Es gab keine Feier, keine Gäste, kein Tamtam. Trotzdem werden sich Marlise und Anouck Hofmann immer an ihren Hochzeitstag erinnern. Sie heirateten am 1. Juli 2022. Am Tag, an dem die «Ehe für alle» in Kraft trat.

Die Frauen sind seit elf Jahren zusammen und leben seit sechs Jahren in einer eingetragenen Partnerschaft. Trotzdem hatten sie nicht dieselben Rechte wie heterosexuelle Paare. Die Hochzeit sollte das ändern. «Wir hofften auf weniger Formulare, Abklärungen, Spezialregelungen.» Das Timing war perfekt: Bei der Trauung war Anouck im fünften Monat schwanger.

Olivia kam im November zur Welt. Und mit dem Kind kam die Bürokratie.

«Tragen die Eltern einen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind diesen Namen»

Marlise und Anouck Hofmann

Wenige Tage nach der Geburt erhielten die Mütter ein Schreiben. Betreff: Geburtsmeldung. Absender: Zivilstandsamt Oberaargau. Der Inhalt: überraschend. «Der von Ihnen gewünschte Familienname kann nicht beurkundet werden. Nach schweizerischem Recht trägt das Kind den Ledignamen der Mutter», stand im Brief. Olivia sollte mit Nachnamen also anders heissen als ihre Mütter.

Marlise lachte, Anouck weinte. «Absurd», fanden beide. Um genau das zu vermeiden, hatten sie sich bei der Hochzeit für einen gemeinsamen Familiennamen entschieden. Da könne man nichts machen, hiess es auf dem Amt. So sei halt das Gesetz.

Damit gaben sich die Hofmanns nicht zufrieden. Welches Gesetz? Betrifft es nur gleichgeschlechtliche Paare? Oder handelt es sich um einen Fehler? Zu viele offene Fragen – auch ein Blick ins Zivilgesetzbuch half nicht weiter: «Tragen die Eltern einen gemeinsamen Familiennamen, so erhält das Kind diesen Namen», steht da. Wieso ihres nicht?

Schwer zu verstehen

Etwas Klarheit bringt eine Anfrage beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement EJPD. «Es wurde kein Fehler gemacht», sagt Informationschefin Ingrid Ryser. «Der gemeinsame Familienname gilt nur, soweit es die gemeinsamen Kinder sind.» Ansonsten erhalte ein Baby den Ledignamen der leiblichen Mutter. «In Einzelfällen führt das zu Ergebnissen, die für die Betroffenen nicht immer leicht nachvollziehbar sind.» Die Zivilstandsämter hätten keinen Spielraum.

Das Problem ist also: Marlise ist keine Mutter, zumindest nicht offiziell. Denn eine Ehefrau wird erst dann zum zweiten Elternteil, wenn ein Kind nach den rechtlichen Vorgaben gezeugt wurde. Das heisst im Fall der Hofmanns: über eine offizielle Samenbank.

«Wir mussten schon dafür bezahlen, die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe übertragen zu lassen. Und jetzt kostet die Stiefkindadoption auch noch 400 bis 800 Franken.»

Marlise und Anouck Hofmann

Der Zugang dazu wurde gleichgeschlechtlichen Paaren erst mit der «Ehe für alle» ermöglicht. Gesetzlich ist streng geregelt, wer als Samenspender in Frage kommt. Jede Spende wird kontrolliert und dokumentiert. Die Idee dahinter: Sobald ein Kind 18 Jahre alt ist, werden die Daten des Spenders freigegeben. «Das ist zu spät», fanden die Hofmanns. Also entschieden sie sich für einen privaten Spender, einen Mann aus dem Kollegenkreis. «Er wird von Anfang an Teil von Olivias Leben sein», sagt Marlise. Die Konsequenz – dass sie ihr Kind später adoptieren muss – sei ihr bewusst gewesen. «Das war es uns wert. An erster Stelle steht Olivia.»

Trotz aller Vorbereitung und Recherche überraschte sie die Namensregelung. Laien ist es nur schwer möglich, sich die Informationen zu beschaffen, die für eine gleichgeschlechtliche Beziehung gelten. Bei Mann und Frau ist die Regelung klarer: Ein Baby erhält den Ledignamen der Mutter, wenn das Paar unverheiratet ist oder sich nicht auf einen Nachnamen einigen kann.

Kosten über Kosten

Die gute Nachricht: Es ist eine Frage der Zeit, bis Olivia den Familiennamen ihrer Mütter bekommt. Bei einer Stiefkindadoption passiert das automatisch.

Die schlechte Nachricht: Das Verfahren ist langwierig und aufwendig. Ein Paar kann den Antrag erst ein Jahr nach der Geburt einreichen. Bis zur Bewilligung verstreichen in unkomplizierten Fällen ein paar weitere Monate. Der Bundesrat hat sich im Mai 2022 zwar dafür ausgesprochen, diesen Weg zu vereinfachen – wann eine entsprechende Regelung in Kraft tritt, ist allerdings unklar.

Hinzu kommt: Das Verfahren kostet – schon wieder. «Wir mussten schon dafür bezahlen, die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe übertragen zu lassen. Und jetzt kostet die Stiefkindadoption auch noch 400 bis 800 Franken.» «Für Olivia nehmen wir das alles auf uns», sagen die Hofmanns. Aber ein schaler Beigeschmack bleibt: Die versprochene Gleichberechtigung durch die «Ehe für alle» ist doch noch nicht ganz da.

Woche für Woche direkt in Ihre Mailbox
«Woche für Woche direkt in Ihre Mailbox»
Jasmine Helbling, Redaktorin
Der Beobachter Newsletter