«Kommen Sie in meine Praxis, wenn die Meerschweinchen drei Monate alt sind, dann kastrieren wir die Männchen.» Glaubt man diesem Tierarzt, hat man bald einmal viermal so viele Nager wie erwünscht. Meerschweinchen werden nämlich viel früher geschlechtsreif – ein Tierarzt sollte dies wissen.

400 Millionen Franken jährlich geben die Schweizerinnen und Schweizer für die ärztliche Betreuung ihrer Heimtiere aus. Tendenz steigend: Der Stellenwert des Haustiers als Partner des Menschen nimmt zu, und so steigt auch die Bereitschaft der Tierhalter, mehr für eine anspruchsvolle medizinische Betreuung ihrer Vierbeiner auszugeben.

In der Schweiz gibt es etwa 800 Tierarztpraxen. Die Spannweite reicht von der Tierärztin, die zu Hause einen kleinen Raum eingerichtet hat, bis zu gut ausgerüsteten Tierkliniken, in denen mehrere Spezialisten gemeinsam praktizieren.

So hat der Beobachter getestet
Der Beobachter hat 45 Tierarztpraxen der Deutschschweiz zufällig ausgewählt und sich von ihnen telefonisch beraten lassen. Es waren alles Praxen, die Kleintiere behandeln, und die Testfragen bezogen sich nur auf diese. Sind die Antworten korrekt, und ist die Beratung freundlich? Nehmen sie sich Zeit am Telefon? Und wie sieht es mit den Preisen aus? Die Resultate sehen Sie auf der Tabelle Seite 62.

Bei den meisten Tierarztpraxen nahm eine Gehilfin das Telefon ab, in seltenen Fällen der Arzt selbst. Während die Tierärzte die Fragen oft kurz angebunden beantworteten, waren die Gehilfinnen – es waren immer Frauen – durchs Band freundlich. Folgende drei Fragen haben die Testerinnen den Tierärzten gestellt:

  • «Wie lange kann ich einen Wurf junger Meerschweinchen bei der Mutter lassen, ohne dass es Nachwuchs gibt?» Die Weibchen werden mit 21 bis 35 Tagen, die Männchen mit 35 bis 60 Tagen geschlechtsreif. Die Männchen sollten also im Alter von vier bis fünf Wochen von den Weibchen getrennt werden. Das Testresultat war ernüchternd: Nur rund zwei Drittel der angefragten Tierarztpraxen beantworteten die Frage ausführlich und korrekt, in sieben Fällen war die Auskunft falsch.

  • «Muss ich meinen jungen Hund gegen Tollwut impfen?» Da in der Schweiz die Tollwut als ausgerottet gilt, ist das Impfobligatorium für Schweizer Hunde im Frühling 1999 offiziell aufgehoben worden. Die Vierbeiner müssen neuerdings also nur geimpft werden, wenn sie ins Ausland mitgenommen werden. Diese richtige Antwort hörten die Testerinnen aber nur von der Hälfte der Auskunftspersonen. Die meisten wollten direkt einen Impftermin abmachen. Erst auf hartnäckiges Nachfragen hin bekam der Beobachter dann doch noch die richtige Antwort zu hören. Viele Tierärzte empfahlen die Tollwutimpfung weiterhin. Drei informierten falsch.

  • «Ich bekomme ein junges Kätzchen vom Bauernhof. Welche tierärztliche Versorgung braucht mein neues Haustier?» Hier gab es nur in einem Fall eine falsche Antwort. Erfreulicherweise nahmen sich bei dieser Frage die meisten Auskunftspersonen Zeit für eine ausführliche Beratung über die Parasitenbekämpfung und die nötigen Impfungen, auch eine spätere Kastration wurde oft angesprochen.


Im Zweifel war der Lehrling schuld

Der Beobachter hat die Tierärzte mit den falschen Aussagen konfrontiert. In den meisten Fällen schieben die Ärzte die Pannen auf ihr Personal ab. Eine häufige Begründung: «Am Telefon hat unser Lehrling geantwortet – ohne Rücksprache mit dem Tierarzt zu nehmen.»

Weiter verweisen die Ärzte darauf, dass die Praxisgehilfinnen eigentlich nur Termine abmachen und sich fachlich nicht äussern sollten. Davon war aber beim Test nicht viel zu spüren: Die Auskünfte – auch die falschen – kamen sehr routiniert durch die Leitung. Falsche Auskünfte können aber für ein Tier und dessen Halterin schwerwiegende Folgen haben.

Und wie steht es mit der Preistransparenz der Tierärzte? Geben sie über die Kosten Auskunft? Der Beobachter fragte nach – und biss nur bei einem Tierarzt auf Granit: «Kunden, die nach dem Preis fragen, möchte ich gar nicht in meiner Praxis, adieu.» Die anderen Praxen gaben gern Auskunft über ihre Behandlungskosten.

Riesige Preisdifferenzen
Die Preisunterschiede der Tierärzte machten teilweise happige 100 Prozent aus. Einsame Spitze war die Aabach-Klinik in Uster. Kein Wunder, Christian Caprez, der Betreiber dieser Klinik mit über 100 Telefonbucheinträgen, sorgte schon früher für Schlagzeilen. Er verlangt für die Kastration einer Katze bis zu 300 Franken, doppelt so viel wie seine Kollegen. Dazu Caprez: «Wir schlagen stets die Optimalvariante vor (wie man das ja auch in der Humanmedizin tut), die Kundinnen und Kunden entscheiden jedoch selbst, welche Behandlung sie wünschen und welche allenfalls nicht.»

