Riesige Bäume. Weiden, Eschen, Nadelhölzer. Kniehohes Gras. Darin eingebettet kleine Weiher, 17 an der Zahl. Sirrende Libellen über spiegelglatten Wassern. Einzelne Sonnenstrahlen, die durchs Geäst dringen und das bemooste Dach einer kleinen, alten Holzhütte golden zum Leuchten bringen. Plätschern und leises Rauschen. Ansonsten Stille.

Plötzlich brodelt es im Teich hinter der grossen Weide, als hätte ein gigantisches unterirdisches Feuer das Wasser zum Kochen gebracht. Mäuler schnappen, Schwänze schlagen. Unzählige silberne, graue, getupfte, auch goldene, fast weisse und orange Leiber zucken. Auslöser des Tumults ist Heinz Glauser: Es ist Fütterungszeit in seiner Forellenzucht im zürcherischen Bachs. Stoisch greift der 46-Jährige ins Chessi und wirft das Futter mit dem bedächtigen Schritt eines Sämanns in die Teiche. Da die Fische die Erschütterung seines Schritts wahrnehmen, reicht schon sein blosses Vorbeigehen, um Aufruhr in den Weihern zu provozieren.

Heinz Glauser ist ein schweigsamer Mann. «Wir reden nie viel, jeder macht halt seine Arbeit», sagt seine Frau Irene. «Manchmal kommt ihm ein Kollege helfen. Aber selbst dann: Die beiden bringen es tatsächlich fertig, den ganzen Tag lang nichts zu reden.» Das passt. Schliesslich sind stumme Fische Glausers Metier. Schon sein Leben lang hats der gebürtige Eglisauer mit der Forelle. Seine Familie besass in dem Städtchen am Rhein einen kleinen Fischladen und das Netzrecht. So kommt es auch, dass Glausers nicht in einem Fischzüchterverein, sondern bei den Berufsfischern mit dabei sind.

Irene erledigt das mit dem Sprechen. Kann gut mit Menschen, steht am liebsten in ihrem Marktwagen und hilft Kundinnen und Kunden, einen passenden Fisch zu finden. Gibt Kochtipps und macht Rezeptvorschläge: «Ich freue mich immer, wenn ich jemanden davon überzeugen kann, dass Fisch etwas Gutes ist», sagt sie. Sie selber, ganz Puristin, mag Forelle am liebsten in Butter gebraten. Er auch. Zwei- bis dreimal pro Woche kommt bei Glausers Fisch auf den Tisch.

Man nehme: Zwölf Tonnen Futter
Es ist eine strenge Arbeit, das Forellenzüchten. Jeder Teich muss ein- bis zweimal pro Jahr trockengelegt und von Schlamm und Laub gereinigt werden. Dann müssen Zehntausende von Fischen mit dem Kescher herausgehoben werden. Es gilt, all die Leitungen freizuhalten, die die Teiche mit Wasser aus dem angrenzenden Fislisbach speisen. Jährlich rund 100'000 Fischeier müssen für die Nachzucht von Hand sortiert werden, mit klammen Händen und auch bei winterlichen Temperaturen. Pro Tonne gezüchteten Fisches muss eine Tonne Futter verbracht werden. Und zwar von Hand und mit der Schubkarre, denn zwischen den Teichen gibt es kaum mehr als Trampelpfade. In Bachs sind es immerhin je zwölf Tonnen Futter jährlich.

Die daraus entstehenden zwölf Tonnen Fisch muss Heinz Glauser unzählige Male «z Hand» nehmen. Mehrmals während der mindestens 18 Monate dauernden Aufzucht werden die Forellen und Saiblinge nach Grösse sortiert und in andere Becken umplatziert. Seit kurzem ist zumindest der jeweilige Transfer etwas leichter geworden: Glauser hat sich ein Miniatur-Raupengefährt umgebaut, ihm einen offenen Plastiktank als Transportbehälter für die Fische aufgepfropft. Früher musste er die Tonnen von Leibern samt Wasser mit Schubkarre und Muskelkraft von A nach B schaffen. Manchmal kommen die beiden fast erwachsenen Töchter helfen, einen festen Angestellten hat der Familienbetrieb nicht.

Nach rund eineinhalb Jahren landen die Forellen dann im Sortierbecken des Räucherhäuschens. Auch da: Handarbeit. Mit der Hand fangen, mit einem sauberen Schlag auf den Hinterkopf töten, alsdann filetieren oder fürs Räuchern ausnehmen. Das grosse Finale im Leben einer Zuchtforelle geschieht in Bachs oft morgens um vier, bevor Irene Glauser zum Markt fährt. «Bei uns gibts nur wirklich frische Fische. Wir haben hier nämlich gar keinen Tiefkühler und auch keine Kühlkammern», erklärt sie. «Darum wird für den Frischfisch morgens geschlachtet.»

Geräuchert wird mehrmals pro Woche. Die ausgenommenen, gebeizten Fische werden jeder einzeln auf einen Räucherhaken gespiesst und ordentlich in den alten Räucherofen gehängt. Eingeheizt wird mit Buchenscheiten. Bald steigt Rauch aus dem Kamin und der appetitliche Duft von geräuchertem Fisch und Wacholder in die Nase. Gut eine Stunde bleiben die Forellen bei konstanter Temperatur drin. Das Ergebnis: eine golden schimmernde, duftende, zartfleischige Leckerei.

