«Es war schrecklich. Der Körper war ganz zerfressen. Und dieser Geruch in der Wohnung, das kann man sich kaum vorstellen.» Zwei Monate nach ihrem Tod fand man die 54-jährige Elisabeth G. «Sie hat sich erhängt», sagt ihre Schwägerin. «Elisabeth wohnte nur 500 Meter entfernt von uns. Doch meine Freundschaft erreichte sie nicht mehr. Ich fühle mich ohnmächtig. Ich habe um ihre Not gewusst, konnte ihr aber nicht helfen.»

Bereits vor zwei Jahren hatte Elisabeth G. einen Suizidversuch unternommen. Danach zog sie sich immer mehr zurück. «Sie beantwortete keine Briefe, hatte kein Telefon und öffnete die Tür nicht mehr», erzählt ihre Schwägerin. Elisabeth G. habe alle Kontakte abgebrochen, um nur noch in ihrer spirituellen Welt zu leben. Letzten Oktober nahm sie sich das Leben.

Flucht aus der «materiellen Welt»
Elisabeth G. war eine lebensfrohe und kontaktfreudige Persönlichkeit gewesen. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann, einem Starkoch, 18 Jahre lang in Bern erfolgreich ein renommiertes Gourmetrestaurant geführt. Mit der Zeit fühlte sie sich allerdings nicht mehr wohl unter den «oberflächlichen Menschen in dieser materiellen Welt», wie die Schwägerin berichtet. Sie wandte sich geistigen Werten zu und suchte einen neuen Lebenssinn. Damals trat sie aus der reformierten Kirche aus.

Das Wirtepaar gab den Betrieb auf. Und die Patronne liess sich zur Therapeutin in Polarity ausbilden, einer ganzheitlichen Heilmethode, die auf Körperarbeit beruht. 1995 liess sich Elisabeth G. von ihrem Mann scheiden. Für ihn, der sich dagegen wehrte, begann die Ehefrau, «in einer andern Welt» zu leben. «Mit dem esoterischen Zeug hatte ich nichts am Hut», erzählt er im Rückblick.

Das «esoterische Zeug» fing an, als Elisabeth G. mit «Meisterin Alamita», der Führerin der Heilervereinigung Universal Link, in Kontakt kam. Bei Alamita liess sie sich zugleich therapieren und ausbilden. Sie machte den fatalen Schritt von der Selbstverwirklichung in eine neue Abhängigkeit – in die Abhängigkeit von einer weltfremden, abstrusen Heilslehre. Darin blieb sie gefangen, auch als sie sich nach ein paar Jahren wieder von Alamita trennte.

Elisabeth G. hinterliess keinen Abschiedsbrief, und sämtliche Dokumente im Computer waren gelöscht. Einzig die Seminarunterlagen und die Therapietonbänder mit Meisterin Alamita hatte sie nicht vernichtet. «Ich bin überzeugt, dass sie diese dunkle Hinterlassenschaft gezielt zurückliess», sagt ihre Schwägerin.

Die selbst ernannte Geistheilerin Alamita trat 1994 erstmals in Erscheinung. Unter dem Titel «Die Galaxis grüsst» berichtete der Beobachter über ihr Wirken (Nr. 15/96). Alamita alias Edda Winkler aus Locarno behauptete damals, sie sei als Ausserirdische auf die Erde gekommen, um diese zu erlösen: als «Projektion des Urlichts» und «führendes Mitglied des Ashtar-Raumschiff-Kommandos». Ihre «gechannelten» Botschaften aus dem All verbreitete die gebürtige Deutsche via Vorträge und Tonkassetten, in Seminarien und Einzeltherapien.

Elisabeth G.s hinterlassene Tonbänder zeigen: Die Meisterin hatte mit ihrer Schülerin frühtraumatische Erlebnisse aufgearbeitet. Die unerwünschte Geburt, sexueller Missbrauch in der Kindheit, Schläge von der Mutter – «das alles ziehen wir jetzt mal raus», forderte Alamita resolut. Wortgewandt erzählte sie der suchenden Frau von der «fünften Dimension», in die sie bald kommen werde. Und dass sie noch ein «Restkarma von drei bis fünf Prozent», das sie aus der Vergangenheit mitschleppe, abtragen müsse.

Die Vertreterin aus dem All zog alle esoterischen Register, um die neue Schülerin unter ihren Einfluss zu bringen. Sie riet ihr, mindestens 40 Kilometer von Bern wegzuziehen: «Dort, wo die Industrie und die Regierung sind, lebt man gefährlich.» Da die Erdachse bald «kippe» und der Weltuntergang drohe, müsse sie an eine Hanglage ziehen. Elisabeth G. verkaufte ihr Ferienhaus am Murtensee und zog an einen Bergrücken bei Thun.

