Kinder mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) erleben den Alltag als ständige Reizüberflutung: Alles wird zugleich und ungefiltert registriert. Dinge wie etwa ein vorbeifahrendes Auto, eine summende Biene oder das Schaukeln eines Blattes im Wind werden nicht unbewusst ausgeschaltet, sondern als gleich wichtig wahrgenommen. Verständlich, dass solche Kinder leicht ablenkbar sind. Sie scheinen nicht zuzuhören, vergessen Dinge und haben keine Ausdauer. ADS-Kinder sind häufig impulsiv: Sie handeln unüberlegt, können nicht warten, bis sie an der Reihe sind, unterbrechen oft und stören andere im Schulunterricht. Sie sind schnell frustriert und reagieren unverhältnismässig. Stösst das Kind an Grenzen, kommt es zu Wutausbrüchen wie beim Kleinkind.

Bei manchen ist die Aktivität übermässig ausgeprägt. Dann spricht man von einem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Solche Kinder sind rastlos und können kaum ruhig sitzen, wogegen die nicht hyperaktiven ständig in Tagträume abdriften und faul wirken - zu Unrecht. Etwa fünf Prozent aller Schulkinder sind davon betroffen, Knaben dreimal mehr als Mädchen. Der Ursprung des Syndroms ist bis heute nicht ganz geklärt. Genetische, neurologische und psychosoziale Faktoren bis hin zu einer Störung des Immunsystems werden dafür verantwortlich gemacht.

Sicher ist: Die betroffenen Kinder können nichts dafür und sind nicht weniger intelligent als andere. Aber ihr Wahrnehmungsproblem verunmöglicht es ihnen, ihr Potential auszuschöpfen. Den Schulstoff schaffen sie oft nur mit grosser Mühe, weil konzentriertes Arbeiten kaum möglich ist. Bei den Hausaufgaben spüren es auch die Eltern: Täglicher Stress ist programmiert.

Damit aber auch diese Kinder die Chance haben, ihren Weg bestmöglich zu machen, brauchen sie Hilfe. Experten sind sich einig, dass eine kombinierte Behandlung in Form von Medikamenten und Kinderpsychotherapie am wirksamsten ist. Letztere dient zur Förderung der Aufmerksamkeit, zum Aufbau von kompetentem Sozialverhalten und zur Verminderung des aggressiven Auftretens. Eine Familienberatung kann Eltern unterstützen.

Praktische Alltagshilfen
Verständnis und Akzeptanz sind sowohl seitens der Lehrer als auch der Eltern gefordert. Wie wichtig dies ist, zeigt sich im Beobachter-Erziehungsforum. Hewa, 43, berichtet aus ihren Erfahrungen als Kind Folgendes: «Wenn meine Mutter und meine grösseren Geschwister nicht instinktiv richtig gehandelt hätten, wäre ich heute nicht das, was ich bin. Sie haben stundenlang Hausaufgaben mit mir gemacht und einfach akzeptiert, dass ich anders war.»

Struktur und Rituale erleichtern Ihrem Kind den Alltag mit AD(H)S:

  • Tages- und Wochenpläne für das Kind.
  • Rituale vor und nach der Schule, beim Zubettgehen.
  • Feste Zeiten für Hausaufgaben, häufige kurze Pausen.
  • Keine Ablenkung: leerer Tisch zum Aufgabenmachen, Fenster schliessen.
  • Aufmerksamkeit erlangen: Blickkontakt, Berührung, Vorname nennen.
  • Nachfragen, was man gesagt hat.
  • Nur eine Anweisung aufs Mal geben.
  • Stillen Sie den Bewegungsdrang: Sitzball, Knetball, Kaugummi.