Therapiehunde sind eine amerikanische Erfindung. Tausende von ihnen machen mit ihren Besitzern Besuche am Krankenbett, in Schulen und Heimen. Ursula Sissener aus Unterägeri ZG reist oft zur Weiterbildung in die USA. Sie lernte dort den «therapy dog» kennen und führte ihn 1992 in der Schweiz ein – als Präsidentin des Vereins Therapiehunde Schweiz.

250 ausgebildete Hunde und Besitzer sind hierzulande im Einsatz. Ein Drittel der Hundeführerinnen und -führer ist vom Fach – Heilpädagogen, Psychologinnen, Pfarrer, Kindergärtnerinnen –, die andern zwei Drittel sind sozial engagierte Laien.

Sie besuchen mit ihren Vierbeinern alte Menschen in Pflegeheimen, autistische Kinder in Sonderschulen und Langzeitpatienten in der Psychiatrie. Die Anfragen von Heimen und Kliniken, die den Besuch eines Therapiehundes wünschen, mehren sich. Ursula Sissener: «Wir haben rund 30 Institutionen auf der Warteliste.»

Hunde schaffen Vertrauen
Dass Tiere eine therapeutische Wirkung auf Menschen haben können, wurde erstmals Mitte der sechziger Jahre in der Fachwelt konstatiert. Der US-Psychotherapeut Boris Levinson realisierte damals, dass die Anwesenheit seines Hundes den jugendlichen Klienten half, sich zu öffnen. Er begann diese Erkenntnis gezielt zu nutzen.

Andere Fachleute machten ähnliche Erfahrungen. In den siebziger Jahren führte das Psychiaterpaar Sam und Elizabeth Corson in Ohio eine Studie mit Patienten durch. Ergebnis: Der regelmässige Kontakt zu einem Hund führte bei den Probanden zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls.

Ungefähr zur gleichen Zeit wurde im Nordwesten der USA die Delta Society gegründet. Zweck der gemeinnützigen Institution, heute weltweit die grösste ihrer Art: Förderung der Beziehung zwischen Tieren und Menschen zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit und Lebensqualität. Zahlreiche Studien und Publikationen sind seither entstanden. Der Befund ist einheitlich: Tiere tun den Menschen gut.

Damit auch die Menschen den Tieren gut tun, ist es Ursula Sissener wichtig, dass der Einsatz der Therapiehunde im Rahmen ehrenamtlicher Freiwilligenarbeit erfolgt. Nur so sei sichergestellt, dass das Tier weder ausgenutzt noch überfordert werde. «Das Wohlbefinden des Hundes ist für uns sehr zentral.»

Von ihren Aufenthalten in den USA kommt die Fachfrau seit einiger Zeit mit gemischten Gefühlen zurück. Zwar schätzt sie die Kurse, die an den dortigen Universitäten angeboten werden – aber dass Therapiehunde in den USA mehr und mehr zur Mode werden, erfüllt sie mit Sorge: «Damit steigt die Gefahr, dass die Tiere instrumentalisiert werden.»

Wer sich in der Schweiz mit der Beziehung von Mensch und Haustier beschäftigt, stösst unweigerlich auf Dennis C. Turner. Seit 1991 führt er in Hirzel ZH sein Institut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie. Daneben steht er zwei auf dem selben Feld tätigen Gremien vor – dem 1990 gegründeten Konrad-Lorenz- Kuratorium in Zürich und dem internationalen Dachverband IAHAIO. Turner ist überzeugt: «Je mehr wir über die Interaktion von Mensch und Tier wissen, desto grösser wird unser Respekt vor den Tieren sein.» Seit einem Jahr bietet er in seinem Institut auch Ausbildungen für so genannt tiergestützte Therapien und Aktivitäten an – in Zusammenarbeit mit der Psychotherapeutin Elisabeth Frick Tanner.

Katzen heitern Kinder auf
In ihre Praxis in St. Gallen kommen vor allem Kinder. Mit ihnen arbeitet Frick Tanner nach den Regeln der klassischen Psychotherapie. Ihre Tiere – Hund, Katze, Meerschwein, Fische und Vögel – spielen aber eine zentrale Rolle. Sie sind Brückenbauer und Eisbrecher zugleich. «Meine Katze eignet sich besonders gut dafür, verschlossene Kinder zum Lächeln zu bringen – und zum Sprechen.»

Für Markus Fäh, Kopräsident des Schweizerischen Psychotherapeuten-Verbands SPV, ist die tiergestützte Arbeit heute noch eine Aussenseitermethode. «Das sagt aber nur etwas über ihre zahlenmässige Verbreitung aus und nichts über die Qualität.» Fäh ist überzeugt, dass es für den Einsatz von Tieren eine Indikation gibt: «Es gibt Menschen, die nur zu Tieren angstfrei Kontakt aufnehmen können.»

Dennis C. Turner ist optimistisch, dass sich sein Tätigkeitsgebiet etablieren wird. Darauf weise auch der grösser werdende Kreis der Sponsoren hin, die die Forschung unterstützten. Turner: «Bislang waren das die Hersteller von Hunde- und Katzennahrung. Sie haben den Stein ins Rollen gebracht. Jetzt beginnen auch andere Kreise sich zu engagieren.»