Liebe Fiona Hefti, Ihre Freundinnen haben recht: Ein Kind zu bekommen ist kein Grund, sich wahnsinnig machen zu lassen. Besser ist es, sich nicht zu sehr zu sorgen. Ihre Schlussfolgerung in der «Schweizer Illustrierten», deshalb keine Ratgeberbücher zu lesen, ist aber falsch. Genauso wie der Standpunkt von Mona Vetsch in einer Gratiszeitung: «Meine Mutter hat gesagt, ein Kind zu bekommen sei selbsterklärend. Sie weiss, wovon sie spricht, sie hat vier grossgezogen. Ich kann ihr also vertrauen.» Kann sie wirklich? Mir hat eine vierfache Mutter mal gesagt, dass alle Frauen eine Art Eid ablegen, wonach sie keiner anderen verraten, wie schmerzhaft eine Geburt ist. Schon gar nicht einer Erstgebärenden.

Warum mir so was gesagt wurde? Als ich vor zwei Jahren am Beobachter-Buch «Abenteuer Familie» schrieb, schickte ich allen Müttern in meinem Umfeld eine Mail mit der Bitte, mir zu sagen, wie sie die Geburt ihrer Kinder erlebt hatten. Beim Recherchieren las ich nämlich fast nur von überglücklichen Wöchnerinnen – oder von Müttern, die in Schwangerschaftsdepressionen fielen. «Da muss es doch noch was dazwischen geben», dachte ich.

Meine Bekannten baten um Anonymität im Buch und vertrauten mir Dinge an, die sie zum Teil noch nie jemandem gesagt hatten. Eine fürchtete sich vor der Verantwortung, davor, die Welt ab sofort mit anderen Augen sehen zu müssen. Eine hielt die Schmerzen fast nicht aus – und gebar trotzdem vier Kinder: «Wahrscheinlich, weil bei jedem Kind eine Liebe geboren wurde, die einfach da war und nichts begehrte.» Eine andere schrieb von Schuldgefühlen, weil sie ihr Baby am liebsten zurückgegeben hätte. Erst nach ein paar Tagen habe sie sich freuen können: «Es war Liebe, die nicht vom Himmel flog, sondern auf leisen Flügeln an mich herangetragen wurde.»

Warum ich Ihnen das schreibe? Weil Sie sich nicht verrückt machen lassen sollen, wenn Sie nach der Geburt nicht gleich den Erwartungen der Gesellschaft entsprechen.

Alles Gute! Ihr Walter Noser