Caprez wurde 1993 von der Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte (GST) ausgeschlossen, weil er seinen Kunden Stellungnahmen zu seinen hohen Behandlungskosten verweigerte. «Herr Caprez gilt als schwarzes Schaf unter den Tierärzten, er schadet dem Ruf unseres Berufsstandes», kommentiert Andrea Meisser, Präsident der GST das Testergebnis.

Früher gab die GST, der 85 Prozent der Tierärzte angehören, Richttarife vor. Das Wettbewerbsgesetz verbietet heute solche Preisabsprachen. Die GST publiziert jetzt Kalkulationshilfen, die auf einem Taxpunktsystem basieren. Die Tierärzte müssen sich allerdings nicht daran halten.

Für die Kastration einer Katze empfiehlt die GST beispielsweise Preise zwischen 140 und 215 Franken. Tendenziell sind die Preise in städtischen Gebieten höher als auf dem Land. Praxen, die neben Heimtieren auch Nutztiere behandeln, verlangen in der Regel auch weniger als reine Kleintierpraxen. Manchmal gibt es bei Barzahlung Rabatt.

Tierschutz fordert Vergünstigung
Mit wenigen Ausnahmen liegen die vom Beobachter erfragten Behandlungspreise im Rahmen, der von der GST empfohlen wird, zum Teil sogar darunter.

Für die Tierschutzvereine, die die Rechnungen für die Findeltiere mit Spendengeldern bezahlen müssen, sind die Tierarzttaxen happig. Der Schweizer Tierschutz STS kämpft schon lang für eine Ermässigung der Preise für die Behandlung von herrenlosen Tieren. «Bei Findeltieren sollten sich die Ärzte finanziell grosszügiger zeigen», fordert Cynthia Lerch, tierärztliche Beraterin des STS. «Das sollte eigentlich für alle Tierärzte eine Selbstverständlichkeit werden.»

Darben müssen die Veterinärmediziner nämlich nicht, wie Andrea Meisser von der GST bestätigt. «Ein Spitzentierarzt kann gegen 20'000 Franken monatlich verdienen, der Durchschnitt bewegt sich jedoch bei einem Einkommen von 100'000 bis 120'000 Franken im Jahr.» Allerdings betont Meisser: «Insgesamt ist der Lohn eines Tierarztes deutlich kleiner als der eines Humanmediziners.»

Dabei studiert ein Tierarzt gleich lang wie ein Arzt; immerhin sind die anschliessenden Assistenzjahre für Veterinärmediziner nicht obligatorisch. In der Schweiz kann man heute in den Tierspitälern Bern und Zürich Tiermedizin studieren. Bald sollen diese zwei Ausbildungsstätten zu einer Fakultät zusammengefasst werden.

Damit dürfte das jetzt schon sehr hohe Niveau noch einmal steigen. Andrea Meisser freut sich schon heute: «Dann wird die Schweizer Tiermedizin weltweit zu den Top Ten gehören.»

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Tipps für Haustierhalter

Nirgends sonst in Europa gibt es so viele Haustiere: In über der Hälfte der etwa drei Millionen Schweizer Haushalte lebt mindestens ein Tier. Das macht unser Land zum tierfreundlichsten in Europa.

Die Rangliste der beliebtesten Heimtiere:

  • 7 Millionen Zierfische
  • 1,2 Millionen Katzen
  • 460'000 Vögel (Kanarienvögel, Wellensittiche, Papageien)
  • 455'000 Hunde
  • 410'000 Kleinsäuger (Hamster, Meerschweinchen und Zwergkaninchen)
  • 12'000 Reptilien und Amphibien.


Wer sich ein Haustier anschaffen will, sollte sich bewusst sein, dass nebst Kaufpreis, Futter- und Haltungskosten auch Ausgaben für den Tierarzt anfallen.

Die tierärztliche Grundversorgung einer jungen Katze kostet im ersten Jahr gut 300 bis 500 Franken. Hier ein paar Tipps:

  • Suchen Sie sich nicht einfach den billigsten Tierarzt aus, sondern denjenigen, dem Sie Ihr Haustier gern anvertrauen. Die Liebe zum Tier sollte bei einem Tierarzt an vorderster Stelle stehen.

  • Je nach Bedürfnis wählen Sie eine kleine, dafür eventuell persönlichere Praxis aus oder eine Kleintierklinik mit umfassender Infrastruktur und Spezialisten.

  • Möchten Sie eine fachliche Auskunft, dann verlangen Sie einen Tierarzt ans Telefon. Wie der Beobachter-Test zeigt, sind die Antworten der Gehilfinnen nicht immer über alle Zweifel erhaben. Eine telefonische Auskunft darf verrechnet werden, sofern damit eine Konsultation erspart wird.

  • Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie mit dem Tierarzt vor der Behandlung Ihres Tieres über den ungefähren Preis reden. Gute Tierärzte bemühen sich, die Kunden über die Behandlungsart und die Kosten zu informieren. Sie schreiben nach der Behandlung auch eine detaillierte und verständliche Rechnung.