Sie können beruhigt sein. Das Verhalten Ihres Enkels ist zwar unerwünscht, aber ganz normal und kann durch eine konsequente Erziehung zum Verschwinden gebracht werden. Die erste Situation lässt sich bei kleinen Kindern oft beobachten.

Der Reiz des Andern, Neuen ist oft grösser als der des bereits Verfügbaren. So finden Kinder die Spielsachen ihrer Gefährten oft attraktiver als die eigenen. Möglicherweise spielt bei Ihrem Enkel auch eine gewisse – ebenfalls natürliche – Eifersucht auf die kleine Schwester mit, die ihn ja als Einzelkind entthront hat.

Selbstverständlich muss der Kleine noch lernen, darum zu bitten, wenn er etwas haben will. Aber das wird er nach und nach schon schaffen. Für kleine Kinder ist es eben noch sehr schwer, Impulse oder Wünsche aufzuschieben.

Essenszeit dem Kind vorher ankündigen
Es ist auch normal, dass Kinder sehr vertieft und engagiert sind, wenn sie am Spielen sind, wobei bei Hyperaktiven gerade diese Fähigkeit sehr schwach ausgeprägt ist. Da hilft nichts anderes, als dem Enkel liebevoll, aber konsequent klarzumachen, dass auch kleine Jungen essen müssen, wenn sie gross und stark werden wollen.

Eine Hilfe für die Kinder ist es, wenn man vorher ankündigt, dass es bald zu essen gibt. Dann sollte man aber auch darauf bestehen, dass sie sich mit allen andern an den Tisch setzen. Wenn es nachher und vorher nichts zu naschen gibt, wird jedes Kind einsehen, dass es sich mit trotziger Nahrungsverweigerung nur selber schadet. Sehen Sie jedoch von Strafen und auch von Belohnungen mit Dessert ab. Sonst wird das Thema Essen zum täglichen ärgerlichen Kampfplatz, und spätere Essstörungen können die Folge sein.

Der Enkel von Karl B. leidet nicht an einem sogenannten Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder einer Hyperaktivitätsstörung, wie das Erscheinungsbild ebenfalls genannt wird. Tatsächlich kann ein solch auffallendes Verhalten im Kindergarten und in der Unterstufe aber immer häufiger beobachtet werden. Eigentlich handelt es sich bei diesen Kindern um das, was man im Volksmund «Zappelphilipp» nennt. Ich bin kein Freund von vorschnellen Etikettierungen, doch es gibt offensichtlich immer mehr Kinder, die sich schlecht konzentrieren und nicht ruhig sitzen können. Mit ihrer übermässigen, nicht angepassten Aktivität stören sie natürlich den Unterricht. In Amerika soll dies bereits die häufigste Ursache für die Überweisung eines Kindes an einen Psychiater oder Psychologen sein.

Beruhigende Medikamente können zwar die Symptome lindern und damit eventuell dem Kind, vor allem aber der Umgebung Erleichterung bringen, aber sie heilen natürlich nicht. Die folgenden Verhaltensregeln dagegen helfen unruhigen Kindern, ihr Zentrum wiederzufinden und ihre Konzentrationsfähigkeit zu stärken. Wenn Lehrer und Eltern in dieser Richtung wirken, nützen sie allen Kindern und nicht nur denen, die angeblich an einem Hyperaktivitätssyndrom leiden. Ausserdem nützen sie sich selbst, denn eigentlich kommen wir alle in der modernen Gesellschaft viel zu selten zur Ruhe.

 

  • Kinder brauchen Inseln der Konzentration und Ruhe, um sich einem Spiel oder einer Tätigkeit mit Leib und Seele zu widmen.
     
  • Kinder brauchen Rituale, das heisst regelmässig wiederkehrende Handlungen und Ereignisse. Zum Beispiel ein Sprüchlein vor dem Essen oder ein Lied vor dem Schlafengehen.
     
  • Ungeordneter und übermässiger Medienkonsum schadet.
     
  • Kinder brauchen Modelleltern, die zumindest manchmal Ruhe ausstrahlen und nicht unablässig von einer Aktivität zur nächsten hetzen.
     
  • Kinder brauchen immer wieder das Interesse und die Aufmerksamkeit der Erwachsenen, wenn sie etwas tun. Ganz dabei sein ist wichtiger als mitspielen.