernommen. Schliesslich ist Isenschmid mittlerweile 73 Jahre alt und eigentlich weit über dem Pensionsalter. «Darum arbeite ich seit einiger Zeit nur noch vormittags.» Sagts und grinst zufrieden unter dem Häubchen hervor.

Ananas-Diplomat-Türmchen Rezept für fünf Personen
1 Scheibe kandierte Ananas in fünf Teile schneiden.
100 Gramm Puderzucker
1 Esslöffel Ananassaft
gut verrühren. Die Glasur muss schön dickflüssig sein.
2 Blätterteige auswallen, mit einem Glas 15 Rondellen ausstechen und hellbraun backen. 10 Rondellen beiseite stellen. Die restlichen glasieren und mit je einem Ananasstückli verzieren.
3 Eigelb
70 Gramm Zucker
1 Esslöffel Rum-Aroma
weisslich-schaumig schlagen.
2 Scheiben kandierte Ananas in winzige Würfel schneiden, so dass sie nachher durch eine Spritztülle passen. Zur Eimasse geben.
4 Deziliter Milch
1 Päckchen Vanillezucker
1 Esslöffel Maizena
kalt verrühren und dann kurz aufkochen. Die Hälfte unter kräftigem Rühren zur Eimasse geben. Gemisch zurück zur restlichen Milch geben und unter stetem Rühren erhitzen, bis die Masse dicklich wird. Nicht zum Kochen bringen!
2 Deziliter Vollrahm
1 Esslöffel Zucker
steif schlagen und unter die erkaltete Creme mischen.
2 Eiweiss
1 Prise Salz
steif schlagen und ebenfalls unterziehen.
Wenn die Masse steif ist, mit einem Spritzbeutel auf die 10 Rondellen dressieren. Je zwei bestückte Rondellen aufeinandersetzen und mit einem glasierten Deckel abschliessen.

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