Das schmutzige Geschirr stapelt sich auf dem Tisch. «Louis!», schallt es durchs Haus. «Geschirr in die Abwaschmaschine!» – «Mach ich gleich!», ruft es zurück. «Nicht gleich! Jetzt!» Der schneidende Ton der Mutter lässt keine Widerrede zu. Murrend beginnt der Filius, in der Küche zu hantieren. Der Ämtli-Plan hält schwarz auf weiss fest: Heute hat Louis Abwaschdienst.

Der Zehnjährige muss regelmässig ermahnt werden, obwohl ihm einleuchtet, dass sein Einsatz nötig ist. Schliesslich hat er dem Ämtli-Plan zugestimmt. Alle Familienmitglieder sind darauf aufgeführt und müssen ihr Soll erfüllen. Zudem weiss Louis, dass seine Freunde zu Hause auch helfen müssen. Wozu das gut sein soll, wissen allerdings auch sie nicht wirklich.

Kinder lernen, den eigenen Alltag zu organisieren

Tatsächlich haben die Ämtli einen Effekt, der über die willkommene Aufgabenteilung in der Familie hinausgeht. Das Einbeziehen der Kinder im Haushalt ist sehr wichtig für deren Entwicklung, da sind sich die Pädagogen einig. Die Kinder übernehmen Verantwortung und werden so selbstbewusster und selbständiger. Zudem lernen sie, wie sie später den eigenen Alltag organisieren können. Ein Beispiel: Das Einräumen von Besteck fördert die Feinmotorik. Wenn die Kleinen vier statt zwei Teller tragen, entwickeln sie ein Verständnis für Grösse, Raum und Effizienz. «Diese sogenannte Vorläuferfähigkeit fördert das Mathematikverständnis», sagt der deutsche Kinderarzt Rupert Dernick, der mit anderen Fachleuten das Konzept FamilienErgo entwickelt hat. Es soll Kinder fördern und sie im Alltag auf die Schule vorbereiten. Das Modell wird auch in der Schweiz an Elternabenden im Kindergarten thematisiert. Ein Kind, das den Tisch deckt, das Geschirr einräumt oder die Wäsche aufhängt, tut das also auch für sich selbst. Diese Haltung kann man Kindern nahebringen. Das heisst nicht, dass sie hinterher freudig alle Aufgaben sofort in Angriff nehmen. Jüngere Kinder assistieren jedoch oft eifrig und freuen sich, wenn sie helfen können.

Haushalt: So packen Kinder altersgerecht an

Zwischen drei und sechs Jahren können Kinder

  • mit Eltern oder grösseren Geschwistern ihr Zimmer aufräumen;
  • mit ihren Kleidern ordentlich umgehen;
  • beim Tischdecken und Abräumen helfen;
  • mit den Eltern Zmorge oder Znacht vorbereiten;
  • Blumen giessen, allenfalls im Garten Blätter zusam-menrechen oder jäten;
  • Hand- und Geschirrtücher zusammenfalten;
  • Wäsche aus der Maschine nehmen und ordnen;
  • Socken sortieren und eventuell zusammenfalten;
  • Spielzeug verstauen;
  • beim Bettenmachen helfen;
  • Schuhe putzen;
  • beim Rüsten helfen (Schneiden von Gurken, Bananen, Äpfeln).

Ab sechs können sie

  • das eigene Zimmer aufräumen, das Bett machen;
  • Wäsche zusammenfalten oder in den Schrank hängen;
  • kleinere Einkäufe erledigen;
  • Geschirr abwaschen und abtrocknen respektive die Abwaschmaschine ein- und ausräumen;
  • Verantwortung für ein Haustier übernehmen;
  • Staub saugen;
  • einfache Gerichte kochen (Pfannkuchen, Pudding, Nudeln);
  • den Abfallsack bereitstellen.

Ab zehn können sie

  • einen Wochenspeiseplan und eine Einkaufsliste erstellen;
  • Verantwortung für Zmorge oder Znacht übernehmen (Tisch decken, Obst und Gemüse rüsten, Müesli zubereiten, Brote richten); 
  • einen einfachen Zmittag kochen oder einen Kuchen backen;
  • die Betten beziehen;
  • schmutzige Wäsche sortieren, waschen, aufhängen;
  • kleinere handwerkliche Aufgaben erledigen wie ein Bild aufhängen oder eine Glühbirne auswechseln.

Ab 16 können sie

  • alle Abläufe im Haushalt übernehmen;
  • Aktivitäten und Ausflüge für die Familie planen und umsetzen;
  • kleine Arbeiten am Haus leisten wie Türen ölen, Fenster verkitten, Brauseköpfe entkalken, Wände streichen. 
Ab drei Jahren schon kleine Aufgaben

Daher ist es sinnvoll, auch die Kleinsten frühzeitig in die tägliche Hausarbeit einzubeziehen. Bereits ab zwei, drei Jahren können Kinder kleine Aufgaben übernehmen. Das weckt das Wir-Gefühl in der Familie. Wenn dann auch die Eltern gelassen und ohne Nörgeln im Haushalt zupacken, leben sie den Kindern etwas Entscheidendes vor: Hausarbeit ist keine Strafe, sie gehört zum Alltag und kann sogar Freude bereiten.

Wichtig ist, dass Eltern die Hilfsdienste von den Kindern konsequent einfordern und sie auf keinen Fall selber erledigen – das Kind käme sonst dahinter, dass es nur lange genug Widerstand leisten muss, um die Regel zu umgehen.

Zugegeben: Das kostet mitunter gehörig Nerven. Aber die Kinder merken so, dass sie mitverantwortlich sind, und das allein kann sich schon lohnen. Und wenn die Sprösslinge zwischen zwei Aufgaben wie «Staubsaugen oder Abwaschen» wählen können, kann das zusätzlich motivieren.

Einen Extrabatzen gibts dafür nicht

Wenn das alles nicht fruchtet und tatsächlich einmal eine Sanktion angezeigt ist, muss sie immer einen Bezug zum entsprechenden Ämtli haben. Würde sich Louis weigern, das Geschirr in die Maschine zu füllen, dürfte er erst mit den Freunden draussen Fussball spielen, wenn er seine Pflicht getan hat.

Grundsätzlich darf bei der Aufgabenverteilung niemand unfair behandelt oder überfordert werden. Für die Mithilfe soll es auch keinen Extrabatzen Taschengeld geben. Geld – auch darin sind sich die Pädagogen einig – ist innerhalb der Familie keine gute Währung.

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