Brav sitzen Anna und Sina auf ihren Stühlen und spielen, leise vor sich hin plappernd, mit der Knetmasse. Nur hin und wieder strecken die Dreieinhalbjährige und ihre eineinhalbjährige Schwester mit fragenden Augen einen Klumpen über den Tisch. «Schnecke?», fragen sie, und Patricia Heule Meili erfüllt die Bitte ihrer Kleinen gern. Sie wirkt vergnügt dabei und so aufgeräumt wie das blitzblank geputzte Haus. Nichts deutet darauf hin, dass sich die Mutterrolle manchmal ganz anders anfühlte. «Es gab Tage, da war ich nur noch genervt, schimpfte oft und war froh, wenn die Kinder abends endlich im Bett waren», sagt sie.

Die Berufsschullehrerin hatte bewusst eine längere Erwerbspause eingelegt. Den neuen Job wollte sie genauso perfekt machen wie den alten. Die Kinder sollen das nötige Rüstzeug für das Leben bekommen. Zum Teil fehlten dann aber die Ideen, wie sich Alltagssituationen gut meistern lassen. «Ich fühlte mich phasenweise als schlechte Mutter. Da merkte ich: Jetzt brauche ich einen Input von aussen», sagt Heule Meili.

Sie ist kein Einzelfall. In Erziehungsfragen scheinen Eltern zunehmend verunsichert, das zeigt allein die Flut an Ratgeberliteratur im Handel. Auch die alleinerziehende, 46-jährige Renata Schuh suchte bald nach der Geburt ihres heute zweieinhalbjährigen Sohns Devin nach einer Anleitung. «Ich wollte von Anfang an eine gute Grundlage schaffen und nicht erst dann Hilfe suchen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist», erklärt sie.

«Ich wollte gute Grundlagen schaffen und nicht erst dann Hilfe suchen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist»: Renata Schuh mit Sohn Devin

Quelle: Desirée Good
«Grosser sozialer Druck»

Kaum etwas fürchten Eltern mehr, als ausgerechnet dort zu versagen, wo sie am ehesten Einfluss auf die Entwicklung ihrer Sprösslinge nehmen können. Als Erklärung für die grassierende Angst vor Fehlern reichen ein paar Minuten Fernsehkonsum: von der Super-Nanny bis zum Club der bösen Mädchen – missratene Kinder, wohin man zappt. Angesichts solcher Szenarien lautet das elterliche Credo: Bloss nichts falsch machen. «Eltern stehen unter grossem sozialem Druck», sagt Maya Mulle, Geschäftsführerin des Schweizerischen Bunds für Elternbildung (SBE). Das Projekt Kind muss gelingen, sonst leiden Ruf und Selbstwert. Die hohen Ansprüche und die Furcht vor negativen Reaktionen, wenn sich ein Kind nicht so entwickelt wie gewünscht, treiben Eltern nicht nur in Buchhandlungen, sondern immer öfter auch in Erziehungskurse. Sie gehören zum Lebensstil der Mittelschicht. Sie als reine Geldmacherei abzustempeln wäre aber falsch. «Solche Kurse können durchaus nützlich sein und Eltern helfen, eine eigene Erziehungshaltung zu finden», sagt Heidi Simoni, Leiterin des Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind (siehe Interview im Artikel: «Den einen richtigen Weg gibt es nicht»).

Allerdings gilt auch hier: Das Angebot ist schier unüberblickbar. Es gibt in der Schweiz knapp 1500 Organisationen und etliche von keiner Statistik erfasste Einzelpersonen, die verunsicherte Eltern lehren, wie Erziehung geht. Wie sich zurechtfinden?

Jedes Kind ist anders

Empfehlenswert sind vorab standardisierte Erziehungsprogramme wie STEP, Gordon-Training, «Starke Eltern – Starke Kinder» oder Triple P (siehe Info: Vier standardisierte Erziehungsprogramme). Sie stützen sich auf wissenschaftliche Grundlagen, legen die dahinterstehenden theoretischen Konzepte offen, und die Kurse werden nur von zertifizierten Personen geleitet. Sie bieten ratsuchenden Eltern vor allem eines: den Austausch mit Fachleuten und anderen Eltern. «Mir hat es geholfen, ein Feedback zu erhalten, zu sehen, dass ich nicht alles falsch mache», sagt Patricia Heule Meili, die einen STEP-Kurs besuchte. Zudem habe sie gelernt, die Grundlagen des Ansatzes im Alltag umzusetzen.

Patentrezepte, warnt Maya Mulle vom SBE, dürfe man aber nicht erwarten. Jedes Kind ist anders. Die Fachfrau rät Eltern, sich möglichst früh mit der Erziehung zu befassen. Erziehungskurse sind nicht darauf ausgelegt, die Kinder zurechtzubiegen, sondern sie zeigen den Eltern auf, wo sie sich vielleicht selber im Wege stehen. Renata Schuh hat den Kurs «Starke Eltern – Starke Kinder» besucht – und dabei viel über sich selber gelernt: «Mir ist klargeworden, dass mein Umgang mit meinem Sohn viel mit meinen eigenen Wurzeln zu tun hat.»