Da kann das Bäggli einpacken
Die Stunde ist um. Heinz Glauser öffnet die Ofentür und zupft eine Rückenflosse aus einem der Fische. Garkontrolle: Lässt sie sich leicht lösen, ist der Fisch fertig. «Da, nicht abbeissen, nur ablutschen», sagt er und hält mit einer verwercheten Hand, der die Spuren von endlos viel kaltem Wasser deutlich anzusehen sind, die Flosse hin. «Das ist das Beste», ergänzt er und tut sich selber an einem Flösschen gütlich. Tatsächlich schmeckt das noch warme Fleisch zwischen den Gräten besser als jedes Bäggli, das gemeinhin als der leckerste Teil der Forelle gilt.

Was brauchen Forellen, damit sie besonders gut gedeihen? Genügend sauerstoffreiches, also fliessendes und sauberes Wasser. Und genug Patz. «Von den Ausgewachsenen haben wir nur etwa 300 Stück in einem Teich», sagt Irene Glauser. Aber: Man darf sie nicht verwöhnen. «Man muss sparsam sein mit dem Futter», betont sie. «Lieber mal eine Schaufel zu wenig als zu viel. Das Fleisch wird dann besser.» Heinz, der Schweigsame, nickt. Gefüttert wird ausschliesslich Biofutter aus der Mühle Bützberg, der einzigen Schweizer Futtermühle, die zertifiziertes Biofischfutter herstellt. «Früher wurden in den Zuchten verendete Kühe und dergleichen verfüttert. Das war nicht nur ziemlich gruusig, sondern hat auch oft zu Kannibalismus geführt», erklärt Irene Glauser.

Ein Fischreiher kann den Ruin bedeuten
Zu enge Haltung hat einen ähnlichen Effekt. Angefressene Schwänze, wie sie in konventionellen Zuchten häufig vorkommen, entdeckt man bei Glausers nicht. Überhaupt sieht jeder Fisch aus wie aus dem Ei gepellt. Abgesehen von nicht artgerechter Haltung, sind die Fischreiher eine Gefahrenquelle für die Mimosen unter den Raubfischen. Da sie sich von Weiher zu Weiher durchfressen, können sie Krankheiten aus andern Teichen einschleppen und auch innerhalb einer Zucht weitertragen. Verseuchte Teiche, die saniert werden müssen, und ein vernichteter Fischbestand - das kann einen Züchter ruinieren. Die zwei bis drei Fische, die einem Reiher täglich zum Opfer fallen, sind da das geringere Übel. Trotz einem jährlichen Verlust von 10'000 bis 15'000 Franken.

«Kaum hatten wir auf Bio umgestellt, fragten auch schon Migros und Coop an, ob wir sie beliefern würden», erzählt Irene Glauser. «Aber das wollten wir nicht. Dann muss man nur nach deren Pfeife tanzen.» Der Preis für die Freiheit: fünf Tage Ferien in sieben Jahren. «Dafür haben wir hier ein kleines Paradies. Mit Libellen, Eisvögeln, Feuersalamandern. Und natürlich mit frischem Fisch.»

 

Forellenfilet auf Majoran-Schalotten mit FrühlingskartoffelnRezept für vier Personen

 

 

20 kleine, junge Kartoffeln mit der Schale weich kochen. Schälen und beiseitestellen.
1 Esslöffel Zucker karamellisieren.
2 Esslöffel gutes Olivenöl, 16 möglichst kleine, geschälte Schalotten dazugeben und die Zwiebelchen kurz anschwitzen.
1 Deziliter weissen Portwein, 0,5 Deziliter Weisswein, 2 Esslöffel Balsamico, Salz und Pfeffer nach Belieben dazugeben und fast gänzlich einkochen lassen.
2 Deziliter Gemüsebrühe dazugeben. Halb zugedeckt köcheln lassen, bis die Schalotten weich sind und die Flüssigkeit auf etwa einen Deziliter eingedampft ist.
1 Esslöffel kalte Butter einrühren. Beiseitestellen und warm halten.
2 grosse Forellenfilets ohne Haut waschen, trockentupfen und je in vier Stücke schneiden. Salzen und pfeffern.
1 Esslöffel Butterfett in einer Bratpfanne sanft erhitzen und die geschälten Kartoffeln rundum knusprig anbraten.
2 Esslöffel Butter in einer grossen Bratpfanne aufschäumen lassen. Die Forellenstreifen auf beiden Seiten je vier Minuten kross braten.
1 Handvoll gezupfter, frischer Majoranblätter, Schalotten zu den Kartoffeln geben, kurz zusammen erhitzen, mit Salz und weissem Pfeffer abschmecken.
Je fünf Kartoffeln, vier Schalotten und etwas Sauce auf den Teller geben. Zwei Forellenschnitten darauf drapieren und mit Majoran dekorieren.
Quelle: Christine Bärlocher