«‹Das kann ich alleine!› - das sind die Lieblingsworte meiner zweijährigen Tochter», erzählt die Mutter der kleinen Janina. «Manchmal schmeisst sie sich vor meine Füsse und zerrt mit hochrotem Kopf an Dingen, die sie unbedingt haben möchte.» Manchmal gelinge es ihr mit beruhigenden Worten, Janina zum Aufstehen zu bewegen und ihr zu erklären, dass sie etwa ihre Schuhe heute nicht alleine anziehen könne, weil die Zeit dränge. Ein anderes Mal brülle das Kind jedoch bis zur Erschöpfung. «Manchmal ist es zum Verzweifeln.»

Janina steckt in der Trotzphase. Auch wenn Kinder in dieser Zeit die Nerven ihrer Eltern strapazieren, tröstet es vielleicht, sich klarzumachen, dass Trotz Teil der kindlichen Entwicklung ist. Anders können sich Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und Frustrationstoleranz kaum entwickeln. Der Begriff Autonomiephase ist denn auch zutreffender als Trotzphase. Er beschreibt genauer, womit sich Kinder und Eltern auseinandersetzen müssen.

Trotzen ist nicht Folge falscher Erziehung
«Nicht Trotz ist das Wesentliche dieser Entwicklungsphase, sondern die Ablösung und das Selbständigwerden des Kindes», erklärt der österreichische Erziehungswissenschaftler Manfred Hofferer. Eltern können besser mit dieser meist zwei Jahre dauernden Phase umgehen, wenn sie wissen, dass das Trotzen nicht gegen sie gerichtet oder die Folge falscher Erziehung ist, sondern zur Förderung der Persönlichkeit ihres Kindes gehört. Dabei muss es nicht immer wie bei Janina zu einem Wutanfall kommen. Je nach Temperament kann auch stummer Protest oder Rückzug Ausdruck von Trotz sein.

Verhindern lassen sich Trotzanfälle nicht - aber die Eltern können das Ausmass in Grenzen halten:

 

  • Lassen Sie Ihr Kind bei einem Trotzanfall nicht allein, sondern bleiben Sie in der Nähe.
  • Bestrafen Sie Ihr Kind nicht durch Liebesentzug, Drohungen, versteckte Abwertungen oder physische Gewalt.
  • Überdenken Sie die Regeln und Verbote immer wieder aufs Neue und passen Sie sie dem Alter Ihres Kindes an. Bedenken Sie: Weniger ist oft mehr.
  • Fördern Sie die Selbständigkeit Ihres Kindes, indem Sie es beispielsweise im Haushalt mithelfen lassen.
  • Geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich auf wechselnde Situationen einzustellen. Wollen Sie zu einer bestimmten Zeit das Haus verlassen, kündigen Sie das Ihrem spielenden Kind zehn und dann nochmals fünf Minuten vorher an.
  • Vermeiden Sie Situationen, in denen ein Trotzanfall programmiert ist. Hat Ihr Kind etwa Hunger oder Durst, macht es keinen Sinn, erst noch einen Einkauf zu planen oder auf die Einhaltung von Regeln zu pochen.
  • Sobald Sie spüren, dass eine Situation Ihr Kind überfordert, lenken Sie es ab, zum Beispiel indem Sie es mit einem Eis überraschen oder mit ihm spielen.
  • Wenn Sie einmal aus der Haut fahren, verzweifeln Sie nicht. Wichtig ist, dass Sie Ihrem Kind - wenn es sich beruhigt hat - erklären, warum Sie sich so verhalten haben.
  • Manchmal hilft auch eine gute Portion Humor - und die Gewissheit, dass Sie und Ihr Kind diese Phase gut überstehen werden.

Buchtipp

Jan-Uwe Rogge: «Wenn Kinder trotzen»; Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2006, 224 Seiten, Fr. 16.80