Erziehungskurse können Eltern die Augen öffnen. Doch bei aller theoretisch fundierten Erkenntnis – ganz ohne Bauchgefühl geht es dann doch nicht: «Ohne Intuition kann man keine Kinder erziehen», sagt Patricia Heule Meili und streichelt Anna sanft den Kopf.

Dieses Kursangebot wurde vom Deutschen Kinderschutzbund mitentwickelt. Die Eltern werden in ihrem Selbstvertrauen gefördert. Sie werden zudem aufgefordert, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und eine gute erzieherische Grundhaltung zu entwickeln. Aktivierende Gruppengespräche wirken unterstützend.
Zielgruppe:
Erziehende von Kindern im Alter von (zirka) 1 bis 18 Jahren, die über sich und ihre Werte nachdenken und zu ihrem Kind eine positive Beziehung aufbauen wollen
Psychologischer Hintergrund:
systemische Familientherapie und humanistische Psychologie nach Carl Rogers; kommunikationstheoretische und familientherapeutische Konzeption
Dauer und Kosten*
: 8 bis 12 Kurseinheiten à 2 bis 3 Stunden; pro Kurs: Fr. 150.– für eine Einzelperson, Fr. 260.– für Paare
www.starkeeltern-starkekinder.ch

Die Abkürzung für das Trainingsprogramm aus den USA steht für Systematic Training for Effective Parenting. Eltern lernen, das Verhalten ihrer Kinder aus einem neuen Blickwinkel zu sehen und anders darauf zu reagieren. Schimpfen und Schuldgefühle sollen dank Ermutigung, Disziplin und guter Kommunikation reduziert werden. STEP fördert Selbstvertrauen und Kooperation für ein respekt- und liebevolles Miteinander. Bei einem Treffen im Anschluss an den Kurs werden die Strategien vertieft und konkrete Fragestellungen aus dem Familienalltag besprochen.
Zielgruppe: Erziehende von Kindern aller Altersstufen
Psychologischer Hintergrund: Individualpsychologie nach Alfred Adler und Entwicklungspsychologie
Dauer und Kosten*: Fr. 375.–, Paare Fr. 600.– (für 8 Treffen); Folgetreffen: Fr. 40.–, Paare Fr. 60.–
www.instep-online.ch

Das Familientraining, das nach dem amerikanischen Psychologen Thomas Gordon benannt wurde, baut auf wirkungsvollen Kommunikationsgrundsätzen auf. Geübt werden aktives Zuhören, das Senden von Ich-Botschaften und das Suchen nach einvernehmlichen Konfliktlösungen. Gegenseitiger Respekt gilt als grundlegender und alles entscheidender Faktor beim Aufbau von Beziehungen. Gelassenheit steht im Erziehungsalltag anstelle von Drohen und Strafen.
Zielgruppe: Erziehende von Kindern von der Geburt bis zum Alter von etwa 18 Jahren
Psychologischer Hintergrund: humanistische Psychologie nach Carl Rogers, kommunikationstheoretischer Ansatz
Dauer und Kosten*: Standardkurs: 30 Stunden; Fr. 445.– bis Fr. 525.– (plus
Fr. 80.– Materialkosten)
www.gordontraining.ch

Die drei P des Trainingsprogramms aus Australien stehen für Positive Parenting Program. Gemäss Triple P sind Eltern Vorbilder. Sie sorgen für eine positive Lernumgebung, erkennen die Auslöser von unerwünschtem Verhalten
und verändern diese aktiv. Die Regeln legen sie selber fest. Bei Problemverhalten ihrer Kinder reagieren die Eltern sofort und konsequent, bleiben aber liebevoll. Im Kurs wird nach Lösungen für verfahrene Situationen gesucht und neues Verhalten eingeübt.
Zielgruppe: Erziehende von Kindern von etwa 2 bis 12 Jahren, die schnelle Lösungen und mehr Sicherheit in ihrer Erziehungskompetenz brauchen
Psychologischer Hintergrund: theoretische Prinzipien der sozialen Lerntheorie und verhaltenstherapeutische Ansätze
Dauer und Kosten*: 10 Stunden, verteilt auf 4 bis 5 Treffen; der letzte Termin ist eine individuelle Telefonberatung. Fr. 240.–, Paare Fr. 360.– (plus Fr. 38.50 für Unterlagen)
www.triplep.ch

* Alle Kostenangaben sind ungefähre Preise

Unter www.elternbildung.ch finden Interessierte das gesamte Elternbildungsangebot in ihrer Region.