«Mutterschiff im Maggiatal»
Im Weiteren prophezeite Alamita den baldigen Tod von Elisabeth G.s Ehemann – er lebt sechs Jahre später immer noch – und versprach ihr zwei neue Partner: «Der eine ist blond, der andere etwas dunkler; du kannst dir den Besseren aussuchen.» Doch weder tauchte ein irdischer noch ein ausserirdischer Partner auf. Komplett falsch war auch die Berufsprognose: Wenn Elisabeth die Heilerinnenausbildung abgeschlossen habe, werde sie grossen Erfolg haben. Doch sie fand so wenig Kundinnen, dass sie ihre Praxis aufgeben musste.

In anderen Sitzungen versuchte sich Alamita als Seherin. Sie schilderte Elisabeth, wie diese in Indien nach ihrer Geburt erdrosselt worden sei. In einem «anderen Leben» in Südeuropa habe ihr Gemahl sie erwürgt. Und im 18. Jahrhundert schliesslich sei sie bei einem Schiffsuntergang fast ertrunken.

Trotz der suggestiven Macht der Sektenchefin schluckte die Anhängerin nicht alles. «Das mit den Raumschiffen ist mir eher fremd», sagt Elisabeth G. auf einer Tonbandkassette zu Alamita. Doch unerschütterlich erwidert diese: «Weisst du, ich habe ein Mutterschiff hier ganz in der Nähe, im Maggiatal.»

Mindestens neun Seminare und drei intensive Therapien absolvierte Elisabeth G. zwischen 1994 und 1996 bei Alamita. Sie kaufte bei ihr Tonkassetten und Literatur, einmal auch einen Kristall für über 1200 Franken. Im Sommer 1995 erhielt Elisabeth G. das Diplom als «spirituelle Lehrerin, Heilerin und Kosmologin» aus den Händen der Extraterrestrischen. Wenig später trat sie der Vereinigung «Universal Healers Link» bei. Ihrer Freundin und den Angehörigen aber erzählte sie nichts über das Innenleben und die Arbeitsweise von Meisterin Alamita. Elisabeth G.s Freundin ist überzeugt: «Alamita hat ihren Schülerinnen ein Redeverbot auferlegt.»

Ihrer Schwägerin hatte Elisabeth G. einmal anvertraut: «Die da oben wollen, dass ich ganz untendurch gehe.» Genauere Auskünfte aber habe sie verweigert. Die ehemalige Wirtin habe gelegentlich auch Wahnvorstellungen entwickelt. «Elisabeth wollte eine alte Schuld abtragen», ergänzt die Freundin. Die beiden Frauen machen zwar Alamita nicht für den Freitod verantwortlich. Aber sie werfen der Sektenchefin vor, dass sie Elisabeth G. in ihrer Not nicht geholfen, sondern ihr im Gegenteil den Weg in eine abstruse Scheinwelt gewiesen habe.

Finanzielles Desaster
Mehr noch. Sektenchefin Alamita stürzte die orientierungslose Frau auch in ein finanzielles Desaster: Im August 1994, so geht aus den Unterlagen hervor, empfahl die Vertreterin der Galaxis an einem Wochenendseminar in Zug, ihre Anhängerinnen sollten beim European Kings Club (EKC) Geld anlegen. Der EKC sei ein «sehr seriöser, spiritueller Klub», der siebzig Prozent Rendite gewähre. Eine Aktie oder ein Brief («Letter») koste 1400 Franken. Doch solle man das Geschäft im Ausland tätigen, denn in der Schweiz habe man deswegen Leute inhaftiert.

In einem weiteren Brief, der dem Beobachter vorliegt, teilte Alamita der «lieben Elisabeth» die Adresse eines österreichischen EKC-Betreuers mit. «Ich würde anrufen mit dem Hinweis, dass du eine Mitstudentin von Beate [einer weiteren «Letter»-Käuferin – Anmerkung der Redaktion] bist, damit er weiss, dass alles in göttlicher Ordnung ist und keine ‹Gefahr› aus der Schweiz droht.» In der Folge überwies Elisabeth G. über 90000 DM an den Kings Club. Geld, das sich nach dem Zusammenbruch des betrügerischen Schneeballsystems völlig in Luft auflöste.

Was sagt Alamita zu diesen Vorwürfen? Eine Kontaktaufnahme mit ihr erwies sich als unmöglich. Noch im Februar dieses Jahres war das Telefon der Meisterin an der Via ai Saleggi 40 in Locarno in Betrieb. Im März aber war Alamita alias Edda Winkler nur noch über das Postfach erreichbar. Doch auf die zwei Briefe des Beobachters mochte die Ausserirdische nicht reagieren. Vielleicht weil sie über das Maggiatal wieder zurück ins Weltall geflogen ist?

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