Ahnenforschung ist mein neues Hobby. Ich brachte in Erfahrung, dass meine Urgrossmutter im Herbst 1914 an einer Grippe starb und mein Urgrossvater im Winter gleichen Jahres beim Holzschlag unter einer Tanne begraben wurde. Meine Grossmutter wurde also innerhalb von zwei Monaten Vollwaise. Eben erst aus der Schule entlassen, blieb ihr und ihrem älteren Bruder nichts anderes übrig, als den elterlichen Hof weiterzuführen und die kleinen Schwestern, alles Nachzüglerinnen, irgendwie durchzufüttern. So kämpften sie bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wie viele andere Familien im Land, ums Überleben. Überall mussten alle anpacken, ob sie wollten oder nicht. Da blieb keine Zeit zum Lamentieren.

Und meine Generation? Ich habe als Kind in den siebziger Jahren zetermordio geschrien, wenn ich mal ein Gäbeli abtrocknen musste. Ich fand Abtrocknen nämlich überhaupt nicht lustig. Alle anderen Hausarbeiten und Hausaufgaben auch nicht. Ich habe mich viel lieber mit Dingen abgegeben, die mir Vergnügen bereiteten – ein typisches Kind der damaligen Zeit: ein verwöhnter Saugoof. Und so ist das bis heute geblieben: Ich tue fast nur, was mir Spass macht. Ich habe sogar das Glück, einen Job zu haben, der mir Spass macht. Ein Privileg, von dem unsere Vorfahren nur träumen konnten.

Hand aufs Herz: Wir tun nur widerwillig mal was, das uns keine Freude bereitet – und wenn doch, dann zeigen wir unseren Frust deutlich. Wir haben es heute alle einfacher als unsere Grossmütter. Wir müssen nicht mehr ums nackte Überleben kämpfen und uns halb zu Tode schuften. Wir leben zwischen relativem Wohlstand und Überfluss. Wir haben viel freie Zeit und können diese frei gestalten. Lust und Spass sehen wir als Grundlage für Zufriedenheit und ein gutes Leben. Diese Haltung vermitteln wir auch der nachfolgenden Generation. Und damit den Kindern nichts, aber auch wirklich nichts zu öde oder zur Last wird, haben wir uns darüber kundig gemacht, wie sie leichter lernen und wie sie Hausarbeiten und Hausaufgaben ohne Murren mit möglichst viel Spass erledigen können. Und Erziehung selbst darf auch ein bisschen Spass machen – das steht in unzähligen Ratgebern.

Damit wir vor lauter Spass nicht verblöden, sind wir zwischendurch auch wieder mal ganz vernünftig und schauen den Tatsachen ins Gesicht. Dann beklagen wir die heutige Jugend und sind entsetzt, dass da eine ganze Generation heranwächst, die nur an Materiellem interessiert ist, nur nach Vergnügen strebt und doch nie zufrieden ist. Wen wunderts? Sie haben uns Erwachsene als Vorbilder. Wir haben eine dauerpubertierende Spassgesellschaft geschaffen, in der das totale Lustprinzip herrscht. Wir bringen es sogar fertig, dass wir Spass und Leistung unter einen Hut bringen. Schliesslich soll ja auch die Arbeit Spass machen, nicht wahr?

Aber leider gehen uns rezessionsbedingt die Arbeitsplätze aus, was für viele ein Grund ist, vergangene Zeiten zu idealisieren und die Zukunft schwarzzumalen. Das bringt uns aber nicht weiter. Schon gar nicht Kinder und Jugendliche, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben. Wir sollten uns deshalb überlegen, ob wirklich alles, was zu tun ist, immer Spass machen muss.